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[But if we lose ourselves, we lose everything] Michael Scofield. Prison Break
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Angst. Sie leitet uns, beeinflusst unseren Alltag und hat die Macht, uns zu verändern.
Dabei ist es nicht einmal die Angst vor einer bestimmten Sache, sondern nicht zu wissen, wovor man sich eigentlich so sehr fürchtet.

Es war Silvester, nur noch eine Stunde bis Mitternacht und ich hatte Angst. Davor, dass sich nichts ändern würde und davor, dass sich alles ändern würde.
Aber wie konnte nur eine einzige Nacht uns den Glauben verleihen, sie würde etwas ändern? Raucher nahmen sich fest vor, aufzuhören, doch bereits am dritten Januar war dieser Vorsatz gebrochen. Viele nahmen sich vor, mehr Sport zu machen und an mehr an ihre Gesundheit zu denken. Zwar trugen sich viele ins Fitnessstudio ein, aber das man da auch hingehen müsste, vergaßen viele.

Und da saß ich. In einem Haus, dessen Besitzer ich nicht kannte und auf einer Party, wo alle - einschließlich meiner besten Freundin - schon völlig dicht waren. Sie hatte mich dazu gezwungen, hier her zu kommen. Genauso wie sich mich gezwungen hatte, rote Unterwäsche anzuziehen, weil das ja Glück bringen würde.

Fünfzehn Minuten bis Mitternacht.

Ich bahnte mir den Weg zur Tür frei, was schwieriger als gedacht war. Vor dem Haus standen kleine Gruppen von Menschen. Sie unterhielten sich und einige rauchten. Die Luft war trotzdem wesentlich angenehmer als im Wohnzimmer, wo alles nach einer Mischung aus Schweiß, Alkohol und Gras roch.

Lexi hatte ich schon zehn Minuten nach unserer Ankunft aus den Augen verloren und viel Hoffnung, sie wieder zu finden, hatte ich nicht. Also lehnte ich mich an die Hauswand, so weit wie möglich von den Menschen entfernt und wartete, bis es vorbei sein würde.

Zehn Minuten bis Mitternacht.

Ich erlitt einen kleinen Herzinfarkt, als sich aus dem Nichts etwas neben mir bewegte. Es war ein Mann, den ich zuvor nicht bemerkt hatte. Er hatte sich lediglich durch seine umfallende Wodkaflasche bemerkt gemacht. Zwar saß er auf dem Boden, doch erhob sich und lehnte sich auch schweigend gegen die Wand, in der Hand die Wodkaflasche, die bereits fast leer war.

"Was tust du hier draußen? Solltest du nicht drinnen sein und auf Mitternacht warten." Es war nicht seine Stimme, die mich so in Schreck versetzte, sondern wie er danach einen großen Schluck aus der Flasche nahm, ohne auch nur für einen Augenblick das Gesicht zu verziehen.

"Wird überbewertet", murmelte ich. Ich wollte nicht mit ihm sprechen.

"Was wird überbewertet?" Er legte die Flasche auf den Boden und hatte seinen Blick nur auf den Rasen gerichtet. Es schien, als würde er nicht einmal mit mir reden, sondern mit sich selbst.

"Silvester."

"Das Jahresende ist kein Ende und Anfang, sondern ein Weiterleben mit der Weisheit, die uns die Erfahrung gelehrt hat. Ziemlich passendes Zitat findest du nicht?"

Er betonte 'Weiterleben' so, als würde er diesem Wort eine tiefere Bedeutung geben wollen. Es wunderte mich, wie deutlich er sprach, obwohl vor wenigen Momenten noch den letzten, großen Schluck seiner Flasche auf ex getrunken hat, als wäre es Wasser.

"Aber warum sollte sich in genau dieser Nacht etwas verändern? Man hat die Möglichkeit, sein Leben an jedem Tag zu ändern, warum sollte es genau nach dieser Nacht klappen?" Ein leises Lachen entfloh ihm und er drehte sich erstmals zu mir.

"Hoffnung. Menschen brauchen etwas, an das sie all ihre Hoffnung stecken können. Sei es eine Nacht oder ein neues Jahr. Das neue Jahr steht hier nur symbolisch für einen Neuanfang. Und braucht nicht jeder von uns manchmal einen Neuanfang?"

Die schlechte Beleuchtung erlaubte es mir nicht, sein Gesicht gut sehen zu können. Alles was ich erkannte war, dass er ein schwarzes Hemd trug und dunkle, etwas längere Haare besaß. Seine Worte ließen mich nachdenken und als er wohl genau das bemerkte, lächelte er schwach.

Fünf Minuten bis Mitternacht.

Mein Handy vibrierte. Als ich Lexi's Namen las, atmete ich erleichtert auf.

"Wo bist du, T? Es ist gleich Mitternacht. Ich will dich bei mir haben", brüllte sie, um den Lärm im Hintergrund zu übertönen.

Als ich ihr sagte, ich sei draußen, hörte ich sie nur sagen, dass sie gleich da sein würde. Ich wollte ein bisschen näher an den Eingang und bevor ich mich überhaupt auf den Weg machte, redete er wieder.

"Geh rein, hol dir ein paar Shots und genieß den Abend. Denk nicht zu viel nach, dadurch vermiest du dir nur selbst den Start ins neue Jahr."

"Danke", sagte ich nur leise und fing an zu laufen.

Zwei Minuten bis Mitternacht.

Es hatte sich fast das ganze Haus vor der Tür versammelt und mitten drinnen standen Lex und ich. Sie hatte mir eine Wunderkerze und einen Jello Shot in die Hand gedrückt. Ein paar bereiteten ein großes Feuerwerk vor und der Rest sah ihnen einfach nur dabei zu.

Zehn Sekunden bis Mitternacht.

Lexi hatte die Wunderkerzen angezündet und zählte laut runter. Zehn. Neun. Acht. Sieben. Sechs. Fünf. Vier. Drei. Zwei. Das Feuerwerk wurde gestartet. Alle schrieen rum und umarmten sich. Lexi schob sich den Shot in den Mund und sprang förmlich auf mich.

"Dieses Jahr wird alles anders, T. Ich spüre es. Frohes neues Jahr, Baby."

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Und hier ist es endlich und es wird diesmal auch nicht gelöscht. Wie davor wird es zu jedem Kapitel ein Serienzitat geben.

Ich würd mich freuen, wenn ihr eure Meinung in Form eines Kommentars ablasst und mich wissen lasst, ob das Kapitel euch gefallen hat.

holy sinner Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt