Das Bild

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"Ich bin wieder da."

Unfähig zu reagieren starrte ich den jungen Mann vor mir an. "Wie...ist.das.möglich?", hauchte ich total überwältigt. "Nun ja...es gibt Transportmöglichkeiten mit denen du von Ort zu Ort reisen kannst...", gab die Person, vor mir, von sich. Er hatte ein belustigtes Lächeln auf den Lippen und meinte: "Du siehst aus, als wäre ich von den Toten auf erstanden...Hallo? Lya? Ich bin es, dein großer Bruder." Bei diesem Satz spürte ich einen Stich im Herzen. Könnte es sein... Voller Hektik kam ich wieder auf die Füße und stolperte in die Arme von meinem Bruder. Schluchzend presste ich mein Ohr an seinen Brustkorb und hörte sein Herz regelmäßig und stark schlagen. Mein Bruder war total überrascht und drückte mich leicht an sich. "Wow, das war aber ein stürmisches Willkommen." Ich musste leise auflachen und schaute zu meinem Bruder auf. Ich schenkte ihm ein breites Lächeln und schaute ihn aus meinen glänzenden Augen an, die mit funkelden Tränen gefüllt waren. Ich umarmte ihn abermals. Gleichzeitig erinnerte ich mich an das Geschehniss und mein Lächeln wurde aus meinem Gesicht radiert. Stattdessen zierte Enttäuschung und Trauer mein Gesicht, aber auch Wut. Wie konnte ich nur so naiv sein und glauben mein Bruder würde leben? Ich wusste, was ich gesehen hatte. Ich wusste, was geschehen war und was nicht. Ich ließ mich in den Armen von meinem Bruder hängen und spürte seine Wärme. Dennoch wünschte ich mir, es wäre nicht passiert. Ich wünschte, wir wären geblieben.
Tränen liefen, wie in Bächen, meine Wangen herunter und ich weinte stumm vor mich hin. Kaum bemerkte ich, wie mein Bruder mich zu sich hoch zerrte und mir besorgt in die Augen sah, ich spürte nur den Schmerz, der sich tief in mein Herz gefressen hat. Mir wurde langsam schwarz vor Augen und ich fiel in die Bewusstlosigkeit. Die Wärme und die Arme meines Bruders verschwanden und ich sah die Realität ein zweites Mal:

Draußen schien die warme Sonne und warf ihre Strahlen in mein Zimmer. Ich selbst war an diesem wunderschönen Tag früh aufgestanden und wollte ein neues Zeichenprojekt beginnen. Ich liebte es einfach in meinem Zimmer zu sitzen und zu zeichnen, während im Hintergrund Musik lief. Und da ich lange kein richtiges Zeichenthema hatte, hielt ich es für eine gute Idee ein Zeichenprojekt zu machen. Am Tag davor hatte ich mir bereits ein Thema überlegt; Schmerz. Zu diesem Zeitpunkt wusste ich noch nicht, wie passend meine Zeichnung für den heutigen Tag sein würde. So kramte ich also erst einmal mein ganzes Zeichenzeug raus und legte dieses auf meinen Schreibtisch. Danach spitze ich meinen Lieblingsbleistift an und fing an zu zeichnen. Ich hatte zuerst kein richtiges Bild vor Augen, was ich malen sollte, also nahm ich einen Schmierzettel und kritzelte ein paar Versuche darauf. Jeder Versuch war anders, von verkrampften Händen zu entsetzten Gesichtern und von Blut zu Tränen. Ich hatte auch ein einfaches Herz gemalt, das brach. Schließlich erstand langsam ein Bild aus diesem Mischmasch. Als ich mir sicher war, dass ich nun auf dem vorbereiteten, leeren Blatt zeichnen kann, zog ich die erste Bleistiftlinie. Die Zeit verging und ich zeichnete immer noch konzentriert und ruhig weiter. Zwischendurch surfte ich ein bisschen im Internet, wenn ich an einer Stelle nicht vorankam, denn durch zehntausendmal radieren und neu zeichnen ruiniert man nur das Bild. Man sollte lieber kurz eine Pause einlegen und es danach noch einmal versuchen. So hatte ich mein Bild also beendet. (Das Bild oben ist das Bild, welches sie gemalt hat. Habe ich selbst gemalt. Sry aber ich habe keine Ahnung, warum es nicht erscheint...)
Während ich mein Bild so betrachtete, kam so eine Art schlechtes Gewissen in mir hoch. Ich habe doch noch gar nicht so etwas brutales erlebt, dass ich dieses Bild zeichnen kann. Meine Mama und mein Bruder müssen denken ich sei psychisch gestört. Trotzdem fand ich das Bild gar nicht mal so schlecht, deshalb wollte ich es dennoch meinem Bruder und meiner Mutter zeigen. So verließ ich also mein Zimmer und ging langsam zum Zimmer meines Bruders. Kurz atmete ich durch und klopfte zweimal zaghaft an der Tür meines Bruders. "Wer ist da?", ertönte es aus dem Zimmer, worauf ich antwortete: "Ich bin es, ich habe wieder etwas neues gezeichnet und würde mir gerne deine Meinung dazu abholen." "Leg es bitte auf deinen Schreibtisch, ich gucke es mir später an, sitze gerade an meinen Hausaufgaben." Ich nickte und hätte mir im gleichen Moment gegen die Stirn schlagen können. Er sieht mich ja gar nicht. Also rief ich: "Okay!" und lief wieder zu meinem Zimmer. Dort legte ich meine Zeichnung auf den Schreibtisch und studierte nochmal kurz meine Bleistiftstriche. Danach verließ ich mein Zimmer und ging in den Garten. Meiner Mutter konnte ich die Zeichnung noch nicht zeigen, da sie noch auf Arbeit war. So setzte ich mich also in eine schattige Ecke des Gartens und genoss das gute Wetter. Ein gutes Buch wäre noch die Krönung gewesen, allerdings war ich zu faul noch einmal aufzustehen, die Treppen hoch zu rennen und ein Buch raus zu holen. Ich wollte einfach nur noch schlafen. So schlief ich seelenruhig unter einem Brombeerbusch ein.

Als ich aufwachte dämmerte es bereits und ich erschrak mich...Wie lange habe ich geschlafen? Noch etwas schlaftrunken taumelte ich ins Haus. Sollte Mama nicht schon da sein? Langsam machte ich die Tür hinter mir zu und fand mich in einem unbeleuchteten Haus wieder. Das ist irgendwie gruselig... Ich ging durch die Küche und kam an der Treppe an. Da oben brannte noch Licht, also ist mein Bruder noch nicht schlafen gegangen. Langsam ging ich die ersten zwei Stufen hoch und rief nach meinem Bruder: "Naim?"

Ein verhängnisvoller FallWo Geschichten leben. Entdecke jetzt