Date mit Blend-a-med

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Ich glaube, ich habe an diesem Tag eines verstanden. Ich habe verstanden was es heißt, respektiert zu werden. Klar, jeder kennt das Sprichwort "Kleider machen Leute", aber ich hätte wirklich niemals gedacht wie viel Wahrheit doch in ihm gesteckt hatte, geschweige denn geglaubt, dass der Multi-Kulti-Psychologen-Satz "Es kommt nur auf die inneren Werte an" so in die Hose gegangen ist, dass nicht einmal der Blödeste unter den Blödsten ihn noch als richtig erachten würde. Ich war es ja gewöhnt, dass Menschen mich anstarrten, aber nie im positiven Sinne. Mein Aussehen schien wie eine Bombe einzuschlagen und schon nach weniger als zwei Schulstunden wusste die ganze Schule Bescheid. Die Leute kamen in der Pause zu mir und machten mir Komplimente. Skyla wich nicht von meiner Seite und präsentierte mich als ihre wunderschöne beste Freundin. Nur eine Person fehlte den ganzen Morgen: Jens Miller. Seit unserem Zusammentreffen hatte ich ihn nicht mehr gesehen und auch Skyla suchte vergeblich nach seinem schönen Gesicht in der Menge.

Irgendwie verwirrte mich sein Verhalten. Er liebte es doch, mich zu demütigen. Das hatte er mir deutlich gezeigt, als er unseren Kuss gerechtfertigt hatte. Wieso also war er jetzt nicht da um mich mit seinen perversen und dummen Kommentaren fertig zu machen? Oder hatte mein Outfit ihn so schockiert, dass es ihm die Sprache verschlagen hatte?
An andere Optionen wollte ich gar nicht erst denken. Es war sehr unwahrscheinlich, wirklich sehr unwahrscheinlich, dass mein Outfit ihm so gut gefallen hatte, dass er jetzt doch Gefühle für mich entwickelt hatte. Als ob ich ihm gefallen könnte. Das wäre viel zu utopisch um war zu sein. Die hässliche kleine Pfarrerstochter hatte generell keine Chance beim Bad Boy der Schule. Ich sollte diesen Gedanken endgültig aus meinem Kopf verbannen. Und wieso hätte er dann flüchten sollen?
Vielleicht war er auch gar nicht geflüchtet, sondern hatte nur eine Freistunde. Immerhin drehte sich nicht die ganze Welt nur um mich. Auch wenn ich das manchmal echt wünschte.

"Hast du am Wochenende schon was vor?" riss mich eine Stimme aus meinen Gedanken. Als ich mich umdrehte, erkannte ich Shannon, ein Mädchen aus der Stufe über mir, das normalerweise wirklich beliebt war und überhaupt nicht mit jemandem wie mir zu tun haben wollen würde. Aber was war heute schon normal?
Und Shannon fragte jetzt mich, Bärbel Engelbrick ob ich am Wochenende schon etwas vorhatte. SIE fragte MICH!
Als Antwort starrte ich sie nur perplex an. Sie wollte sich schon wieder zum Gehen wenden, als ich meine Sprache endlich wiederfand: "Ähm...nein, natürlich nicht. Ich meine ich.....Also ich hab Zeit."

Super Bärbel, schoss mir eine gehässige Stimme durch den Kopf, jetzt sieht sie deine unsichere Seite und alles ist vorbei. Applaus, hast du wirklich toll hinbekommen.

Doch zu meiner Überraschung fing Shannon nur an zu Grinsen und zeigte dabei ihre perfekten Blend-a-med Zähne, die direkt so ganz ohne Photoshop in einer Fernsehwerbung hätten präsentiert werden können. Sicherlich hatte sie nie eine so hässliche Zahnspange wie ich tragen müssen. Die Glückliche.

"...vielleicht hast du ja Bock."

Verdammt! Hatte sie was gesagt? Verträumt wie ich nun einmal war hatte ich ihr gar nicht zugehört. Aber sie passte so perfekt in Werbung für Zahnpasta. Oder Haarprodukte. Ihre schwarzen Locken fielen ihr über die Schulter und keine Strähne lag irgendwo, wo sie nicht hingehörte. Ich wünschte, meine Haare könnten so fallen.

"Bärbel? Alles ok bei dir?" Shannon sah mich etwas besorgt an.

