Durch die geschlossenen Vorhänge drang erstes, zaghaftes Tageslicht in mein Zimmer und kroch langsam immer weiter an der Bettdecke hinauf, bis es mich an der Nase kitzelte. Mit einem verärgerten Brummen drehte ich mich um und versuchte, einige weitere Minuten Schlaf zu erhaschen. Doch mein Wecker war unerbittlich mit mir und in der nächsten Sekunde ertönte sein lautes Dröhnen in meinen Ohren und zwang mich das gemütliche Bett zu verlassen, unbeholfen durch den halben Raum zu stolpern und schlussendlich an der Kommode anzugelangen, auf die ich meinen Wecker gestellt hatte. Natürlich nicht ohne mir vorher das Knie daran anzuschlagen. Die Zeiger zeigten auf fünf Uhr.
Nur um das klarzustellen, ich war kein begeisterter Frühaufsteher. Ich hatte bloß so viel zu tun, dass mir nichts Anderes übrigblieb. Deswegen auch der Wecker, am anderen Ende des Zimmers und der allmorgendliche Sprint dahin. Wenn ich schon einmal raus aus den Federn war, dann war die Wahrscheinlichkeit geringer, dass ich mich wieder hinlegte und weiter döste, bis die Mittagssonne am Himmel stand.
Mein verletztes Knie reibend, humpelte ich in die Küche und füllte mir ein Glas Wasser ein. Jeden Morgen trank ich zuerst ein großes Glas Wasser. Das kurbelt den Kreislauf an, hatte ich gehört. Vor allem aber vertrieb es den Geschmack nach totem Tier in meinem Mund.
Im Badezimmerspiegel betrachtete ich mein müdes Gesicht, während ich mir die roten Haare zu einem festen Knoten am Hinterkopf band.
Der Spiegel offenbarte mir, dass die Ringe unter meinen Augen sehr wohl hatten noch tiefer werden können.
Noch immer im Halbschlaf schlurfte ich ins Schlafzimmer und durchforstete den Kleiderschrank auf der Suche nach Sportkleidung. Schnell wurde ich fündig, streifte mir unmotiviert meine kurze Sporthose über und suchte einen passenden Sport-BH aus dem Schrank heraus. Für mehr Kleidung war es um diese Jahreszeit in LA einfach zu heiß. Trotzdem galt ich mit meinem Outfit eher als bedeckt.
„Guten Morgen Ewa", grüßte mich der Kioskbesitzer von gegenüber, dessen Namen ich nach zwei Jahren noch immer nicht kannte.
„Guten Morgen", rief ich über die Schulter zurück und fiel sogleich in einen angenehmen Laufschritt.
Während meine Füße mich immer schneller über den Asphalt entlang der Strandpromenade trugen, schloss ich für einen kurzen Moment die Augen und genoss das junge Sonnenlicht, das orangerot durch meine Lider schien.
Zwei Jahre war es nun schon her, dass ich nach Los Angeles gezogen war. Zwei Jahre, in denen der tägliche Sport zu einer festen Routine geworden war.
Versteht mich nicht falsch. Es ist nicht so, dass ich Sport immer geliebt habe. Wie heute Morgen auch, möchte ich mich an den meisten Tagen lieber noch einmal im Bett umdrehen, anstatt im frühen Morgengrauen Sport zu treiben.
Doch die Disziplin die ich mir in diesem Bereich meines Lebens angeeignet habe, hat mich durch manche andere chaotischen Phasen gerettet. Außerdem bin ich für mein junges Alter schon sehr neurotisch.
Die Angst, dass alles andere in Anarchie versinkt, sollte ich diese Disziplin loslassen, ist so groß, dass ich mich lieber mit allem was ich habe, daran festkralle.
Ich weiß es klingt albern. Aber in mir schlummert eine alte Frau. Und diese alte Frau braucht ihre Routine. Eine Konstante.
Aufstehen, Sport treiben, Schreiben, Arbeiten, Schreiben, Schlafen, Wiederholen.
Denn dafür bin ich nach meinem Abschluss hergezogen. Um zu Schreiben. Besser gesagt um Schriftstellerin zu werden. Und wo ist man näher an den passenden Leuten als hier, im sonnigen Kalifornien, wo die Film- und Fernsehbranche ihren Sitz hatte?
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Falling For Ewa
ChickLitEwa hat immer alles im Griff. Jede Minute ist perfekt geplant. Alles wird auf To-do Listen festgehalten. So fühlt sie sich sicher, bis sie eines Tages Jackson begegnet. Der attraktive Cop stellt ihre ganze Welt auf den Kopf und zerstört ihre so m...