Kapitel 8 - So rot wie der Zorn

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„Raus aus den Federn, Schätzchen. Ich zog mir das Kissen über den Kopf. Ich hatte seltsam friedlich geschlafen, was sonst eigentlich selten vorkam. Keine Träume, die von Dunkelheit oder Monstern handelten. Dennoch hätte ich diesen friedlichen Schlaf gerne fortgesetzt.

„Aufstehen, Maya." Ich grummelte. Elian zog die Rollläden hoch und machte dabei extra viel Krach. Ich nahm jegliche Kraft zusammen, die ich hatte und zeigte ihm den Mittelfinger.

„Ich sehe, gute Laune steht dir", sagte er, noch während er mir die Decke wegriss und mich auf den Rücken schmiss.

„Hey", protestierte ich.

„Ich wollte, dass dein Tag schön beginnt, indem du als Erstes jemand attraktiven siehst", sagte er gut gelaunt, aber – oh Wunder – mit einem spöttischen Lächeln.

„Warum sehe ich dann dich?"

„Man sieht immer nur das, was man sehen will. Wirklich löblich. Diese Verleugnung aller Fakten, die du an den Tag legst." Gott, wie dieser Typ nervte.

„Du hast ja Recht", kapitulierte ich, „ich vergaß wie wunderschön du eigentlich bist." Ein bisschen Hoffnung hatte ich schon, dass er mich jetzt in Ruhe ließ, aber dann machte er auch schon seinen Mund auf. Pustekuchen.

„Ja, man nennt mich auch den legendären Sohn Helenas." Ich drehte mich um, sodass ich sein Gesicht nicht mehr sehen musste.

„Das tut mir leid", grummelte ich in mein Kissen.

„Weil meine Schönheit alles in den Schatten stellt?"

„Weil die legendärste Schönheit aller Äonen einen hässlichen, herrischen Oger als Sohn hatte? Nee klar."

„Charmant", stellte Elian fast schon mit einer gewissen Anerkennung in der Stimme fest.

„Ja, Prince Charming war mein Vater", sagte ich und zog mir das Kissen über den Kopf als Zeichen, dass das Gespräch damit beendet war.

„Siehst du", sagte Elian wieder in seinem Heute-wird-es-26°-es-bleibt-aber-teils-wölkig-Tonfall, „deswegen kann dein Vater auch unmöglich aus unserem Rudel stammen". Damit entzog er mir wieder das Kissen aus meinem eisernen Griff, der offensichtlich nicht eisern genug war und schmiss es aus dem Fenster.

„Was zum-?"

„In fünf Minuten sehen wir uns auf der Veranda." Sprach's und ging. Ich hasste ihn. Ich hasste ihn wirklich.

Langsam krabbelte ich aus meinem Bett und torkelte wie eine Zombiemutation zu dem Kleiderschrank. Halb blind kramte ich nach einer Jogginghose und einem T-Shirt, als ich einen Sport-BH entdeckte, der auf wundersame Weise auf einmal neben den Pullovern lag. Wer auch immer ihn dahin gelegt hatte, ich liebte ihn. Ich würde ja gern sagen von ganzem Herzen, aber eigentlich musste ich mir das für meine Abneigung Elian gegenüber aufsparen.

Ich zog mich widerwillig an und machte mich langsam auf den Weg nach unten. Bei jeder Treppenstufe dachte ich: „Ich hasse ihn. Ich hasse ihn mehr". Das war wie dieses Spiel aus dem Kindergarten, in dem man einem Gänseblümchen jedes Blütenblatt mit einem „Er liebt mich" und das nächste mit einem „Er liebt mich nicht" abriss. Nur gab es bei meinem Spiel keine Option, die mir mehr gefiel.

Als ich nach gefühlten unendlichen Stufen – ja, mein Körper war wohl noch nicht so wach – unten ankam, torkelte ich in die Küche, als mich diese zauberhafte Stimme zurückrief.

„Was machst du da?", fragte Elian, während er ganz lässig im Türrahmen zwischen Veranda und Flur lehnte.

„Was denkst du denn?", gab ich zurück.

Die Chroniken der Feuerwölfe - Die Verstoßenen (#Wattys2016)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt