Gondor ruft

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Der nächste Tag scheint fast schon so langweilig und eintönig zu werden wie die vorherigen Tage, die wir hier verbracht haben. Ich trainiere Merry weiterhin im Schwertkampf und probiere dieses Mal eine andere Methode aus, mit der ich bei dem Hobbit mehr Erfolg zu haben scheine.
Allerdings ist es nicht einfach meinen jungen Schüler bei Laune zu halten, denn die Sonne scheint unerbittlich vom Himmel herab und es ist warm, obwohl es noch früh am Morgen ist. Für mich ist es kein Problem, aber Merry jammert und klagt über die Wärme und die frühe Stunde, so lange bis ich das Training frühzeitig beende und mich entnervt zu Aragorn setze. Dieser trinkt gerade einen Tee aus einer Schale und schmunzelt als ich mich neben ihn setze.
"Na, gibst du auf?"
"Nein, ganz und gar nicht", gebe ich zurück, da entdecke ich wie ein Feuer auf einer entfernten Bergspitze entzündet wird.
"Aragorn, was heißt das?", frage ich den Menschen und er starrt auf das Feuer. Dann springt er auf und stürmt los in Richtung Halle. 'Was hat der denn jetzt auf einmal?'
Verwundert bleibe ich erstmal sitzen und schaue wieder hinüber zu dem Feuer auf dem Berggipfel. Plötzlich erinnere ich mich an ein Kapitel in einem Buch über Gondor und Rohan, in dem die Rede von einem alten Bündnis war. Im Falle dass Gondor angegriffen wird und um Hilfe ruft, wird Rohan immer antworten. Nun ergibt das Ganze für mich einen Sinn und ich stürme ebenfalls los zur Halle.

Legolas P.O.V.

Gelangweilt sitze ich mit Gimli an einem Tisch und hänge meinen Gedanken nach. Der Zwerg säubert und schärft zum fünften Mal seine Axt und schaut missmutig zu König Théoden herüber, der sich mit seinen Männern leise berät. Er hat nicht vor Gondor zu helfen.
Gerade will ich schon aufstehen und nach draußen gehen, als die Türen zur Halle mit Schwung aufgestoßen werden und Aragorn hereingerannt kommt.
"Die Leuchtfeuer von Minas Tirith! Die Leuchtfeuer brennen!", ruft er und kommt erst vor dem König zum stehen.
"Gondor ruft um Hilfe."
Théoden wirkt vollkommen überrumpelt und ist erst sprachlos. Éomer und Eówyn kommen hinzu und ich beobachte aufmerksam den Menschenkönig. Schließlich fasst dieser sich wieder und sein Blick wird ernst.
"Und Rohan wird antworten!", sagt er mit fester Stimme und ich spüre wie Erleichterung mich durchströmt.
"Versammelt die Rohirrim!", befiehlt Théoden Éomer und dieser nickt, dann verlässt er die Halle. Erst jetzt bemerke ich dass Jedwiga ebenfalls in die Halle gekommen ist und gehe zu ihr hinüber.
"Heißt das wir reiten los?", fragt sie mich und nimmt meine Hand.
"Ja, genau das heißt es."
Sofort hellt sich ihre Miene auf und auch ich verspüre Freude darüber dass endlich etwas geschieht.
"Lass uns gehen", meint Jedwiga aufgeregt und zieht mich mit sich in Richtung unserer Zimmer. Sie trägt bereits ihre Kampfkleidung, was mich darauf schließen lässt dass sie mal wieder mit Merry trainiert hat. Schmunzelnd lasse ich mich von ihr mitziehen, aber an meinem Zimmer muss sie mich loslassen.
"Bis gleich."
Sie gibt mir einen Kuss und will schon wieder gehen, da ziehe ich sie an mich und sie prallt gegen mich.
"Ganz ruhig", flüstere ich mit einem Lächeln auf den Lippen und küsse sie sanft auf den Mund. Sie erwidert den Kuss ein wenig überrumpelt und schmiegt sich an mich, da beende ich den Kuss wieder.
"Die reiten nicht ohne uns los."
Liebevoll streiche ich ihr mit einer Hand über den Kopf und spiele mit einer Haarsträhne, dann erst lasse ich sie langsam los. Ein wenig benommen steht sie da und schaut mich mit großen Augen an, dann besinnt sie sich wieder. Mit einem Lächeln in meine Richtung dreht sie sich um und geht den Gang entlang zu ihrem Zimmer. 'Sie ist so süß wenn sie verwirrt ist. Und sie weiß es nicht einmal.'
Grinsend gehe ich in mein Zimmer und mache mich fertig. Ich ziehe meine Kampfkleidung an, überprüfe meinen Bogen und schnalle mir meinen Köcher um, danach vergewissere ich mich dass ich noch alles von den Dingen dabeihabe, die ich am Anfang der Reise mitgenommen habe.
Schließlich bin ich fertig und trete auf den Gang hinaus, als ich Jedwiga auf mich zulaufen sehe. Sie sieht nun auch reisefertig aus und wir gehen gemeinsam hinunter zum Stall. Von überall her hört man das Wiehern von Pferden und die Rufe der Soldaten, die sich organisieren.
Am Stall wartet Gimli schon auf mich und schnaubt als er uns sieht. Manchmal macht er ein paar Bemerkungen über Jedwiga und mich wenn er uns zusammen sieht, aber heute nicht. Zumindest nicht deswegen.
"Na endlich Junge. Beinahe wäre ich hier festgewachsen."
"Das glaube ich kaum", gebe ich lachend zurück und wir holen die beiden Pferde um sie zu satteln und aufzusitzen. Jedwiga sattelt mit geübten Bewegungen ihr Pferd und steigt mühelos auf, dann schaut sie zu uns herunter.
"Schafft ihr beiden das heute noch oder muss ich alleine reiten?", fragt sie grinsend und ich ziehe die Gurte des Sattels fest.
"Alleine wird schwierig, bei über 200 Reitern um dich herum", antworte ich und steige auf, dann helfe ich Gimli auf den Platz hinter mir. Wir reiten vom Stall weg und ich erkenne die Reiter, die in langen Reihen zum Haupttor hinaus aufs Grasland reiten.
"Pferdemenschen", schnaubt Gimli an meinem Rücken.
"Was würde ich jetzt für eine Legion Zwerge geben, bis an die Zähne bewaffnet und tödlich."
"Dein Volk braucht nicht in den Krieg zu ziehen. Ich fürchte der Krieg ist bereits auf ihren eigenen Ländern", erwidere ich und Gimli scheint bedrückt zu sein. Wahrscheinlich vermisst auch er seine Familie und sein Volk, immerhin ist er hier ganz alleine. Ich habe ja noch Jedwiga, aber Gimli hat niemanden außer die Gemeinschaft. Mitgefühl für den Zwerg steigt in mir auf.
Ich lasse meinen Blick über die Reiter schweifen und entdecke dabei aber auch Menschen die zurückbleiben müssen. Trauer spiegelt sich in den meisten Gesichtern wider und unwillkürlich muss ich daran denken dass viele der Reiter nicht zurückkehren werden. 'Vielleicht auch keiner.'
Da schallt die Stimme von Éomer zu uns herüber.
"Nun ist die Stunde gekommen, Reiter von Rohan! Die Schwüre die ihr einst geleistet habt, die Eide die ihr abgelegt habt, wollen erfüllt werden! Für Herrn und Land!"
Als sei dies ein Signal, reiten wir los, in einer langen Formation unter dem Banner von Rohan. Reiter in grünen Umhängen, mit Helmen auf dem Kopf und runden Schilden an ihrer Seite reiten immer weiter nach Westen.
Jedwiga und ich bleiben zusammen, auch wenn keiner von uns spricht. Stundenlang reiten wir über die karge und braune Graslandschaft, die sich nur langsam verändert. Zwischen den Reitern entdecke ich auf einmal Merry auf einem weißen Pony. Er trägt die Tracht eines Reiters von Rohan, aber an ihm sieht das irgendwie lächerlich aus.
So reiten wir weiter, bis wir zu dem Ort kommen, an dem die Heerschau stattfinden wird. Schon viele Reiter haben sich hier eingefunden und ihre Zelte errichtet als wir hinter König Théoden durch das Lager reiten. Es herrscht reger Betrieb und die Männer grüßen den König.
"Grimbold, wie viele?", fragt er einen Mann.
"500 von der Westfurt mein Herr", antwortet dieser und ein weiterer Ruf tönt zu uns herüber.
"Wir haben 300 mehr von der Fenmark, Théoden König."
Wir reiten weiter auf den Berg zu, wo das Lager des Königs und seiner Gefolgsleute aufgeschlagen wurde. In Serpentinen erklimmen die Pferde den Weg, dann kommen wir zu den großen Zelten des Königs und zerstreuen uns. Gimli und ich steigen von unserem Pferd und ich versorge es, als Jedwiga neben uns anhält und ebenfalls absteigt.
"So viele Pferde habe ich ja noch nie gesehen", meint sie und gibt ihrem Pferd Futter und Wasser.
"Ha, ich auch nicht", stimmt Gimli zu und Jedwiga grinst während sie ihr Pferd anbindet und ihm den Hals tätschelt.
Als wir unsere Pferde versorgt haben gehen wir wieder zu Théoden und Aragorn, die am Rand des Plateaus stehen und auf das Heerlager hinunter schauen. Doch da bemerke ich dass die Pferde ungewöhnlich unruhig sind. Sie scheuen und bocken, ihr ängstliches Wiehern erfüllt die Luft und einige Männer bemühen sich die Tiere zu beruhigen. Je näher die Pferde einem unheilvollen Spalt in der Felswand kommen, desto unruhiger sind sie. Jedwiga greift nach meiner Hand, da kommt Éomer mit einem Sattel zu uns und legt ihn ab.
"Die Pferde sind rastlos und die Männer sind schweigsam", sage ich zu ihm.
"Es ist der Schatten des Berges der die Männer beunruhigt", antwortet Éomer und schaut zu dem Spalt, der tiefer in den Berg zu reichen scheint.
"Was ist dort?", fragen Jedwiga und Gimli gleichzeitig.
"Die Straße zum Tor des Berges", murmele ich und erinnere mich an ein Buch aus der Bibliothek meines Vaters. Angeblich soll in den Bergen ein uraltes, vergessenes Volk hausen und man findet den Eingang zum Reich der Toten dort.
"Niemand der dort hineinging kehrte je wieder zurück. Der Berg ist böse", erzählt Éomer und wendet sich ab. Jedwiga starrt zu dem Eingang hinüber, bis ich sie anstupse.
"Wir werden dort nicht langgehen, oder?", fragt sie mich und schaut mich an.
"Ich denke das wird nicht nötig sein", antworte ich.
'Hoffentlich.'

Die Geschichte von JedwigaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt