zwei

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[So you blew me off for a bottle of tequila? Tequila's no good for you. It doesn't call, doesn't write, not nearly as much fun to wake up to.]
Derek Shepherd. Greys Anatomy.
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Vielleicht war es das Licht, das mich weckte. Vielleicht aber auch der Tritt, den mir Lexi gab. Mein Kopf fühlte sich an, als wäre jemand mit dem Auto drüber gefahren und es fiel mir so unglaublich schwer, meine Augen zu öffnen.

An viel konnte ich mich nicht mehr erinnern. Nach Mitternacht hatte mich Lexi mindestens fünfzehn Shots versorgt und auch schön darauf geachtet, dass ich alle trank. Vielleicht war es besser, mich nicht erinnern zu können. Ein Blick zu meiner besten Freundin verriet mir, dass sie noch glücklich im Land der Träume war.

Ich richtete mich mühevoll auf und suchte erst einmal nach meinem Handy, das ich wohl unter das Kopfkissen geschoben hatte. Es war erst zwölf Uhr morgens und am liebsten hätte ich mich wieder ins Bett geschmissen, wäre da nicht der Fakt, dass das garnicht mein Bett war. Es war mir unklar, in wessen Zimmer ich mich überhaupt befand und wie wir hier her gekommen waren.

Als ich den Typen auf dem Boden sah, setzte mein Herz für einen Moment aus. Was machte der Kerl auf dem Boden? Er trug nur noch ein schwarzes Hemd und Boxershorts, jedoch sah man seinen halben Hintern. Neben ihm lag ein Eimer und eine Whiskeyflasche, die halb leer war. Ich versuchte so leise wie möglich an ihm vorbei zu gehen und suchte die Toilette.

Die Nacht muss ein Desaster gewesen sein. Denn auf dem Weg zur Toilette musste ich über mindestens sieben auf dem Boden liegende Personen hopsen. Sie lagen einfach mitten im Flur und eine von ihnen badete in ihrer Kotze - jedenfalls hoffte ich, dass es ihre war.

Wie schlimm die Nacht noch gewesen war, sah ich erst beim Blick in den Spiegel. Mein Antlitz erschreckte mich. Ich hatte die Augenringe meines Lebens und undefinierbare Substanzen in den Haaren und auf meiner Bluse. Meine Schminke war völlig verschmiert und alles zusammen ergab ein schreckliches Bild.

Ich versuchte alles zu retten, was mit Wasser zu retten war und sah am Ende zwar immer noch grauenhaft aus, aber es ließ sich noch aushalten. Mein Handy klingelte und als ich den Namen meiner Mutter las, blieb mein Herz erneut stehen. Dann fing es an wie wild zu rasen und da war sie wieder - die Angst.

Denn meine Mutter dachte, wir hätten Silvester bei der Familie von Lexi verbracht. Würde sie wissen, dass ich mich in einem Haus befand, dessen Besitzer ich nicht einmal kannte und in einem Bett geschlafen hatte, neben dem ein halb nackter Typ schlief, dessen Arsch man sah, dann könnte ich mir mein Grab alleine schaufeln. Es war meiner Mutter egal, dass ich achtzehn war und somit volljährig. Das ihre Tochter Alkohol konsumiert hatte, würde sie in Schockstarre versetzen und wahrscheinlich würde sie mich mit ihrer Bibel verprügeln.

"Guten Morgen, mein Schatz. Frohes neues Jahr. Ich hoffe, die Familienfeier von Lexi war schön. Ich freu mich schon, euch später beim Essen zu sehen."

Oh heilige Scheiße! Wie, um Himmels Willen, sollten wir es schaffen in ein einhalb Stunden vor meine Mutter treten zu können, ohne dabei aufzufliegen? Irgendwie schaffte ich es, meine Mutter in nur fünf Minuten abzuwimmeln und raste zurück ins Zimmer. Dabei fiel ich fast über das Mädchen, das in der Kotze lag, aber selbst das war in diesem Moment unwichtig.

Als ich die Tür aufstieß, vergaß ich völlig, dass der Typ dort noch lag. Ich rammte ihm die Tür gegen das Bein, was ihn genervt aufstöhnen ließ. Schockiert verharrte ich in meiner Position und hoffte, er würde einfach weiterschlafen. Das tat er natürlich nicht. Er hob seinen Kopf leicht an, rieb sich über die Augen und sah sich dann um. Sein Blick blieb bei mir stehen und er schien sich nicht einmal darüber zu wundern, sondern drehte sich einfach um und schlief weiter. Seine schwarzen Haare standen in alle Himmelsrichtungen ab und wenn ich mich nicht irrte, hatte er dort Wackelpudding drinnen.

Vorsichtig umging ich ihn und sprang aufs Bett, in dem Lexi noch seelenruhig schlief. Ich rüttelte an ihr und bekam nur unverständliche Flüche von ihr.

"Steh auf. Meine Mutter hat angerufen. Wir müssen in einer Stunde bei ihr zum Essen sein."

Nun verstand auch sie den erst der Lage und schreckte auf. Sie stand auf, sah sich kurz den Hintern des Typen an, zeigte einen Daumen nach oben und rannte dann in Windeseile zum Bad, um sich weitergehend zu richten. Ich hatte währenddessen die Aufgabe bekommen, unsere Sachen zusammen zu finden und auch ja darauf zu achten, dass niemand in unsere Schuhe gekotzt hätte. In fünfzehn Minuten sollten wir uns draußen treffen.

Gott sei Dank hatte niemand in unsere Schuhe gekotzt und auch unsere Handtaschen waren frei davon. Ich nahm alles zusammen und gab mir die größte Mühe dabei, keinen Krach zu machen.

Nachdem ich mich mühevoll zum Eingang gekämpft hatte, musste ich nur ein paar Minuten auf Lexi warten. Sie sah zwar um einiges frischer aus, jedoch würden wir uns trotzdem noch etwas einfallen lassen, um nicht bei meiner Mutter aufzufallen.

Es endete damit, dass wir im Auto unsere Sachen wechselten, versuchten unsere Haare zu normal aussehen zu lassen und uns neu schminkten, um die Augenringe zu kaschieren. Insgesamt brauchten wir vierzig Minuten dafür und mein Herz raste so unglaublich schnell, als wir vor der Haustür standen und ein letztes Mal unsichere Blicke miteinander austauschten.

Mum öffnete uns die Tür, sah uns von oben bis unten an. Sie lächelte nur schwach und bat uns herein. Das Essen sei in einer halben Stunde fertig, sagte sie, was Erleichterung in mir auslöste. Wir eilten in mein Zimmer, vorbei an den etlichen Jesus Ikonen und waren mehr als nur erleichtert, es hinter uns gebracht zu haben.

"Übrigens, der Zettel ist vorhin aus deiner Hose gefallen", sagte sie beiläufig, drückte mir einen kleinen gelben Post-It in die Hand und warf sich auf mein Bett.

Ich hoffe, dein Neuanfang wird so, wie du ihn dir erhoffst. Frohes neues Jahr.

Die Schrift war etwas undeutlich, doch ich wusste, woher dieser Zettel kam.

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Und hier ist bereits Nummer zwei. Auch wenn es beim letzten Kapitel deutlich mehr Kommentare gewesen sein könnten. Was ist euer erster Eindruck der Geschichte? Hattest du eine Lieblingsstelle? Was wünscht du dir für das nächste Kapitel?

Was ist dein Vorsatz für das Jahr 2017?

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