Kapitel 2 oder das geheime Geschäft

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Der mondlose Nachthimmel lag wie ein weites, klares Zelt über uns. Jayden drückte meine Hand und warf mir einen kurzen Blick gefüllt mit Liebe und Hoffnung zu. Es war so weit, wusste ich. In diesem Kampf würde sich auf ewig das Schicksal unseres Rudels entscheiden.

Der Geruch nach Vampiren wurde jetzt stärker, hing an gefühlt jedem Blatt und mischte sich in den Duft der Blumen, die sich an den Füßen einiger Bäume hochrankten. Abgesehen vom Geruch des Todes war es eine wunderschöne Nacht und der Wolf in mir schien- wie immer an Neumond- seltsam still zu sein.
Ich warf einen kurzen Blick nach hinten um mich zu vergewissern, dass sie alle noch da waren, so still lag die Nacht vor mir und tatsächlich- zwischen den Bäumen gingen in Kleingrüppchen die Krieger des Rudels alle die alt genug zum kämpfen waren.
In ihren Händen glitzerten goldene Dolche, Speere mit blitzenden silbernenSpitzen und Armbrüste. Lautlos schlichen sie dahin, Räuber immer auf der Hut.

Die Unruhe die im Rudel aufkam, das Zucken was durch die Reihen ging, verriet mir, dass unsere Gegner vor uns aufgetaucht waren. Hunderte schemenhafte Schatten, die ich als Mensch nicht hätte identifizieren können. Ich wusste, dass auch Werwölfe unter ihnen waren, nicht nur Vampire. Unsere etwa 20 Köpfige Gruppe hatte keine Chance gegen ein Heer wie dieses.
Doch auf den Gesichtern der Krieger war keinerlei Unmut zu lesen. Denn ein neuer Geruch mischte sich jetzt in den Wind- der Geruch nach einem guten Dutzend anderer Rudel. Schweigend waren sie zwischen den Bäumen erschienen und hatten sich zu uns gesellt. Nun waren wir nicht mehr in der Unterzahl- im Gegenteil, es war ein fairer Kampf und wir waren auf unserem Terrain sogar im Vorteil.

Aus dem Augenwinkel sah ich einen Jungen mit dunklen Haaren, vom Geruch her eindeutig aus dem Ashton Rudel. Er hielt sich auf Abstand zu unserem Rudel, doch schien sich zusammenzureißen.
Jayden schien ihn ebenfalls bemerkt zu haben, denn er drückte meine Hand ein wenig fester. "Wir werden das hier schaffen", sagte er mehr zu sich selbst als zu mir. Ich hatte keine Angst um mein Leben- ich war ja in einer Weise die mir nicht gefiel unsterblich- aber um das von Jessica und Ash und jedem anderen Rudelmitglied. Und natürlich um das von Jayden.

"Wach auf! Wir sind bald da!", weckte mich Jessicas ungeduldige Stimme. Die Szenerie vor meinen Augen verschwand als wäre sie nie da gewesen. Ungläubig starrte ich auf die Landstraße vor mir, die mir fast unwirklicher vorkam wie mein Traum.
Es hatte sich so angefühlt, als wäre ich wirklich dort gewesen. Mein Körper hatte sich wie mein Körper angefühlt, der Boden unter meinen Füßen echt und Jaydens Blick auf mir unverwechselbar Jaydens. Selbst meine Gedanken hatte ich klar und deutlich gehört- nichts, aber auch gar nichts hatte mich zweifeln lassen, das dies die Realität war.

Es war kein Zufall, da war ich mir sicher. Das war wieder einer dieser Träume. Träume die mir einen Schnipsel der Zukunft zeigten, wie auch immer das möglich war. Doch mittlerweile kam mir gar nichts mehr richtig komisch vor. Ich meine in einer Welt, in der es von Vampiren und Werwölfen und weiß ich nicht was noch alles nur so wimmelt, gehörten unerklärliche Träume ja wohl irgendwie dazu.
Der Traum wollte mir etwas sagen. Vielleicht war das der Zeitpunkt meine Hellseherischen Träume nicht mehr zu ignorieren. Ja- die Träume könnten mir hilfreich sein. Ich musste nur lernen sie richtig zu deuten.

"Ich fasse es nicht, dass du eingeschlafen bist. Dabei ist es nach Gold Bridge nur eine halbstündige Fahrt!", beschwerte Jessica sich und riss das Lenkrad rum, um auf die Asphaltstraße die wie aus dem nichts vor uns erschienen war zu wechseln.

Gold Bridge war die einzige richtige Stadt im Umkreis. Außerhalb des Reservats war sie eigentlich größtenteils von Menschen und Farmern besiedelt, die ihren wöchentlichen Großeinkauf in dem kleinen Supermarkt machen mussten.

Bevor die ersten kleinen Häuschen aufgetaucht waren bedeutete ich Jessica am Straßenrand anzuhalten. Ich hatte bisher jedem die Existenz der Träume verschwiegen, nie war es irgendwie relevant gewesen. Und ich hatte doch immer Angst gehabt als Spinner dazustehen. Doch jetzt musste ich sie einweihen- denn vielleicht bedeuteten diese Träume eine winzige Chance für uns. Und sie war wahrscheinlich die einzige die mich nicht gleich auslachen würde.

White Wolf NeumondWo Geschichten leben. Entdecke jetzt