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Julia würde lügen, wenn sie sagen würde, dass sie nicht aufgeregt war. Das war sie nämlich ganz schön. Je mehr Kilometer sie hinter sich und Köln brachte, um so aufgeregter wurde sie.

Ben schlief selig in seinem Kindersitz auf der Rückbank. Julia hatte ihn im Kindergarten erst mal abgemeldet. Sie wusste nicht, wie lange sie von zuhause weg bleiben würde.

Während sie über die Autobahn brauste, schweiften ihre Gedanken an Zuhause ab. Max wusste noch gar nichts von ihrem überstürzten Aufbruch. Wenn er am Abend nach Hause kommt, dann würde ihn dieses Mal nicht Ben begrüßen. Dieses Mal erwartete ihn nur ein Stück Papier, das auf dem Küchentisch lag.

Julia hatte schnell ein paar Zeilen drauf geschrieben, dass sie mit Ben ein paar Tage weg sei, er sich keine Sorgen machen müsse und sie sich wieder melde.

Sie wusste, dass ihn diese Sätze wahrscheinlich auf die Palme bringen würden. Und natürlich würde er sich Sorgen machen. Das würde sie an seiner Stelle wohl genau so tun.

Je näher Julia ihrem Ziel entgegen fuhr, um so mehr zweifelte sie, ob ihr Schritt das Richtige war. Was, wenn sie all die vielen Kilometer ganz umsonst gefahren war? Was, wenn sie überhaupt nicht willkommen war? Wobei sie das eher nicht glauben konnte.

Bevor sie noch länger darüber nachgrübeln konnte, meldete sich eine verschlafene Stimme:

"Wann sind wir daaaa?"

Erschrocken blickte Julia in den Rückspiegel. Sie hatte gar nicht bemerkt, dass Ben aufgewacht war.

"Bald, mein Schatz, bald." Sie warf einen Blick auf ihr Navi. "Nicht mehr ganz eine Stunde, dann haben wir's geschafft."

"Sooo lange noch", stöhnte der Kleine und Julia schmunzelte. Sie wusste, dass Ben noch nicht wirklich ein Zeitgefühl hatte, geschweige denn eine Stunde recht einordnen konnte.

"Magst du noch eine Benjamin Blümchen Geschichte anhören?"

"Jaaaa!", kam es lauthals von hinten. Und Julia legte die gewünschte CD ein.

Gespannt lauschte Ben den Abenteuer von Benjamin und seinem Freund Otto, während Julia sich erneut in ihren Gedanken verlor.

Jetzt, da sie nur noch wenige Kilometer von ihrem eigentlichen Ziel waren, wuchs die innere Unruhe. Sie hatte nicht wirklich einen Plan, wie es weiter gehen sollte. Sie wusste nur, wo sie hin wollte. Und das möglichst schnell.

Trotzdem bekam sie fast schon kalte Füße, als sie am Ziel waren und sie ihr Auto parkte.

"Och Mamaaa, mach wieder an!" Ben meckerte, weil die CD aus war. Er hatte noch nicht mal bemerkt, dass sie nicht mehr fuhren.

"Wir sind da", lächelte Julia.

"Und was machen wir hier?", fragte Ben fast schon gelangweilt als er aus dem Fenster blickte.

"Naja", seufzte Julia, "Ich hoffe wir können hier jemanden treffen." Skeptisch beobachtete sie die vielen Leute, die sich vor dem Gebäude weiter vorne tummelten.

"Steigen wir jetzt aus?" quengelte der Kleine.

"Gleich. Ich will nur noch kurz telefonieren..." Sie fischte ihr Handy aus ihrer Handtasche, die auf dem Beifahrersitz lag. Vor lauter Aufregung rutschte es ihr fast aus der Hand.

Dann drückte Julia die Kurzwahltaste.

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Gelangweilt saß Tom in der Garderobe der Band. Sie waren vor zehn Minuten in dem Club angekommen, in dem sie am Abend ihr Konzert geben wollten. Paris. Eigentlich gefiel ihm Paris recht gut. Aber dennoch wäre er gerade lieber ganz woanders.

"Ey Alter, hast du's mit den Ohren?! Dein Handy klingelt!" Georg schaute skeptisch zu dem Gitarristen.

Tom blinzelte einmal und musste sich eingestehen, dass er das Klingeln und Vibrieren seines Handys wirklich nicht mit bekommen hatte. "Oh...", war alles was er hervor brach.

Fast schon desinteressiert starrte er aufs Display. Als er dann aber sah, wer ihn da erreichen wollte, setzte er sich schnurstracks aufrecht hin.

"Hallo?!" sagte er so laut ins Handy, dass Bill für einen Moment seine Schminkkünste am großen Spiegel einstellte und sich schwungvoll zu seinem Bruder umdrehte.

"Hey...ich bin's", kam's vom anderen Ende der Leitung.

"Ich weiß", lächelte Tom mit samtiger Stimme. "Wie geht's dir?"

"Naja, so lala."

"Was machst du gerade?"

"Ich glaub...ich hab ne riesengroße Dummheit gemacht."

"Und die wäre?"

"Ich bin zig Kilometer weit gefahren...und jetzt-"

"Wo bist du?!" Tom wurde es ganz heiß. Konnte das wirklich sein?!?

"Ich weiß ja nicht, wo du bist. Aber wenn du vielleicht aus dem Fenster guckst, kannst du mich ganz vielleicht sehen", kicherte Julia.

Ohne weitere Worte stand Tom auf. Ihm wurde warm und kalt zugleich. Er befand sich tatsächlich in einem Raum mit Fenster. Die Chance war also hoch.

Abwartend ließ Julia ihren Blick an der Fensterfront entlang gleiten. Und tatsächlich. Da war er! Er hielt sich weiter hinten, aber das war ganz eindeutig ER, der da mit dem Handy am Ohr suchend aus dem Fenster schaute.

Schnell stieg sie aus dem Auto und wedeltet mit ihrem Arm wild in der Luft.

Dann sah er sie.

"Du bist wirklich hier!" Ein Strahlen erhellte sein eben noch so düsteres Gesicht.

"Ja, ich bin hier", hauchte Julia in den Hörer und sie konnte gar nichts gegen die Träne machen, die langsam über ihre Wange rollte.


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Es war zwar nur ein kurzes Kapitel und war eigentlich auch gar nicht geplant. Ich hoffe, ihr freut euch trotzdem ein bisschen über die Wartezeitverkürzung zum nächsten Kapitel :-)

Habt eine schöne Zeit und lasst es euch gut gehen!


Verwirrtes Herz (Tokio Hotel)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt