Kapitel 4.2. Blutrausch

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Als ich erneut erwachte, war ich allein. Mein Kopf pochte und Wellen des Schmerzen brachen über mich zusammen und verwandelten das Zimmer, in dem ich mich befand und das ich ohnehin schon verschwommen wahrnahm, in ein schwankendes Boot.

Wo bin ich? Diese Frage formte sich in meinem Geist, noch bevor ich realisierte, dass ich dieses Zimmer nicht kannte. Ich stützte mich und stand langsam auf. Ich kannte dieses Spiel ja bereits. Die Schwächeanfälle, welche mich schon seit vier Jahren begleiteten, setzten oft direkt nach dem Aufwachen ein.

Als ich endlich saß, zog ich meine Knie an die Brust und stecke meinen brummenden Schädel dazwischen, in der Hoffnung, meine Übelkeit würde so schnell verrauchen, wie sie gekommen war. Ein paar Mal atmete ich tief ein und aus, bis der Schwindel etwas nachließ, dann hob ich den Kopf und sah mich um.

Ich wusste tatsächlich nicht, wo ich mich befand. Dieses zimmer war mir völlig fremd. Ich saß auf einer einfachen Matratze, die auf dem Boden lag. Sie war so weich und ausgelegen und gab bei jeder Bewegung unter meinem Gewicht nach, sodass ich nahezu den Boden berühren konnte.

Außer der Matratze befand sich noch ein alter, sperriger Kleiderschrank mit zwei Türflügeln in der gegenüberliegenden Ecke. Gerade als ich einen Fuß auf den alten, dunklen Holzfußboden setzte, sah ich links von mir einen kleinen Nachttisch, auf dem eine Schüssel stand. In der Hoffnung, darin Wasser vorzufinden, stürzte ich darauf zu. Ich konnte mich gerade noch im letzten Moment gegen die Wand lehnen, als mich erneut die Übelkeit packte. Langsam zog ich mich an der Wand entlang auf den Nachttisch zu, was ich beträchtlich viel Zeit kostete. Doch als ich die Schlüssel erreichte, befanden sich darin nur die Reste von Kräutern. Frustriert seufzte ich auf. Ich musste, etwas zu trinken finden, bevor meine Kehle vertrocknete. Jedoch konnte ich meine Neugierde nicht bezwingen, als mein Blick erneut den Kleiderschrank streifte. Ich ging nun stärkeren Schrittes darauf zu und öffnete einen Türflügel. Es war nichts darin. Ich öffnete die andere. Nichts. Nur Staub. Ich wusste nicht ganz, was ich erwartet hatte, doch irgendwie fühlte ich mich hintergangen und fast hätte ich mit de Fuß aufgestampft. Trotz meines Durstes setzte ich meine Erkundungstour fort und trat aus dem Zimmer in einen nur spärlich erleuchteten Flur, dessen Verkleidung ganz aus Holz bestand. Wände und Decke unterschieden sich nicht im geringsten vom Boden. Der Flur endete in einer Treppe, welche nach unten führte. Aber eine Aufmerksamkeit wurde von einer anderen Tür angezogen, der einzigen außer der, welche zu dem Zimmer führte, in dem ich aufgewacht war. Die andere Tür war einen kleinen Spalt geöffnet und offenbarte verschwommene Lichtfinger, die sich hindurchzwängten. Ich öffnete sie. Es war niemand hier. Fast schon wäre ich versucht gewesen, nach jemandem zu rufen, doch ich erinnerte mich nur zu ganz an die ganzen Filme, bei denen ich immer über jene schimpfte, die durch unnötige Dummheit auf sich aufmerksam machten. Nicht, dass ich dachte, ich wäre in Gefahr. Wenn man aber bedachte, dass ich nicht den blassesten Schimmer hatte, wo ich aufgewacht war, so war ein gewisses Maß an Vorsicht wohl kaum schädlich. „Die Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste", murmelte ich. Wenn ich eine Großmutter gehabt hätte. Damm hätte sie jetzt wahrscheinlich etwas in die Richtung gesagt.

Durch zwei große Fenster an den gegenüberliegenden Wänden stahl sich das Sonnenlicht in das Zimmer und durchflutete es. Ein primitives, provisorisch aussehendes Bettgestell stand in der hinteren Ecke und daneben ein Schrank, der dem im anderen Zimmer, zum Verwechseln ähnlich war.

Als ich jedoch diesmal auf den Schrank zuging, war ich nicht mehr so mutig wie zuvor. Ich verspürte ein leichtes, Vorsicht heischendes Prickeln in meinem Nacken. Vielleicht sollte ich von hier verschwinden oder zumindest herausfinden, wo genau ich mich befand, doch es war, als hätten meine Beine ihr eigenes Ziel. Ich durchquerte den Raum und öffnete beide Türen gleichzeitig. Ein flaues Gefühl, gepaart mit Erleichterung, machte sich in meinem Magen breit, als ich nur gefaltete Klamotten vorfand.

Die Chroniken der Feuerwölfe - Die Verstoßenen (#Wattys2016)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt