16 - Voreilige Schlüsse

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Amaya

Eine riesige Villa mit altmodischen Ambiente. Es waren Holz und Glas auf eine Weise miteinander kombiniert, sodass man sich heimisch fühlte und doch erahnen konnte, dass diese Familie, der die Villa gehörte, sehr reich war. Ein wunderschönes Unikat.
»Gefällt es dir?«, fragte Alexej neugierig.
Ich lächelte ihn an. »Es ist wunderschön. Und hier bist du also aufgewachsen?«
Es wäre echt schön mal etwas von seinem Leben vor mir zu erfahren. Was, er gemacht hatte und wo und so weiter. Einfach die Basics, die man sonst bei Dates und so was erfuhr. Ich wusste so wenig über ihn und das stimmte mich traurig, da er mittlerweile ein wichtiger Teil in meinem Leben geworden war.
»Ja, das bin ich.«
Bevor der Wolkenkratzer noch weiter sprechen konnte, wurde er durch ein lautes Kreischen unterbrochen. Eine junge Frau, etwa in meinem Alter, trat kreischend aus der Haustür und lief in unsere Richtung. Sie kreischte immer noch und ich hatte die Befürchtung, dass meine Trommelfelle gleich platzen würden. Wie konnte man so viel Luft haben um unentwegt zu schreien?
»O mein Gott, o mein Gott, o mein Gooo-ooott«, schrie sie die ganz Zeit und fiel Alexej um den Hals.
Dieser erwiderte lachend die Umarmung. Ich spürte einen kleinen Stich in meiner Brust. Was ist das? Ich holte mir sicher eine Erkältung, weil es hier so kalt war.
»Arina, beruhig dich. Wieso regst du dich so auf? Ich war doch gar nicht lange weg.« Alexej drückte die Frau etwas weg.
Erst jetzt fiel mir auf wie schön sie doch war. Ihre langen, schwarzen Haare flossen in dichten Locken über ihre Schultern und sie hatte wunderschön warme braune Augen. Sie war groß, schlank. Allen in einem sah sie aus wie ein Model.
Ein weiterer Stich in meiner Brust und ich beschloss mich solange wir hier waren wärmer anzuziehen.
»Darf ich dich nicht mal vermissen?«, fragte sie und boxte ihm spielerisch auf den Arm. Dann wanderte ihr Blick zu mir. »Ist sie das?«
Neugierig betrachtete sie mich als wäre ich irgendeine vom aussterben bedrohte Art oder das Experiment eines verrückten Wissenschaftlers. Ich fühlte mich sehr unwohl unter ihrem Blick und dass sie plötzlich losschrie, nachdem sie Alexej einen Blick zugeworfen hatte, machte es auch nicht besser. Allerdings schrie sie auf Russisch irgendetwas, sodass ich keinen Plan hatte, was genau sie da schrie. Der Wolkenkratzer hingegen sah etwas panisch aus und versuchte, ebenfalls auf Russisch, die Frau zu beruhigen. Dabei warf er mir immer wieder Blicke zu.
Ich legte den Kopf schief. Es ging um mich, das war sicher.
Irgendwann bemerkten sie wohl, dass ich auch noch da war, denn sie drehten sich zu mir um. Die Frau, die anscheinend Arina hieß, lächelte mich strahlend an. Na toll, sie hatte auch strahlend weiße Zähne. Ich mochte sie jetzt schon nicht. Vermutlich hatte sie mit Wolkenkratzer darüber diskutiert, dass sie nicht wollte, dass ich hier war und jetzt tat sie auf nett, obwohl sie mich schon hasste.
Wieso sagte Alexej, dass er mich mag, wenn hier ein Model auf ihn wartete? Wollte er mich nur weil ihm langweilig war?
Ich wusste nicht, dass mich diese Tatsache so sehr verletzte. Aber es war egal. Er war mir egal. Sollte er doch machen, was er wollte. Mir sollte er nur nie wieder in die Quere kommen.
»Hi, ich bin Arina«, stellte sie sich mir vor und streckte ihre Hand aus.
Ich schüttelte diese kurz. »Amaya.«
»Ein schöner Name. Alex hat mir schon so viel von dir erzählt!«, fing sie mit Smalltalk an. Allerdings musste ich ihr lassen, dass sie das mit dem nett sein sehr gut drauf hatte. Ich kaufte es ihr fast ab. Aber auch nur fast.
»Komm ich zeig dir das Haus«, rief sie dann aufgeregt, als sie bemerkte, dass ich auf ihren vorigen Satz nichts antworten würde. Sie nahm mich wie ein kleines Kind an die Hand und zog mich Richtung Tür.
Jedoch blockierte uns ein Mann den Weg hinein. »Arina, bitte belästige nicht unseren Gast. Lass sie doch erstmal ankommen. Es war sicher ein langer und anstrengender Flugfür sie.«
Dann wandte er sich mir zu. Er sah aus wie sie. Die schwarzen Haare als einen kleinen Zopf streng nach hinten gekämmt. Dunkelbraune sympathische Augen. Man merkte, dass er schon älter war, vor allem an den Falten im Gesicht, doch machten sie ihn keineswegs hässlich. Es gab ja diese Männer, die im Alter attraktiver wurden. Er war so einer. Allerdings fesselte mich der Anblick der Narbe, die quer durch seine linke Augenbraue verlief.
»Wie haben Sie die Narbe da bekommen?«, sprudelte es aus mir heraus, bevor ich mich stoppen konnte. Auf der Stelle schlug ich mir die Hand vor dem Mund. »Tut mir leid. Sie müssen die Frage nicht beantworten.«
Seine Reaktion hingegen hätte ich niemals erwartet: er lachte. Er lachte so sehr, dass er sich schließlich den Bauch halten musste und sich auf sein Knie abstützte.
Als er sich wieder gefasst hatte, wischte er sich eine Lachträne weg und lächelte mich herzlich an. »Es macht mir überhaupt nichts aus. Aber ehrlich gesagt, habe ich gedacht, dass Alexej übertreibt, als er meinte, du wärst schamlos neugierig. Mit welchen peinlichen Fragen hast du denn meinen Sohn gequält? Ach und nenn mich bitte Konstantin.«
Etwas verblüfft über seine Freundlichkeit, sagte ich kleinlaut: »Amaya.«
»Das weiß ich doch, mein Kind. Bitte, komm doch rein.« Er legte mir eine Hand auf den Rücken und schob mich durch die Tür.
»Hey, das ist mein Job. Ich will sie rumführen«, beschwerte sich Arina.
»Tochter, jetzt lass unseren Gast in Ruhe«, meinte Konstantin.
»Das ist gemein. Du nimmst sie mir einfach weg«, schmollte diese.
Ich war etwas verwirrt. Konstantin war der Vater von Arina, doch wo sind dann die Eltern von Alexej?
Sie stellten sich alle nur mit Vornamen vor und so kam ich jetzt überhaupt nicht mehr mit.

»Also, Amaya. Erzähl uns doch etwas über dich«, bat mich Mrs Orlow oder Sofia, wie sie bevorzugte, dass ich sie nannte.
Mittlerweile hatte sich meine Verwirrung geklärt, denn ich hatte herausgefunden, dass Arina Alexejs Schwester war und somit war auch klar dass Konstantin deren Vater war. Ich war nur aus irgendeinen Grund so festgefahren in die Vorstellung gewesen, dass Arina Wolkenkratzers Freundin war, dass mein Gehirn gar nicht davon ablassen wollte.
Wir saßen nun an einem großen Esstisch. Obwohl es noch sehr früh war, hatten wir beschlossen das Abendessen etwas vorzuverlegen, damit wir, die ja den ganzen Tag im Jet verbracht hatten, etwas Ordentliches zu essen bekamen.
Auf Fragen war ich allerdings nicht vorbereitet. »Ähm, da gibt's nicht wirklich was zu erzählen«, versuchte ich mich rauszureden.
»Ach, was da muss es doch sicher etwas geben«, meinte Sofia, »Dean hat doch die ganze Zeit von dir geschwärmt. Du bist sehr sportlich, meinte er.«
»Äh, denk schon«, sagte ich leise. Es war mir unangenehm von mir selbst zu sprechen und vor allem wollte ich nicht an meinen Dad denken. Auch wenn es seit geraumer Zeit schon funktionierte ohne dass ich in Tränen ausbrach oder so, war es dennoch ein wunder Punkt.
»Liebling, siehst du nicht, dass sie nicht reden möchte? Lass dem Mädchen doch ein wenig Raum zum Atmen«, mischte sich Konstantin ein.
Sofia sah mich geschockt an. »Oh, das wollte ich nicht. Tut mir leid.«
Ich lächelte sie an. »Ist schon gut.«
»Gut, wenn das dann geklärt ist, muss ich etwas verkünden«, meinte plötzlich Arina. »Das«, sie zeigte auf den Mann neben ihr, »ist, wie einige von euch schon wissen mein Freund Rafael. Aber seit ein paar Tagen ist das nicht mehr so.«
»Was ihr habt euch getrennt?!«, unterbrach ihre Mutter sie, »Ich werde den Jungen, der meiner Tochter verletzt hat, umbringen!« Je wütender sie wurde, desto stärker hörte man den russischen Akzent aus dem Englisch heraus.
Konstantin drückte seine Frau zurück auf ihren Stuhl. »Lass unsere Tochter doch ausreden, Liebling.«
»Eigentlich wollte ich meinen Ring hier erklären«, sie streckte ihre linke Hand aus.
Eine Sekunde lang war es totenstill. Und dann erfüllte das glückliche Schreien einer fünfzig-Jährigen den Raum.
Mutter und Tochter fielen sich um den Hals. Jeder beglückwünschte das glückliche Paar. Ich freute mich ebenfalls, doch wusste nicht ganz was ich tun sollte.
Auf einmal legten sich warme Hände auf meine Taille. Ich zuckte leicht zusammen, doch erkannte die Stimme, die mir dann ins Ohr flüsterte sofort: »Bald sind wir an der Reihe.«

The Daughter of The Mafiaboss Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt