Die Geisterarmee

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Da erhebt Aragorn die Stimme.
"Ich befehle euch den Schwur den ihr einst geleistet habt einzulösen!"
"Niemand außer dem König von Gondor kann mir befehlen!", antwortet der König und hebt sein Schwert um Aragorn mit einem einzigen Schlag niederzustrecken. Doch der Mensch reißt sein Schwert nach oben und pariert den Schlag, um die Klinge dann wegzudrücken.
"Das Schwert war zerbrochen", sagt der Geist und Aragorn hält es ihm an die Kehle.
"Es wurde neu geschmiedet!", antwortet er und stößt den Geist von sich. Der König taumelt zurück und nun schauen alle Geister Aragorn anders an als vorher. Dieser lässt sein Schwert sinken, doch ich packe mein Schwert fester, da ich immernoch nicht weiß ob sie uns nicht vielleicht doch angreifen wollen.
"Kämpft für uns und erhaltet eure Ehre wieder. Was sagt ihr?"
Aragorns Stimme ist klar und gut zu verstehen, doch keiner der Geister antwortet. Er geht weiter, zwischen ihnen hindurch und die Gestalten weichen zurück. Nun hebt er sein Schwert wieder.
"Was sagt ihr?"
"Wir verschwenden unsere Zeit, Aragorn. Sie hatten keine Ehre im Leben und sie haben auch keine im Tod", meint Gimli und ich nicke zustimmend.
"Wir müssen weiter, Gondor braucht uns!", füge ich hinzu und kann nur gerade so das Zittern in meiner Stimme unterdrücken. Dennoch klinge ich schwach und zerbrechlich im Gegensatz zu Aragorn, der nun wieder beginnt zu sprechen. Währenddessen dreht er sich mit ausgestrecktem Schwert im Kreis, als wolle er auf alle Geister deuten.
"Ich bin Isildurs Erbe. Kämpft für mich, und ich werde euren Eid als erfüllt betrachten!"
Noch immer kommt keine Antwort und ich beginne die Bedrohung noch stärker zu spüren als vorher.
"Was sagt ihr?", ruft Aragorn, da ertönt wieder das gruselige Lachen des Geisterkönigs. Die grünlichen Gestalten beginnen zu verblassen und das Lachen wird lauter.
"Ihr habt mein Wort! Kämpft, und ich werde euch von diesem ewigen Leben im Tod erlösen! Was sagt ihr?!"
Doch die Geister verschwinden noch immer und ich trete näher an Legolas heran. Da verstummt das Lachen plötzlich und Gimli schreit:
"Kommt zurück ihr Steingeister!" Doch mit einem Windstoß werden die letzten Reste der Geister verweht und auch der Nebel verschwindet, stattdessen beginnt die Höhle zu beben. Steine rieseln von der Decke herab und zwischendurch auch einzelne Schädel. Eine Art Stöhnen, wie von einem Ungeheuer lässt die Höhle erzittern und mit mächtigem Getöse brechen Stücke aus der Felswand heraus. Tausende, Abertausende von menschlichen Schädeln strömen wie Wasser aus den Löchern.
"LAUFT!", brüllt Aragorn und springt über einige der Schädel hinweg, die polternd in die Schlucht hinter uns stürzen. Schnell folgen wir ihm, doch die Strom der Schädel droht uns alle beinahe von den Füßen zu reißen. Mühsam klettere ich über die Schädel hinweg und bemühe mich auf den Füßen zu bleiben.
"JEDWIGA!", ruft Legolas als ich beinahe strauchele und packt mich an meinem Umhang. Mit einem Stoß bringt er mich aus der Gefahrenzone und folgt nur kurz darauf. Schnell rennen wir durch einen Gang, hinter uns strömen noch immer Schädel mit furchtbaren Lärm in die Höhle und Felsbrocken fallen von der Decke. Am Ende des Ganges kann ich Tageslicht erkennen und wir stürmen darauf zu, zusammen mit einer Staubwolke. Endlich kommen wir aus dem Berg heraus und frische Luft strömt in meine Lungen. Der Staub kommt wie Rauch aus dem Ausgang gequollen und wir gehen ein paar Schritte weg vom Berg. Vor uns führt eine grüne Wiese in Hügeln hinunter zu einem Fluss, doch das was wir sehen nimmt uns alle Hoffnung. Dutzende Schiffe mit schwarzen, dreieckigen Segeln kommen den Fluss hinauf und die Dörfer an den Ufern des Flusses brennen. 'Die Geister waren unsere letzte und einzige Hoffnung.'
Aragorn schaut zuerst fassungslos auf die Schiffe, dann fällt er auf die Knie. Legolas kommt zu ihm und legt ihm eine Hand auf die Schulter, während ich traurig auf den Fluss schaue. Gimli stützt sich auf seine Axt und wirkt ebenfalls bedrückt. Uns allen ist klar was das bedeutet, doch keiner spricht es aus.
"Was... was machen wir jetzt?", frage ich und räuspere mich, da meine Stimme rau und heiser klingt vom Staub und der Angst. Gerade will Legolas mir antworten, als ein eiskalter Windhauch vom Berg her kommt und wir uns alle umdrehen. Aragorn steht wieder auf, da tritt der grün schimmernde König der Geister aus dem massiven Stein hervor und bleibt vor uns stehen.
"Wir kämpfen!", sagt er entschlossen und unwillkürlich macht sich Erleichterung in mir breit. Auch Aragorn scheint neuen Mut und neue Hoffnung zu schöpfen, denn er er nickt langsam.
"Wir danken euch. Folgt uns!"
Der Geist nickt und hinter ihm kommt eine Armee aus Geistern aus dem Stein. Auch wenn es nun unsere Verbündeten sind, fühle ich mich unwohl ihnen den Rücken zuzudrehen als wir über das Grasland hin zum Fluss gehen. Die Geisterarmee ist unsichtbar geworden als wir am Ufer ankommen, und nun warten wir auf die Schiffe.
"Aragorn, was sind das für Schiffe?", frage ich den Menschen und er schaut mich an.
"Das sind Korsaren, sie haben sich Saurons Sache angeschlossen und sind nun auf dem Weg nach Mordor. Wir wollen die Schiffe benutzen um ebenfalls dorthin zu gelangen."
"Mit der Hilfe der Geisterarmee."
Er nickt.
"Genau."
Da kommen die Schiffe in Sicht und man hört Rufe von den Männern an Bord. Dort herrscht geschäftiges Treiben und anscheinend bereiten sich alle auf den Krieg vor.
"Ihr könnt nicht weiter. Ihr werdet Gondor nicht betreten", sagt Aragorn mit lauter Stimme und Gelächter schallt zu uns herüber.
"Wer seid ihr, der uns die Passage verwehrt?", ruft ein Mann zurück.
"Legolas. Schieß einen Pfeil dem Bootsmann neben sein linkes Ohr", sagt Aragorn ganz ruhig und mein Verlobter zieht einen Pfeil und legt ihn in die Sehne.
"Verfehl ihn nicht", meint Gimli und Legolas zielt. Kurz bevor er schießt, stößt der Zwerg mit seiner Axt gegen seinen Bogen und der Pfeil bohrt sich in die Brust eines Mannes. Dieser fällt sofort tot um und wir alle schauen geschockt zu Gimli.
"Oh, wir haben euch gewarnt", ruft dieser einfach nur.
"Macht euch bereit geentert zu werden!"
Doch die Korsaren lachen wieder nur.
"Geentert? Ihr und welche Armee?", ruft einer spöttisch zurück und Aragorn antwortet ganz ruhig:
"Diese Armee."
Mit einem Schrei kommt der Geisterkönig durch Aragorn hindurch gelaufen und die gesamte Geisterarmee wird sichtbar während sie auf die Schiffe zustürmt. Dabei laufen sie auch durch mich und die anderen hindurch und ich fühle ihre Kälte wie Windstöße durch meinen Körper ziehen. Nun sind die Schreie der Korsaren zu hören und ich wende das Gesicht ab um die Hinrichtung der Männer nicht mitansehen zu müssen. Die Geister erobern ein Schiff nach dem anderen und lassen niemanden am Leben, dann erst klettern wir an Bord des ersten Schiffes. 'Zum Glück haben wir die Geister die uns beim Steuern der Schiffe helfen, ansonsten ginge das ziemlich schief.' Die Geister werden wieder unsichtbar und wir segeln mit den Schiffen weiter in Richtung Minas Tirith.
"Praktisch so eine Geisterarmee", meint Legolas und stellt sich zu mir an die Reling. Ich schaue ihn kurz an und lächle.
"Ja, das ist sie."
Schweigend bleiben wir nebeneinander stehen und ich betrachte das vorbeiziehende Ufer, da nimmt Legolas meine Hand.
"Ist alles in Ordnung?", fragt er mich liebevoll und ich lehne mich gegen ihn.
"Mhm."
Ich sage ihm nicht dass ich Bedenken wegen der bevorstehenden Schlacht habe, oder dass meine Visionen extrem der Landschaft hier ähneln, oder dass ich das Gefühl habe dass sich meine Vision bald erfüllen wird. Er würde ausrasten, und das kann ich momentan nicht gebrauchen.
"Ich hoffe dass es unseren Freunden gut geht", antworte ich stattdessen und Legolas zieht mich sanft an sich.
"Das hoffe ich auch. Aber mit der Hilfe unserer neuen Verbündeten können wir diese Schlacht gewinnen, da bin ich mir sicher."
Er küsst mich auf die Schläfe und ich muss unwillkürlich lächeln, doch das erlischt schnell wieder.
"Falls wir nicht zu spät kommen um etwas tun zu können."
Legolas schweigt daraufhin und ich spüre seine Anspannung. Auch wenn alles nun hoffnungsvoller scheint besteht dennoch die Möglichkeit dass Sauron gewinnt. 'Sauron...' Merkwürdigerweise habe ich keine Angst vor ihm, oder nur unterbewusst, eher fürchte ich mich vor der Schlacht.
"Beten wir zu den Valar dass die Menschen den Orks lange genug widerstehen können bis wir da sind", meint mein Verlobter schließlich und ich nicke.
"Es reicht ja schon dass Gandalf in Minas Tirith und Théoden auf dem Weg dorthin ist, Gandalf weiß was er tut. Gemeinsam halten sie die Feinde noch eine Weile lang auf."
Dann schweigen wir wieder und die restliche Fahrt verläuft ruhig, aber angespannt. Es ist schrecklich warten zu müssen bis man da ist und nur herumsitzen zu können. Doch dank guter Winde gelangen wir irgendwann in Sichtweite von Osgiliath, wo wir aussteigen werden. Immer wenn der Wind dreht, ist Schlachtenlärm und Trommeln zu hören. 'Es hat bereits begonnen.'

Die Geschichte von JedwigaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt