Die Kulisse vor mir erinnerte mich seltsamer Weise an eine Dämonenbeschwörung eines satanischen Hexenzirkels. Ein Großteil des Rudels stand im Kreis auf einer Lichtung, die arme Gina in der Mitte, wie ein jungfräuliches Opfer, was notwendig für die Beschwichtigung des Dämons war. Man sah ihr an, dass sie sich unbehaglich fühlte. Wenigstens stand Ash bei ihr und drückte ihre Hand.Es war fast Mondaufgang und die Sonne war schon hinter dem Gebirge am Horizont verschwunden, nur noch ein tiefroter Streifen am Himmel zeugte von ihrer Anwesenheit.
Bald war es so weit und keiner hatte es sich nehmen lassen den Ausgang meines kleinen Experimentes mit eigenen Augen zu sehen. Kurz dachte ich zurück an den Abend meiner ersten Verwandlung, meinen Unmut und meine Angst vor dem Schluss meines menschlichen Lebens. Damals hätte ich nie gedacht, dass ich schließlich doch in meine Rolle als Wolf herein finden würde.Ich spürte wie mein Körper sich verwandeln wollte, es war als knisterte es bereits in meinen Adern. Nur noch einen Augenblick, dachte ich, dann durfte ich mich verwandeln.
Noch immer war ich unentschlossen, welchen Ausgang dieses Abends ich mir wünschen sollte. Glücklicherweise musste ich diese Entscheidung ja gar nicht treffen.Die ersten im Kreis erlagen bereits dem Drang der Verwandlung und legten ihre Pelze an, doch noch immer war es totenstill auf der Lichtung. Ich roch die Angst von Gina, die noch immer mit wackeligen Beinen in der Mitte der Lichtung stand. Ash, bereits verwandelt, schmiegte sein braunes Fell an sie.
Doch mit einem Mal bebte ihr gesamter Körper und sie fiel mit einem leisen Schrei auf die Knie. Ein paar Sekunden krampfte ihr Körper, dann verwandelte sie sich in eine große, gescheckte Wölfin.
Ich wusste nicht wie ich reagieren sollte. Ehrlich gesagt hatte ich nicht wirklich erwartet, dass es tatsächlich funktionieren würde- und in meinen Überlegungen war ich bis jetzt nie bis zu diesem Punkt gelangt.
Das hieße ich war wirklich ein Urwerwolf- wie auch immer das möglich war.Ich spürte wie sich nun auch mein Körper verwandelte und einen Moment später fand ich mich in meinem Wolfskörper wieder. Ich spürte Jaydens dunklen Pelz an der einen Seite, Jessicas hellbraunes Fell an der anderen. Jayden trat einen Schritt nach vorne und sofort hallte seine Stimme durch die Köpfe der nun verwandelten Wölfe.
"Ihr habt den Beweis nun selber gesehen. May ist ein Urwerwolf. Und sie hat Recht- wenn wir eine Chance haben wollen gegen die Vampire, dann müssen wir gemeinsam kämpfen- gemeinsam mit den Rudeln Amerikas für unsere Freiheit. Die Ehre unserer Ahnen verteidigen und die Freiheit unserer Nachfahren. Und so sage ich: Ziehen wir in den Kampf!"
Die Wölfe hoben grazil ihre Köpfe und eine Vielzahl von Stimmen durchdrang die Stille in meinem Kopf. "Ich werde kämpfen", "auf unseren Alpha", "wir werden diesen Vampiren einen gehörigen Arschtritt verschaffen" und ein Gewirr von unzähligen anderen Ausrufen.
Dann ging das Rudel gemeinsam auf Jagd. Etwas solches hatte ich noch nie erlebt- zwei Dutzend riesig große Jäger auf leisen Sohlen zwischen den Bäumen laufend, den vollen Mond langsam hinter den Baumwipfeln emporsteigend. Sie flogen mit leichten Schritten beinahe über den Waldboden, der vom Mond in ein geheimnisvolles Licht getaucht wurde-
Wie erwartet hatte ich die Erkenntnis ein Urwerwolf zu sein und die damit kommenden Fragen schon bald in die hinterste Ecke meines Kopfes verbannt und genoss- zu mindestens für diesen Moment- wie uralte Instinkte mein Handeln übernahmen und die schier endlose Weite des Reservats.
Vollmond war die Zeit in der der Wolf in mir am nächsten war und mein menschliches Ich mir beinahe unwirklich vorkam."Wie fühlst du dich?", konnte ich Jessicas Stimme in meinem Kopf hören. Sie lief einen guten Meter hinter mir und ich sah wie sich ihr helles Fell prunkvoll vom Rest der Gruppe abhob.
Ich wusste es selbst nicht, wie ich mich fühlte. Leer. Emotionslos. Mit einem Mal kam mir die Stille in meinem Kopf falsch vor und angestrengt versuchte ich mich darauf zu konzentrieren irgendwas zu fühlen. Doch meine Gedanken verliefen sich mit jedem Schritt mehr, den ich in den Wald setzte. Meine Instinkte drängten die Fragen zurück, die sich drohend vor mir aufzubauen versuchten und ließen mich alleine in der Leere zurück.
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White Wolf Neumond
WerewolfPlötzlich sieht May sich einem aussichtslosen Kampf gegen die Vampire entgegen stehen, dem sie scheinbar nicht entfliehen kann. Wer ist sie wirklich? Wer sind ihre wahren Eltern? Zu wem gehört sie? Kann sie sein was sie ist? Ist sie bereit eine Ents...