Kapitel 10

68 4 0
                                    


Einige Tage waren vergangen und Emma lag noch immer im Koma. Jeden Tag war ich bei ihr, denn ihre Mutter hatte dafür gesorgt, dass ich zu ihr darf und auch die Anderen. Ihr Zustand verbesserte sich nicht, aber verschlechterte sich auch nicht. Alle aus unserem Jahrgang versuchten normal weiterzumachen, aber Emma's Unfall lag schwer auf unser aller Schultern. Jeder machte sich Sorgen egal ob Schüler oder Lehrer.
Wird sie je wieder aufwachen? Niemand kann diese Frage beantworten. Wir müssen beten, hoffen. Mehr können wir nicht tun.
Heute ist Freitag und ich bin auf dem Weg zu Emma ins Krankenhaus. Vielleicht gibt es ja etwas Neues. Sam, Rick und Lena begleiten mich. Wir wollen heute Abend feiern gehen. Einfach um den Kopf freizukriegen. Ich hoffe, dass ich für ein paar Stunden abschalten kann, aber wirklich dran glauben kann ich nicht. Als wir im Krankenhaus ankommen kommt uns gerade Emma's Mutter entgegen. "Hallo. Gibt es Neues über ihren Zustand?", frage ich sie. "Nein, noch immer nicht. Ihr Zustand ist unverändert. Aber ich muss euch etwas anderes mitteilen und euch um etwas bitten." "Okay. Was ist denn los?", fragt Lena besorgt. "Mein Chef schickt mich geschäftlich nach Neuseeland und ich muss dahin, weil der Kunde uns sonst abspringt.", erklärt sie und Tränen schimmern in ihren Augen. Wir nicken. "Könnt ihr auf Emma aufpassen? Und mich informieren, wenn es etwas Neues gibt? Egal ob gut oder schlecht? Ich komme auch sofort zurück, wenn ihr Zustand das erfordert. Irgendwie." Emma's Mutter ist total am Zittern. Wie kann ihr Chef sowas von ihr verlangen? In dieser schweren Zeit? "Natürlich. Wie lange bist du denn weg?", will ich wissen. "Mindestens 2 Wochen. Es können auch locker 3-4 Wochen werden.", erklärt sie mit hängenden Schultern. "Wir passen gut auf Emma auf.", versichert Rick ihr und wir stimmen zu. "Habt vielen Dank. Ich werde dann jetzt mal los und schnell packen. Heute Nacht geht mein Flieger." "Heute schon?", rutscht es mir heraus. "Ja.", sie nickt und verabschiedet sich nochmal ehe sie das Krankenhaus verlässt. "Ihr Chef will ernsthaft, dass sie jetzt nach Neuseeland fliegt? Was ist das denn für ein Penner?", regt sam sich auf während wir Emma's Zimmer betreten. Noch immer liegt sie da mit gefühlten tausend Schläuchen und hunderten Geräten die sie am Leben halten. "Ich kann es nicht glauben. Wie kann ein Mensch so gefühlskalt sein?", frage ich. "Nunja. Er fühlt sicher mit ihr, aber was soll er tun? Seine Firma muss doch auch weiterlaufen.", erklärt Lena. "Ist das dein scheiß ernst?", keife ich sie an, "Du und deine beschissene Neutralität. Scheiß auf seine Firma. Es geht hier um Emma's Leben und nicht um irgendeinen beknackten Kunden. Du bist auch eine von denen, denen Geld wichtiger ist als ein Menschenleben." "Nein verdammt. Hör auf mich hier anzuschreien. Im Gegensatz zu dir schaue ich der Wahrheit ins Auge. Es ist völlig unklar ob Emma je wieder aufwacht. Das Leben muss weitergehen. Und nur weil Jenny jeden Tag hier ist und ihre Hand hält wird Emma auch nicht wach." "Ach so ist das.", schreie ich sie an, "Du hast Emma also schon aufgegeben. Dann hau doch ab. Was willst du dann hier? Auf deine Klugscheißerei kann man hier echt verzichten." "Mädels. Bitte. Hört auf zu streiten. Das hilft Emma auch nicht.", versucht Sam uns zu beruhigen. "Das bekommt sie doch eh nicht mit.", entgegnet Lena. Bevor ich ihr an die Gurgel gehen kann nimmt Rick ihre Hand und sagt: "Lena, wir sollten gehen. Wir sehen uns später." Er zieht sie hinter sich her aus dem Zimmer. Ungläubig starre ich Sam an, der auch nur den Kopf schüttelt. Ich ziehe mir einen Stuhl an Emma's Bett und versuche mich zu beruhigen. "Ach Emma. Du fehlst mir so.", schluchze ich. Auch Sam hat sich zu "uns" gesetzt. Ich weiß, dass sie ihm auch fehlt, aber er kann soetwas nur schwer zugeben. Er hat noch nie viel über seine Gefühle gesprochen. Da sind Emma und er sich verdammt ähnlich. Wahrscheinlich verstehen sie sich deshalb auch ohne Worte. Manchmal bin ich echt eifersüchtig auf ihn, aber jetzt wo ich ihn da so sitzen sehe, sieht er ein wenig verloren aus. Emma ist die einzige, die ihn immer verstanden hat und immer wusste was los ist. Emma ist auch diejenige, die dafür sorgt, dass Lena und ich uns nicht streiten. Jeder weiß, dass sie mich schnell auf die Palme bringt. Egal wie lieb ich sie eigentlich habe. "Emma, du fehlst hier wirklich. Wir brauchen dich."

Wir sitzen noch eine Weile schweigend am Bett bis Sam fragt: "Wollen wir los?" Ich nicke und stehe auf. "Bis morgen.", verabschiede ich mich von Emma und verlasse mit Sam das Krankenhaus.

Den ganzen Weg über schweigen wir uns an. "Ich geh mich dann mal fertig machen.", sage ich als wir an meiner Haustür ankommen. Sam nickt und verabschiedet sich: "Bis gleich." Ich gehe hoch zur Wohnung und gehe erstmal duschen. Danach ziehe ich schnell eine Hose und ein Top an, binde die Haare zusammen und trage ein bisschen Make-Up auf. Dann mache ich mich auf den Weg zur Bar, in der ich mit Sam, Rick und Lena verabredet bin. Dort angekommen warten Rick und Sam bereits. "Wo ist Lena?", frage ich deshalb. "Kommt gleich.", antwortet Rick mir. Ich nicke. Wir stehen da und unterhalten uns. Doch es fällt schwer, weil wir immer wieder auf Emma zurückkommen und alle einfach nicht mit der Situation klarkommen. "Hey.", kommt es plötzlich von hinten und Lena ist da. "Es tut mir leid, dass ich all die Dinge vorhin gesagt habe. Natürlich habe ich Emma nicht aufgegeben, aber ich weiß auch nicht was ich tun soll. Ich vermisse sie so.", entschuldigt sie sich bei mir. "Schon okay. Ich war auch drüber. Es ist für uns alle im Moment nicht leicht.", antworte ich ihr und wir umarmen uns. "Genau deshalb ist es Zeit, dass wir versuchen uns abzulenken.", erklärt Rick. Zustimmend nicken wir und gehen zusammen in die Bar. Wir versuchen wirklich uns abzulenken, aber das einzige das wirklich hilft ist Alkohol. Also betrinken wir uns alle völlig und landen am Ende des Abends bei Sam zu Hause. Stockbesoffen schlafen wir alle ein und vergessen Emma tatsächlich für ein paar Stunden. Ich freue mich jetzt schon auf den Kater am nächsten Morgen.

Lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende, oder?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt