Ich zog mir meine Sachen an so schnell ich konnte und kletterte über mein Fenster in unseren Vorgarten. Mein Fenster lag genau über dem Dach der Eingangstüre und mit der Holzkiste, die ich in unserem Gartenschuppen gefunden habe, der perfekte „Fluchtweg“. Wenn ich spät Nachts spazieren gehen wollte war das die beste Möglichkeit unbemerkt ausser Haus zu kommen.
Ich rannte die Allee unserer Strasse entlang, immer weiter und schneller. Meine Beine schmerzten und mein Gesicht brannte von der kalten Herbstluft. Rovus flog ein paar Meter vor mir und krähte sobald ich langsamer wurde.
„Reiss dich zusammen Cora!“, sagte ich mir immer wieder selbst.
Nach einer gefühlten Ewigkeit erreichten wir endlich den Friedhof. Ich blieb starr vor dem Eingang stehen, wieder sah ich drei Gestalten in schwarzen langen Kutten, ich beschloss ihnen zu folgen. An der Friedhofsmauer fand ich einen heraus stehenden Ziegel über den rüber klettern konnte, das Tor hätten sie bestimmt knarren gehört. Ich schlich ihnen nach und deutete Rovus auf den nächst gelegenen Baum zu fliegen. Ich wollte ihr Gespräch belauschen, doch schnappte nur abgehackte Wörter wie: „Kette“, „Legende“ und „Krieg“ auf.
Mir wurde unbehaglich und ich wollte umkehren doch da schoss mir wieder Savant in den Kopf.
Ich folgte weiter den Gestalten und sie brachten mich genau dort hin wohin ich wollte. Sie schritten in das Mausoleum und man hörte laut das Tor aus massivem Holz zu knallen. Als die Luft rein wahr kroch ich aus meinem Versteck und versuchte Erfolglos das Tor auf zu bekommen.
Ich suchte nach einem Schloss, einer Einbuchtung an der ich ziehen konnte, irgendetwas mit dem ich dieses verdammte Tor öffnen konnte.
Rovus flog auf meine Schulter und pickte aggressiv dagegen.
Verzweifelt lehnte ich meine Stirn gegen das kalte Holz der massiven Tür und flehte sie an aufzugehen. Mir schossen Tränen der Wut in die Augen und ich wollte aufgeben.
In dem Moment als ich diese Gedanken durch meinen Kopf streifen ließ, erhellte ein Licht die Dunkelheit der Nacht. Ich erhob meinen Kopf und wurde durch den enormen Lichtstrahl geblendet.
Ein großes Zeichen das wie ein X aussah zierte nun das Eingangstor des Mausoleums und mit einem “Knack“ öffnete es sich.
Rovus erschrak, ebenso wie ich, und ließ einen kleinlauten Ton von sich.
„Ich schätze das heisst dass ich hinein kann. Rovus bleib bitte hier. Ich schaff das.“, entgegnete ich dem Vogel missmutig.
Also schritt ich allein und ohne meinem kleinen Gefährten durch das große Tor. Vor mir lag eine lange Wendeltreppe, hinab in die Dunkelheit gefolgt von einem langen schmalen Gang der nur von ein paar Fackeln beleuchtet wurde. Je weiter ich den Gang entlang schlich desto deutlicher konnte ich dumpfe Stimmen und einen beleuchteten Raum am Ende des Ganges erkennen. Ich ging immer leiser und vorsichtiger, desto näher ich dem Raum kam. Dort angekommen suchte ich nach einer Gelegenheit mich zu verstecken und fand tatsächlich eine große Statue aus Marmor. Da erblickte ich wieder die Gestalten in den Kutten. „Savant muss da dabei sein.“, dachte ich mir, doch blieb trotzdem in meinem Versteck.
Die Kuttenträger bildeten einen kleinen Kreis und gaben sich die Hände.
“Und wie denkst du soll das funktionieren ohne ihr?“, hörte ich eine raue männliche Stimme brummen. “Wir müssen all unsere Energie sammeln und dürfen uns nur auf das Wesentliche konzentrieren. Es muss einfach funktionieren!“, entgegnete ihm ein anderer. Das war Savants Stimme! Und es ging ihm gut! Ein Gefühl der Erleichterung breitete sich in meinem Körper aus, doch im selben Moment wurde mir wieder mulmig im Magen. Was war das für ein komisches Treffen? War Savant Teil einer ominösen Sekte?
„Patrem! Bitte gewähre uns Zutritt!“, hörte man ihn rufen. “Es funktioniert nicht Savant..“, hörte ich Naturas Stimme. “PATREM! Sie kann es noch nicht! Wir versuchen nur zu helfen! Bitte öffne das Podest für uns!“, ignorierte Savant das Mädchen. “Mann Savant! Lass es doch! Das geht nur nach hinten los!“, entgegnete nun ein anderes Mädchen dessen Stimme mir ebenfalls bekannt vorkam. „NEIN!“,schrie der Junge stur.
Plötzlich borte sich etwas Spitzes in meine Schulter. “AH!“, brach es aus mir heraus ohne den Gedanken still zu sein. Die Menge drehte sich zu mir um und Savant schien überhaupt nicht glücklich mich zu sehen.
„Cora! Was hast du hier verloren!?“, schrie er mich an. Es ging alles so schnell. Bevor ich antworten konnte begann die Statue sich zu bewegen, erst in dem Moment sah ich dass sie wie ein Wasserspeiher mit Drachen ähnlichen Flügeln und großen Hörnern aussah. Auf den spitzen Klauen klebte Blut, mein Blut! Ich sah erneut auf meine Schulter, mir wurde schlecht.
Die Statue erwachte zum Leben und sah mir mit ihren furchterregenden Augen direkt in meine. Ich taumelte rückwärts und versuchte aus dieser ausweglosen Situation zu entkommen. “CORA LAUF!“, hörte ich erneut Savants Stimme.
Die Kreatur versetzte mir einen Schlag, der mich in die Mitte des Raumes katapultierte, direkt vor Savants Füße. Natura starrte entsetzt auf meine klaffende Wunde, schrie den anderen zu sie sollen sich in Sicherheit bringen. Savant blieb bei uns und war damit beschäftigt sich dem Angreifer entgegen zu setzen.
Halb weggetreten beobachtete ich wie Savant immer und immer wieder große leuchtende Kugeln auf das Biest schoss, während Natura versuchte es mit Ranken bewegungsunfähig zu machen.
In dem Moment erhob sich neben mir ein großes Podest aus dem Boden. In der Mitte der Säule befand sich eine Glasvitrine die eine Kette schützte. Die Kette schimmerte in einem wunderschönen Rot und zog mich magisch an, ich riss das Schmuckstück an mich.
Natura drehte sich zu mir und sah mich überwältigt an. „Savant! Das Amulett! Cora hat es! Sie hat es!“, rief sie erschöpft.
„Dann bereiten wir dem mal ein Ende!“, antwortete der Junge hoffnungsvoll.
In diesem Augenblick breitete sich eine schwarze Wolke über der Bestie aus, durch die sie ohne mit der Wimper zu zucken floh.
Erschöpft fielen die anderen beiden auf ihre Knie. Natura stammelte zu Savant:„Schnapp dir Cora und lass uns verschwinden.“
DU LIEST GERADE
Cor Corvus - Das Herz der Raben
FantasíaAls Cora nach dem Tod ihres Vaters zwei Jahre zuvor mit ihrem Bruder Jerry und ihrer Mutter in den Ort Salisbury umgezogen war, hätte sie nie erwartet, dass sich ihr bisher eher beschauliches Leben so schlagartig ändern würde. Ab ihrem 16. Geburtsta...