Ach wie gut, dass niemand weiß, dass Jens Miller 'Arschloch' heißt...

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Hr. Müller schlich durch die Reihen, als wir unsere Klausuren schrieben. Ich fühlte seine Präsenz deutlich hinter mir. Heute standen die wichtigsten Tests des ganzen Schuljahres an. Nicht nur die Schüler sondern auch die Lehrer schienen aufgedrehter als sonst. Das lag nicht nur an der Tatsache, dass diese Klausur mehr als die Hälfte unserer Ganzjahresnote ausmachen würde sondern auch daran, dass die Sommerferien immer näher rückten- und damit mein Eintritt ins Kloster.
Jens Miller saß zwei Reihen vor mir. Das ein oder andere Mal, wenn Hr. Müller nicht hinsah, drehte er sich zu mir um und lächelte bösartig. Ruf mich an, Bärbel , hatte er einmal geflüstert. Was seine Finger dabei für Bewegungen gemacht haben, will ich hier nicht näher erläutern. Wow, Miller, du scheinst deine Lektion wohl noch nicht gelernt zu haben. Reicht ein blaues Auge nicht? Beim nächsten Mal, als er zu mir sah, verdrehte ich demonstrativ die Augen.

"Hr. Miller, ich würde es bevorzugen, wenn Ihre Augen während der Klausur auch nur auf Ihrer eigenen Arbeit blieben. Wenn Sie aber meinen, meine Bitte nicht befolgen zu müssen, bin ich wohl oder übel gezwungen, Sie von diesem Test auszuschließen", meinte Hr. Müller plötzlich spöttisch. Ich verkniff es mir, breit loszugrinsen, als Jens sofort den Blickkontakt abbrach. Er war zwar der Badboy unserer Schule - ganz dumm schien er dennoch nicht zu sein.
Als es schließlich zum Stundenende klingelte, atmeten alle Schüler im Raum demonstrativ auf. Skyla neben mir, streckte sich.

"Das war aber was!"

Und ich stimmte ihr stumm zu. Hr. Müller sammelte die restlichen Klausuren ein, während die Schüler ihre Sachen zusammenpackten. Ich lächelte. Skylas Blick hing immer noch an unserem lieben Badboy, der gerade mit seinem lässig geschulterten Rucksack den Raum verließ. Eher gesagt an seinem hübschen Hinterteil. Sie drehte eines ihrer goldenen Haare, ohne es zu bemerken. Ach, Skyla. Sie hatte ihr Herz schon im Kindergarten an dem kleinen Idioten verloren. Optisch würden sie beide vermutlich perfekt zusammenpassen, das musste ich zugeben. Sie, die sie beinahe die Figur eines Models hatte, und er mit seinem wohlgeformten Körper, bei dem die Mädchen scharenweise in Ohnmacht fielen. Mich hatte er jedenfalls nicht so einfach ausgetrickst, der kleine böse Jens. Charakterlich hatte Skyla definitiv besseres verdient. So hübsch dieser Schönling auch zu sein scheint, in seinen Bann hat er mich nicht gezogen. Gott sei Dank. Ich hing wirklich an dem kleinen Rest Verstand in meinem Kopf, der mir sagte, dass man einem Badboy wie ihm nicht traute. Skyla musste diesen bereits verloren haben. Die Arme.
Gerade als ich den Klassenraum mit einer Hand voll Bücher verlassen wollte, wurde ich herumgerissen. Der Badboy starrte mich aus seinen blauen Augen suffisant an.

"Na, Pfarrerstochter."

"Jens", erwiderte ich schlicht und versuchte mich vergeblich von ihm loszureißen.

"Ich wollte mich für das von heute morgen entschuldigen."

Ich erstarrte, als ich sah, wie er beschämt die Augen niederschlug. Irgendetwas war faul. Das Blau seiner Iris glitzerte. Schönes Veilchen hatte er da, dass es seine natürlich Augenfarbe nur noch mehr betonte. Gut gemacht, Bärbel.

"Ach ja?", meinte ich schließlich und hob die Augenbraue.

"Wirklich."

"Dir tut es also leid", wiederholte ich noch einmal misstrauisch.

"Natürlich tut es mir leid, Bärbel. Ich war ein Idiot." Misstrauisch kniff ich die Augen zusammen.

"Was genau tut dir leid, Jens?"

Das schien genau die richtige Frage zu sein. Als er seinen Blick hob, sah ich, dass dort nichts Verlegenes war. Kein Bereuen. Eher Tücke und unheimliche Belustigung.

"Überleg doch mal", antwortete er schließlich, "das mit der ewigen Jungfräulichkeit war vielleicht ein bisschen hart."

"Warum glaube ich dir bloß nicht?"

Er zwinkerte bloß und ließ mich dann los. Als er sich von der Wand abstieß, rief er mir noch über die Schulter zu:

"Ich meine: Wenn du mal irgendeinen frommen Mönch abbekommen solltest, wirst auch du mit ihm in die Kiste hüpfen. Bild dir auf deinen Ruf als jungfräuliche Pfarrerstochter bloß nichts Falsches ein!"

Der Drang, den lieben, netten und süßen Badboy noch einmal so richtig zu verhauen, wurde beinahe übermächtig. Ich kannte wirklich niemanden, dem ein zweites Veilchen noch besser gestanden hätte. Aber ich schaffte es, ihn mit meinem Verstand niederzukämpfen. Eine Abmahnung war für diesen Tag genug. Dad würde sehr, sehr sauer sein. Und mir dann im wahrsten Sinne des Wortes eine Moralpredigt halten.

"Arschloch", flüsterte ich, obwohl ich wusste, dass er es nicht mehr hörte. Trotzdem verschaffte es mir die Genugtuung, die ich gerade dringend brauchte.

1:0 für dich, mein lieber Badboy...

The Badboy, my best friend & IWo Geschichten leben. Entdecke jetzt