Kapitel 4: Veränderung

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•Hiyori Iki•

Die Arme vor der Brust verschränkt, lief die branhaarige Schülerin stumm ihren gewöhnlichen Weg zur Schule. Einige Meter entfernt, schlurfte Yato hinterher. Er hatte die Hände in den schwarzen Hosen vergraben und scannte buchstäblich jeden Nanometer um Hiyori herum.
Es war zwei Tage her, seit dem...Vorfall in der Küche. Hiyori wusste, dass Yato im Grunde nichts dafür kann. Kazuma hatte ihr genau geschildert, wie dieser Ayakashi funktionierte. Sie war anziehend gewesen und wenn man auch noch dazuzählte, was Yato und Hiyori füreinander empfanden, war das...Geschehene nicht wirklich überraschend.
Viel mehr überraschte es Hiyori, dass Yato sich passiver nicht verhalten konnte. Sie hatte ihm eine gewischt - und zwar ordentlich. Aber der Gott hatte nichts dergleichen gesagt und auch ansonsten schwieg er.
Er war generell ruhiger. Sie hatte nicht mitbekommen, wie er sich über irgendetwas beschwerte und er ging fleissig seinen Aufträgen nach. Vergass dabei aber niemals, dass er auf Hiyori aufpassen musste.
Er verhielt sich wie ein Bodyguard, angeheuert von ihren Eltern. Nur, dass er es tun musste und nur fünf Yen bekommen hatte von Bishamon.
Auf eine merkwürdige Weise, war sein Verhalten total entgegen seinem gewöhnlichen Charakter.
Hiyori beobachtete stumm, wie Yato - nun ein wenig vor ihr - hinter einen Busch spähte. Irgendwie, sah es albern aus. Unbewusst, musste sie kichern, woraufhin der Gott verwirrt seine Augen auf sie richtete.
"Was ist so lustig?"
"Na ja, du läufst herum, als wäre unter jedem Stein ein Monster."
Yatos Blick wurde ernst und er meinte mit tonloser Stimme: "Ein verrückter Liebes-Ayakashi hat sich an dich gekrallt. Es sind unter jedem Stein Monster."
Ihre gute Laune verpuffte sofort. In ihrem Unterbewusstsein, war ihr diese Tatsache bewusst gewesen. Es jedoch so zu hören, war eine ganz andere Geschichte. Mit trübem Blick, lief sie weiter und ignorierte dabei Yatos gereiztes Seufzen.
Oder zumindest, versuchte sie das.
"Was erwartest du von mir?", wollte Yato mit monotoner Stimme wissen, als er neben ihr her lief. "Willst du, dass ich dich auf goldenen Kissen über meinem Kopf zur Schule trage und dich behandle wie eine Heilige?"
Sofort, fuhr Hiyori herum und funkelte den Gott entgeistert an. "Nein! Das habe ich nicht im entferntesten gedacht!"
"Tja, so kommt es aber rüber", erwiderte Yato und griff unvermittelt nach Hiyoris Handgelenk, als sie beinahe über die befahrene Strasse gelaufen wäre. "Du könntest wenigstens versuchen, dich nicht auf alltägliche Menschenweise umzubringen, auch, wenn meine Anwesenheit nicht gerade erste Sahne ist."
Zugegeben, sie hatte die rote Ampel für Fussgänger nicht bemerkt. Aber wenn sie so darüber nachdachte, wäre ein weiterer Autounfall gar keine schlechte Idee. Wer weiss, vielleicht starb sie dieses Mal wirklich?
Yato warf Hiyori einen drohenden Blick zu. "Denk nicht Mal dran."
"Ich weiss nicht, was du meinst!", antwortete sie und lief über die Strasse, als die Ampel endlich grün wurde.

Mal abgesehen davon, dass Hiyori absolut keine Lust auf Yato hatte, war auch der Unterricht nicht wirklich eine tolle Sache. Sie konnte sich überhaupt nicht darauf konzentrieren, weil sie dauernd irgendein Geflüster hörte. Als würde ihr jemand von hinten ins Ohr reden. Es klopfte an der Tür und der Schulleiter betrat das Zimmer, dicht gefolgt von einer allzu bekannten Person und ein Lächeln auf dem Gesicht tragend. Hiyori starrte entgeistert nach vorne.
Das war jetzt nicht sein Ernst...oder?!
"Darf ich kurz stören?", meinte der Direktor freundlich und die Lehrerin nickte höflich lächelnd. "Ich möchte euch euren neuen Mitschüler vorstellen. Sein Name ist Mirai Yazuko. Bitte behandelt ihn gut."
Während der Schulleiter bereits aus dem Zimmer schlenderte, stellte 'Mirai Yazuko' sich mit einem desinteressierten Kopfnicken noch einmal selbst vor.
"Nennt mich einfach Yato."
Die Lehrerin nickte wieder lächelnd und deutete auf einen freien Platz, zwei Sitze von Hiyori entfernt. Sie verfolgte jede seiner Bewegungen und wünschte sich sehnlichst, ihren Körper für nur fünf Minuten verlassen zu können - einfach, um Yato zusammen zu stauchen.
Doch natürlich, musste sie dafür bis zum Ende des Unterrichts warten. Der einzige Vorteil? Das Geflüster war verschwunden und Hiyori hatte es bald darauf vergessen.
Kaum klingelte es, stürmten die Schüler auf Yatos Platz zu und die Schülerin brauchte einen Moment, um sich durch die Menge durchzuquetschen und Yato mürrisch am Handgelenk zu packen, welcher sich ohne Widerworte mitziehen liess.
"Ihr verzeiht, ich muss kurz mit dem Neuen reden...!", zischte sie - für ihre Verhältnisse - viel zu drohend und schleifte den Gott durch die Schulflure in ein leeres Klassenzimmer.
"Du hast 'nen ganz schön festen Griff drauf, wenn du willst", murmelte Yato und rieb sich das Handgelenk.
"Mann, darum geht es doch gar nicht! Was fällt dir ein, dich einfach so in meine Klasse zu schleichen?!"
Der Gott musterte Hiyoris Gesicht einige Sekunden stumm, dann zuckte er mit den Schultern und lief vollkommen teilnahmslos in dem Klassenzimmer herum. Fast so, als wäre Biologie total spannend, nahm er die Leber einer Organ-Puppe in die Hände und spielte damit rum.
"Ich erledige meinen Job. Das ist alles."
Noch bevor Hiyori etwas Lautes sagen konnte, seufzte Yato entnervt auf und sprach: "Ich habe eine komische Aura aus deinem Klassenzimmer gespürt."
Die Schülerin zwang sich, tief durchzuatmen. Wieso war sie so aggressiv? Normalerweise, ging sie doch auch nicht so unfreundlich mit dem Gott um.
"Okay. Aber wozu diese Mitschüler-Sache? Du kannst dich doch unsichtbar machen."
"Das dachte ich auch", antwortete Yato und hielt nun den Dünndarm in den Händen. "Aber kaum betrat ich das Schulareal, haben mich alle gesehen. Ich habe die Lage überprüft und Kazuma gefragt. Der hat mir bestätigt, dass eine Barriere um das Schulhaus errichtet worden ist - kein Wesen aus dem Jenseits oder zwischen den Welten kann ungesehen in dieser Barriere herumlaufen. Bevor du fragst: Keine Ahnung, woher dieses Ding kommt oder wieso. Aber ich bin hier, um das herauszufinden - und um dich zu beschützen natürlich."
Hiyori war sich nicht so sicher, was sie dazu sagen sollte. Es war sicherlich nicht Yatos Schuld, dass hier so eine nervige Barriere nistete. Aber andererseits, wenn kein Wesen aus dem Jenseits oder ähnlichem ungesehen in der Schule geistern konnte, wozu brauchte sie hier dann Schutz? Ein normaler Ayakashi würde auch für ihr Blut niemals so weit gehen. Und irgendeine andere Gefahr, gab es für sie ja nicht.
Doch Yato hatte auch gesagt, dass er diese Barriere loswerden will. Er musste also hier sein und das konnte er nur ungehindert, wenn er Schüler oder Lehrer war.
Um Gotteswillen, zum Glück hatte er sich für einen Schüler entschieden. Hiyori hätte nicht gewusst, wie sie Yato-Sensei zur Rede gestellt hätte.
Seufzend, gab die Schülerin Kleinbei und wollte gerade etwas erwidern, da durchfuhren sie fürchterliche Kopfschmerzen. Alles drehte sich und sie musste sich instinktiv an der Wand neben sich abstützen, um nicht den Boden zu küssen.
Wieder hörte sie das Geflüster - ruhige, gehauchte Worte, die Hiyori jedoch einfach nicht verstehen konnte. Wieso, konnte sie sich nicht genau erklären. Sie wusste, dass es definitiv Japanisch war. Aber irgendwie, konnte sie das Geflüster nicht deuten.
Yato war unmittelbar nach ihrem umbeholfenen Versuch, Halt zu finden, an ihre Seite getreten und musterte die Oberschülerin besorgt.
"Was ist los...?", wollte er wissen.
Hiyori - beinahe wie in Trance wegen der drückenden Kopfschmerzen - versuchte irgendwie den Gott zu erkennen zwischen ihrer wild schwankend Welt. Ihr Bewusstsein setzte merkwürdigerweise auf ein dumpfes Dasein und sie fühlte sich, als hätte sie einen wirklich heftigen Joint geraucht oder so ähnlich. Auch wenn sie noch nie zuvor Drogen genommen hatte.
"Plötzlich...sorgst du dich um mich...?", murrte sie und taumelte unbeholfen nach vorn, wobei ihre Knie wackelten und sie sich haltsuchend an Yatos Schultern krallte, welcher sie mit einem sicheren Griff an der Taille auffing.
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Into the LightWo Geschichten leben. Entdecke jetzt