3 - Happy Birthday?

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Amaya

Tagelang gammelte ich nur so vor mich hin. Als ich wieder aufgewacht war, sagte Alexej mir, dass mein Vater einen Herzstillstand erlitten hatte. Man hatte ihn nicht wieder beleben können.
Ich lag in meinem Bett und starrte auf die Decke. Ich hatte, seit ich wieder zu Bewusstsein kam, nicht mehr geweint. Ich wusste nicht, warum. Es fühlte sich so an, als ob tausende kleine Messer mir gleichzeitig ins Herz schnitten. Manchmal hatte ich Panikattacken, deswegen. Meistens nachts. Dann wachte ich schreiend auf und spürte nur noch den Schmerz. Ich konnte nicht klar denken und griff jeden, der mir zu nahe kam, an. Alexej, der mich daraufhin immer beruhigte, hatte deshalb schon einige Kratzer im Gesicht und auf den Armen. Jedoch betonte er immer wieder, dass diese nicht schlimm waren.
Er und Michael versuchten immer wieder mich aufzumuntern. Es machte sie fertig, dass ich nicht einmal mehr sprach. Von der fröhlichen, aufgeweckten Amaya war nichts mehr übrig. Ich war nur noch ein seelisches Wrack.

"Amaya!", rief Alexej von unten. "Komm mal runter."
Seufzend stand ich vom Bett auf. Einen Blick in den Spiegel wagte ich nicht. Zu lange hatte ich meinen Körper vernachlässigt, sodass ich gar nicht mehr wissen wollte wie ich aussah.
"Ah, da bist du ja", meinte der Wolkenkratzer, als ich unten ankam. Sofort flüchtete ich in seine Arme. Seit er tot war, war Alexej mein Zufluchtsort. Ich wusste nicht, warum, aber bei ihm fühlte ich mich sicher und geborgen.
Er gab mir einen Kuss auf den Kopf und drückte mich fest an sich. Er wusste wie sehr ich ihn brauchte. Ihn und seine Fürsorge, die verhinderte, dass ich innerlich ganz zerbrach. Ich wollte weinen. Meinen ganzen Kummer und Schmerz in die Welt hinausschreien um mich somit endlich davon zu befreien. Ich wollte nicht Stück für Stück an meiner Trauer zerbrechen. Ich wollte wieder leben ... Aber die fehlende Person in meinem Leben machte mein Leben nicht mehr lebenswert.
"Ich hab was für dich, mein Engel", flüsterte mir Alexej ins Ohr.
Ich blickte zu ihm hoch, wobei ich meinen Kopf in den Nacken legen musste um ihm ins Gesicht schauen zu können. Wieso konnte er nicht kleiner sein? Oder ich größer?
Er grinste mich verschmitzt an. Jedoch fielen mir trotz des Lächelns sein ungepflegtes Äußeres auf. Sein Dreitagebart, seine dunklen Augenringe, wofür ich wegen meinen nächtlichen Panikattacken verantwortlich war, und der traurige Zug um seinen Mund. Ihn hatte der Tod meines Vaters auch schwer getroffen, auch wenn er ihn nicht solange gekannt hatte.
Er ergriff meine Hand und zog mich in Richtung Wohnzimmer. Dort war ich seit seinem Tod nicht mehr. Abrupt blieb ich stehen. Ich konnte das nicht. Ich konnte nicht dorthin zurück. In den Raum, in dem er seinen letzten Atemzug getan hatte. Ich konnte nicht ...
Alexej bemerkte mein Unwohlsein. Zuerst blickte er mich verwirrt an, aber als er dann meinem erstarrten Blick auf die Wohnzimmertür bemerkte, verstand er. Er trat näher zu mir und nahm mich abermals in den Arm. Ich vergrub meinen Kopf an seiner Brust und genoss das Gefühl der Geborgenheit, das ich bisher nur bei einer Person verspürt hatte.
Sanft strich er mir über den Rücken und malte Kreise auf mein Schulterblatt. Er wusste einfach wie er mich beruhigen konnte, obwohl wir uns erst seit einer Woche kannten. Tatsächlich war schon eine ganze Woche vergangen, die für mich einerseits quälend langsam, aber andererseits ungewöhnlich schnell vergangen war.
Es war seltsam. Das Leben ohne ihn fühlte sich einfach so anders an. So ... trostlos und drückend, als würde irgendein unsichtbares Gewicht auf meinen Schultern lasten, das ich einfach nicht loswerden konnte. Oder nicht losließ.
Ich schüttelte meinen Kopf. Seit Tagen ging das jetzt so. Ich verstand selbst nicht mehr was ich dachte. Deprimierende Gedanken schlichen sich in meinen Kopf. Manchmal konnte ich sie ausblenden, aber oftmals drängten sie sich immer wieder in meinen Kopf bis ich es nicht mehr aushielt und in Alexejs Arme flüchtete. Ich wollte nicht, dass diese Gedanken die Oberhand hatten, aber ich war im Moment psychisch einfach zu angeschlagen um alleine mit ihnen klarzukommen.
"Geht's wieder?", fragte mein Beschützer sanft.
Zögernd nickte ich und blickte skeptisch zur Wohnzimmertür. Ich war mir nicht sicher ob ich es schaffen würde mich in diesem Raum zu befinden.
"Hab keine Angst", meinte Alexej, der mich immer noch festhielt. "Du wirst den Raum nicht wieder erkennen."
Misstrauisch sah ich ihn an, jedoch lächelte er mich nur warm an. Wieder nickte ich und zusammen betraten wir das Wohnzimmer.
"HAPPY BIRTHDAY, AMAYA!!!", riefen Michael, Zoey und alle anderen Angestellten beziehungsweise Bodygourds.
Das Zimmer war geschmückt mit Girlanden und anderer Partydeko. Die Couch und die anderen Sitzgelegenheiten waren an die Wand gerückt worden und in der Mitte des Raumes stand der Esstisch aus dem Esszimmer. Auf ihm häuften sich mehrere Geschenke und eine Geburtstagstorte. Sie war zweistöckig und mit Kirschen geschmückt. Als ich näher trat, fiel mir auf, dass mit kunstvollen Lettern 'Amaya' auf der Torte stand.
Ich war gerührt. Sie hatten sich solche Mühe gemacht, obwohl mich einige von ihnen nicht einmal lange oder gut kannten.
Ein Kloß bildete sich in meinem Hals. Zwar fehlte eine Person, aber dafür waren hier Dutzende Menschen, die mir eine Freude machen wollten, indem sie mir diese Geburtstagsfeier geschmissen hatten. Und obwohl ich immer noch das leichte Ziehen in meiner Brust spürte, war ich dennoch glücklich. Und vor allem dankbar. Dankbar, dass sich alle in diesem Raum diese Mühe gemacht hatten. Ich konnte es nicht fassen.
"Nicht weinen, Süße", flüsterte Alexej und schlang seine Arme von hinten um mich.
Ich griff mir ins Gesicht. Tatsächlich waren meine Finger daraufhin nass. Ich weinte. Aber es waren keine Tränen der Trauer, sondern der Freude und der Rührung.
"Danke", brachte ich mit brüchiger Stimme hervor.
Alle Blicke schossen zu mir. Einige waren überrascht, andere gerührt, wieder andere erstaunt. Plötzlich fingen sie alle gleichzeitig an zu klatschen. Ich verstand nicht ganz was das sollte, aber es brachte mich zum Lächeln.
Ich hatte vielleicht meinen Vater verloren, jedoch Dutzende andere Freunde dazu gewonnen, die ich sonst nie schätzen gelernt hätte. Eine etwas andere Familie, schließlich bestand der Großteil von Bodygourds, die für unsere Sicherheit zuständig waren, da ich die Tochter des ehemaligen Mafiabosses war.
Aber wir waren eine Familie und das war das, was zählte.
Und als ich mich umsah und all die lachenden und glücklichen Menschen, die mich umgaben, sah, fühlte ich mich endlich nicht mehr so allein.

Alexej

Die Party war ein voller Erfolg. Amaya ging es endlich wieder besser. Ich sah ihr zwar noch an, dass sie ihren Vater vermisste, jedoch würde das wohl ihr gesamtes Leben lang noch so sein. Man konnte einen geliebten Menschen nicht einfach vergessen, aber man konnte seinen Tod akzeptieren und dabei half ich Amaya. Sie verdiente es glücklich zu sein. Und ich empfand das starke Bedürfnis derjenige zu sein, der sie glücklich machte. Sie zum Lachen zu brachte. Oder auch nur zum Lächeln, welches jedes Mal mein Herz erwärmte, und wobei diese kleinen Grübchen in ihren Wangen entstanden, die ich am liebsten küssen würde. Auch wenn ich sie nicht lange kannte, hatte ich sie schon so sehr ins Herz geschlossen, dass ich mir ein Leben ohne sie nicht mehr vorstellen konnte.
Ich wusste nicht, woran das lag, aber ich fühlte eine tiefe Verbindung zu der kleinen Rothaarigen, die immer das tat was ihr gerade in den Sinn kam, und mit ihrer unbeschwerten Art schon vom ersten Moment an mein Herz gestohlen hatte. Es klang zwar unmöglich, dass man sich so schnell in eine Person verliebte und ich hatte noch nie an die 'Liebe auf dem ersten Blick' geglaubt, aber Amaya war etwas Besonderes. Sie war einfach sie. Unverstellt, ehrlich und sie versteckte ihre Gefühle nicht, sondern steckte alle mit ihrer Lebensfreude an.
Darum war ich auch sehr besorgt um sie gewesen, als sie sich immer mehr zurückgezogen hatte. Statt glücklich und hyperaktiv zu sein war sie am Boden zerstört und abweisend. Sie distanzierte sich von allem und jeden und als dann auch noch diese Panikattacken in der Nacht kamen, war mir klar ich musste etwas tun. Und ihr achtzehnter Geburtstag war perfekt dafür geeignet.
Sie war endlich wieder glücklich. Ich konnte ihr bezauberndes Lächeln bewundern und ihre hinreißenden Grübchen, die mich förmlich anflehten von mir geküsst zu werden. Amaya war endlich wieder sie selbst. Zwar war sie nicht mehr so unbeschwert wie an dem Tag, als ich sie kennengelernt hatte, vielleicht würde sie es auch niemals wieder sein, aber das störte mich nicht. Selbst psychische Wunden hinterließen Narben. Vielleicht würden sie niemals verheilen, vielleicht würde Amaya niemals wieder ganz die Alte sein, aber das war im Moment mehr als egal. Ich hatte meine Amaya wieder und musste die Zeit mit ihr nun genießen. Jede einzelne Sekunde. Und hoffen, dass sie sich nie wieder in dieses Loch aus Kummer und Schmerz stürzen würde. Ich würde schon dafür sorgen, dass sie von nun an niemanden mehr verlieren würde. Denn wenn ihre Lebensfreude schwand, war ich dem Tode geweiht. Denn jedes Mal wenn Amaya eine Träne vergoss, nachts schrie, da sie einen Alptraum hatte, oder auch nur schmollte, weil sie nicht das bekam was sie wollte, schnitt es mir dermaßen ins Herz, als ob es gleich zerspringen würde.
Amaya war mein Leben und ich würde niemals zulassen, dass jemand meinem Engel wehtat oder auch nur traurig machte.

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Ich hab mich beeilt und doch noch heute das Kapitel fertig geschrieben. Ich hoffe es gefällt euch.
Was sagt ihr zu dem kleinen Abschnitt aus Alexejs Sicht? Würde es euch gefallen öfters mal Kapitel aus seiner Sicht zu haben?
Freue mich über Feedback und/oder Kommentare 😊
- 1545 Wörter -

Eure
Starlight-belle

The Daughter of The Mafiaboss Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt