Prolog

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•Yatogami•

Schlechte Laune war wohl noch milde ausgedrückt, sobald ein gewisser, schwarzhaariger Gott das Zimmer betrat.
Yato war seit fünf Uhr früh wach und er wusste nicht einmal, wieso er sich das angetan hatte. Nach dem er aufgewacht war, hatte er sich aus Kofukus Schrein geschlichen und war durch die Stadt gestreunert - auf der Suche nach Aufträgen. Sein Entschluss, die Menschheit in eine bessere Welt zu lenken, war schwieriger als geplant: Denn es lief alles genau so, wie sonst auch immer.
Die Laune der Götter war...schwierig. Während alle in Takamagahara immer noch auf eine Strafe für den eigentlich unschuldigen Tenjin suchen, plagen die Götter und Shinki aus Yatos Freundeskreis viel eher Gedanken wie: 'Hiyori hätte jetzt bestimmt...'.
Alleine ihren Namen zu hören versetzte Yato in eine komische Mischung aus flatternden Glücksschmetterlingen und schlechten Erinnerungen. Schon mehrere Male hatte Kofuku vorgeschlagen, Hiyori wieder in den 'Kreis der Götter' (Yato hatte keine Ahnung wie die Göttin der Armut auf den Mist gekommen ist!) aufzunehmen, doch alle waren steht's dagegen gewesen. Vor allem Yato.
Yukine hatte zwar immer so ausgesehen, als würde ihm der Gedanke gefallen - doch er schien zu verstehen, dass Hiyori nur in Gefahr wäre.
Yato selbst spielte vor seinen Freunden zwar immer den Tapferen und Vernünftigen, doch keiner wusste, dass er die Oberschülerin nahe zu 24/7 beschattete. Dabei wollte er das gar nicht. Etwa drei Mal täglich redete er sich ein, dass Hiyori in Sicherheit war und keine geheime Eskorte brauchte. Doch er tat es trotzdem - fast schon unbewusst! Langsam kam er sich vor wie ein verrückter Stalker.
Yato schlich gerade so leise wie möglich durch Kofukus Schrein - wenn Daikoku ihn erwischen würde, wie er einfach wieder hineinspazierte, würde er sich zum x-ten Mal von seiner gesunden Leber verabschieden müssen.
D

och gerade in dem Moment, in welchem er extra leise sein wollte, knarrte der Fussboden unter ihm und promt schoss ein Mädchen mit pinkem Haar um die Ecke - Kofuku.
"YATO-CHAN! WO WARST DU DENN?!"
Nahezu geschockt zuckte der Gott zusammen und hielt sich im nächsten Moment schmerzend die Seite. Daikoku hatte ihn wieder gekickt.
"OI! DAIKOKU, WARUM KANNST DU NICHT SO HERZLICH SEIN WIE DEINE MEISTERIN?!"
Angesprochener verschränkte wütend die Arme vor der Brust und spuckte seine Zigarette aus dem Mund. "WEIL ICH DICH NICHT LEIDEN KANN DU FAULER OBDACHLOSER!"
"GASTFREUNDSCHAFT LIEGT DIR WOHL FREMD!"
Nun war es soweit: Daikoku kam bedrohlich näher und knackte die Finger. "Wie bitte? WIEDERHOL DAS, DU ARMER GOTT!"
"Bitte, nicht in die Leber...AHHH!"
Yato hasste es, wenn seine Leber in Mitleidenschaft gezogen wurde - vor allem, weil es IMMER die Leber war.
"Yato-chan, sei nicht so laut! Sonst störst du Yukki und Hiyorin beim le-..." Ertappt hörte Kofuku auf zu reden. Wie so oft in den alltäglichen Situationen, hatte sie das Gefühl, Hiyori würde es mitbekommen oder irgendwie dazugehören.
Die Erinnerung daran, dass Hiyori nicht mehr die Treppen runter hüpfen und sich bei ihm beklagen würde, tat weh. Die Tatsache, dass sie nicht mehr jeden Tag zu Besuch kam und ihn tadelnd an die einfachsten Dinge erinnerte, schmerzte.
Die reine Realisierung, dass irgendwie alles mit den Erinnerungen an Hiyori zusammenhing, brachte ihn fast um.
Aber die Erkennung, dass er Hiyori nie wieder reden hören würde, beförderte Yato tatsächlich direkt ins Grab.
Kofuku stotterte mit trauriger Miene eine Entschuldigung - und sah dabei ausschliesslich Yato an.
Natürlich schmerzte die Erinnerung. Aber er musste dafür sorgen, dass alle beim Wort 'Hiyori' nicht gleich ihre vor Mitleid triefenden Augen auf ihn setzten. Ja, er mochte Hiyori - nein, er liebte sie sogar! - aber Yukine und alle anderen mochten sie eben so.
Und darüber hinaus: Keine Seele durfte erfahren, was Hiyori und Yato füreinander empfanden. Götter sollten sich prinzipiell von solchen Dingen - bezogen auf Menschen die leben natürlich - fernhalten. Und diese goldene Regel hatte auch ihren Zweck und Grund.
Götter lebten solange, wie die Menschen für sie baten oder an sie glaubten. Nicht jeder Gott lebte demnach lange (Yato war sowas wie ein Überlebenskünstler!) dennoch waren die Meisten schon mehrere Jahrhunderte alt oder stammen von älteren Gottheiten ab. Es kam höchst selten vor, dass Götter sich paarten und ein Kind bekamen. Doch selbst dies war schon vorgekommen.
Aber Mensch und Gott in einer ernsten Liebesbeziehung? Dies war eines der grössten Tabus, das existierte! Es wäre ein Skandall, würden alle aus Takamagahara von seinen Gefühlen für Hiyori erfahren.
Yato war sich zwar sicher, dass seine Freunde - Kofuku, Daikoku, Yukine, Kazuma, Tenjin und (kaum zu fassen) Bishamon - sich dessen vollkommem bewusst waren. Sie wusste irgendwo alle, dass Yato mehr für Hiyori empfand. Deshalb galten die mitfühlenden Blicke auch alle dauernd ihm, sobald von ihr die Rede war. Aber sie hatten kein Problem damit. Jedenfalls nicht auf die Weise, wie alle anderen Götter in Takamagahara.
Sie würden Yato verstossen und ihn zusehen lassen, wie sie Hiyori einzeln auseinander nahmen - sie für die Fehler bestraften, die Yato begangen hatte.
Die Fehler? Welche Fehler denn?, dachte sich Yato verbittert. Es war nichts falsch daran, zu lieben...oder?
Naja, das war seine Meinung. Selbst Liebesbeziehungen unter Gottheiten lösten Unzufriedenheit aus...Beziehungen zu Menschen?
Yato war klar, dass Hiyori besser dran war ohne ihn.
Aber er konnte einfach nichts gegen seinen ständigen Drang sie zu beobachten tun.
Denn als er sie das letzte Mal versuchte sich selbst zu überlassen...
Das letzte Mal wurde sie gefangen genommen, ihr wurde das Blut in Massen ausgesaugt und sie war tot, bevor ich da war. Nur ganz knapp hat sie überlebt...alles weil ich sie alleine liess.
Ja, und die Spuren des Todes waren wirklich deutlich erkennbar!
Jeder vom Jenseits konnte es sehen: Die roten, schwarzen und weissen Fäden die sich um Hiyori banden und sie nahezu verschlingen drohten. Das sanfte Leuchten des Lichtes, das sie umgab - alles nur sichtbar für die Wesen aus dem Jenseits.
Kazuma hatte bereits versucht irgendwelche Methoden zu finden, diese Fäden loszuwerden. Schliesslich konnte jeder Ayakashi sehen, dass Hiyori eigentlich tot sein sollte - es aber nicht war, weil Liebe stärker war - was wiederrum keiner wissen durfte...
"Verdammter Mist!", fluchte Yato und trat mit dem Fuss gegen das Tischbein von Kofukus Wohnzimmertisch.
Diese ganze Sache hier machte ihn wahnsinnig!
Kofuku zuckte merkbar zusammen und wollte etwas sagen, doch Yato wandte sich bereits ab. Ihre gute Miene zwar in Ehren, aber er wollte ihren traurigen Augen nicht und schon gar nicht die mitfühlenden Worte. Er wollte sie nicht und brauchte sie nicht. Jedenfalls nichts von ihr...
Er hörte Daikoku nur sehr flüchtig seinen Namen fluchen, als die Tür bereits hinter Yato ins Schloss fiel. Er brauchte Abstand - wie jeden Tag.

Into the LightWo Geschichten leben. Entdecke jetzt