"Jaja, alles bestens. Ich war nur kurz abgelenkt." Ich grinste etwas dümmlich und zeigte ihr meine im Gegensätze zu ihren armseligen Zähne.

"Also bist du dabei?" Shannon sah mich erwartungsvoll an.

"Ähm...ja natürlich. Sehr gerne." Brachte ich mit Mühe und Not hervor.

"Dann freu ich mich auf dich." Shannon umarmte mich flüchtig und eilte dann den Flur entlang davon.

Ich blieb teils geschockt, teils glücklich im Flur stehen. Wozu hatte Shannon mich eingeladen? Ich konnte es nicht glauben. Da bekam ich einmal in meinem Leben eine Einladung eines älteren Schülers und ich hörte einfach nicht zu weil ich mit Zahnpasta Werbung abgelenkt war. Ich könnte mich selbst schlagen für meine Dummheit.

"Oh mein Goooott! War das eben Shannon Rive die mit dir geredet hat?"
Skyla war ganz aufgeregt.

"Ja, warum?"

"Was wollte sie?"

"Keine Ahnung. Ich hab ihr nicht zugehört. War leider von ihren perfekten weißen Zähnen abgelenkt. Denkst du, dass sie jemals eine Zahnspange tragen musste?"

"Bärbel! Was wollte sie?" Skyla sah wirklich verzweifelt aus.

"Wie gesagt, keine Ahnung. Ich hab ihr nicht zugehört. Aber sie hat mich gefragt, ob ich am Wochenende schon was vor habe", antwortete ich mit einem Schulterzucken.

"Dein Ernst?" Skyla schlug sich mit der flachen Hand gegen die Stirn. "Und du hast zugesagt?"

"Natürlich hab ich zugesagt. Hättest du doch auch getan."

"Bärbel, Shannon mag vielleicht ganz nett wirken, aber sie hat keine netten Absichten." Skyla sah mich mitleidig an.

"Du spinnst doch. Was sollte sie denn von mir wollen?"

"Bärbel! Shannon war die ganzen letzten Jahre Ballkönigin und jetzt stiehlst du ihr die Show. Tut mir leid dass ich das so sagen muss, aber sie hatte wohl erwartet, dass du den Job hinschmeißen würdest oder ultra hässlich da aufkreuzt. Aber heute hat sie wohl erkannt, dass beides nicht der Fall sein wird. Und jetzt versucht sie dir das kaputt zu machen."

"Skyla, du bist doch paranoid. Sowas würde sie nicht tun", erwidere ich verwirrt, "Warum sollte sie?"

"Dann tu es", meine sie schulterzuckend, "geh am Samstag Abend zu ihr und lass dir von ihr das Leben zerstören. Aber dann komm nachher nicht zu mir, um zu bestätigen, was ich dir schon gesagt habe. Nach all der Zeit müssest du wenigstens ein bisschen Vertrauen zu mir haben!"

Ich sah meine beste Freundin fassungslos an. Das war nicht fair und das wusste sie auch. Gut, eigentlich wusste sie es nicht, immerhin hatte ich ihr nicht gesagt, dass ich ins Kloster gehen würde. Aber dieses Verhalten war trotzdem nicht ok. Apropos wissen: Woher hatte Skyla gewusst, dass Shannon mich für Samstag Abend eingeladen hatte? Das war selbst mir rätselhaft gewesen.

"Skyla, woher weißt du das?"

"Was?"

"Woher weißt du, dass sie Samstag gemeint hatte und keinen anderen Tag?", wollte ich wissen und kniff misstrauisch die Augen zusammen.

Sie errötete. "Na, das ist doch irgendwie logisch oder?"

Als sie ihren Blick Richtung Boden senkte, was sie immer tat, wenn sie sich schämte, bekam ich eine Ahnung, was sie meinte. War sie auch eingeladen worden? Oder war es etwas Anderes? Irgendetwas verheimlichte sie mir. Wenn ich doch nur wüsste was.

In diesem Moment erlöste mich der Gong, der zur nächsten Stunde leutete.
Jetzt hatte ich noch zwei weitere Probleme: Ein Treffen mit Shannon Rive, doch ich wusste nicht wo und wann (abgesehen davon, dass ich nicht wusste was ich anziehen soll), und Skyla, der ich offenbar nicht so sehr vertrauen konnte, wie ich wollte.

Mein Leben wurde auch nicht unbedingt leichter.

The Badboy, my best friend & IWo Geschichten leben. Entdecke jetzt