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♫ Trust Nobody - Cashmere Cat, Tory Lanez, Selena Gomez
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Harry steuert unbeirrt auf unseren Tisch zu. Jetzt noch den Anschein erwecken zu wollen, ihn nicht bemerkt zu haben, wäre ebenso zwecklos, wie mich Hals über Kopf von meinen Freunden zu verabschieden und aus dem Café zu stürzen.

Es wären durchaus zwei praktisch hervorragend umsetzbare Möglichkeiten, mich nonchalant aus der Affäre zu ziehen, und dennoch entspräche es nicht meiner Art. Denn ich stelle mich eigentlich standhaft unangenehmen Situationen, anstatt ihnen feige aus dem Weg zu gehen. Auch wenn ich bereits ahne, dass sich Harry nicht leicht abschütteln lassen wird, und mir das wiederum absolut gar nicht in den Kragen passt. Sicher wird er eine Erklärung von mir einfordern wollen. Nur habe ich leider auf meinen überstürzten Abgang gestern keine plausible Antwort.

Ich weiß natürlich, dass die Gefühle Schuld sind, die er erst in mir ausgelöst hat, doch das kann ich ihm unmöglich auf die Nase binden. Und mal nur nebenbei, wieso spreche ich überhaupt von können. Es verhält sich vielmehr so, dass mir schlichtweg der Wille fehlt. Weil es hier vordergründig nämlich nicht um irgendwelche dämlichen Gefühlsduseleien geht, mit denen ich absolut nichts am Hut haben will. Unsere Verbindung erfüllt nicht den Zweck, eine tiefe emotionale Ebene zu erreichen, sich gedankenlos in eine romantische Beziehung zu stürzen. Harry ist und bleibt lediglich mein Mittel, um mein gestecktes Ziel zu erreichen. Und sobald ich dieses erreicht habe, wird er augenblicklich seinen Nutzen für mich verlieren.

"Hi", setzt er zu einer Begrüßung an, blickt in die Runde und ich registriere aus den Augenwinkeln, wie Jane und Felipe sich offenkundig mit Mühe ein Grinsen verkneifen. "Ich störe euch nur ungern, aber bevor Alex mir wieder entwischt, muss ich meine Chance ergreifen. Ich würde sie euch auch nur kurz entführen."

Jane ergreift zuerst das Wort und wirft mir von der Seite einen mahnenden Blick zu, der offensichtlich an meine Vernunft appellieren soll. Ich verdrehe innerlich seufzend die Augen und widerstehe dem Drang, ihr einen giftigen Blick zuzuwerfen.

"Das ist nicht unbedingt nötig, wir verabschieden uns jetzt und lassen euch zwei Hübschen einfach allein", sagt sie entschieden, kramt ihr Portemonnaie aus ihrer Handtasche und platziert zwei Geldscheine auf dem Tisch. Dann zerrt sie Felipe, ohne ein Widerwort zu dulden, hinter sich her zum Ausgang.

"Alex, wir sehen uns dann später Zuhause", ruft sie mir über die Schulter zu und setzt augenzwinkernd noch ein "Viel Spaß in der Bibliothek" hinterher, bevor meine beiden Freunde aus dem Café flitzen.

Ich finde, letzteren Kommentar hätte Jane sich wirklich sparen können, aber was ich persönlich finde ist selbstverständlich vollkommen irrelevant. Mein ursprünglicher Plan hat zumindest wirklich vorgesehen, mich nun auf den Weg in die Bibliothek zu begeben. Doch was Jane versucht hat anzudeuten, hat rein gar nichts mit meinem geplanten Bibliotheksaufenthalt zu tun. Und ich weiß, sie wird mich nun nicht mehr mit ihren Mutmaßungen über meine angeblich romantischen Gefühlen für Harry Styles in Ruhe lassen. Nein, sie und Felipe werden es sich nicht nehmen lassen, mich bis in die Endlosigkeit damit zu drangsalieren und in die Verzweiflung zu treiben.

"Auch gut", meint Harry schulterzuckend und lässt sich auf dem Stuhl mir gegenüber nieder, wo Felipe vor wenigen Augenblicken noch gesessen hat. "Ich denke, wir sollten reden."

Wunderbar, er kommt direkt zur Sache, lässt mich nicht einmal zu Atem kommen. Allerdings lässt meine hartnäckige Natur wieder grüßen und überspielt gekonnt meine Überraschung über unser unverhofftes Aufeinandertreffen mit einem stolzen Lächeln. "Gut, das denke ich auch."

20 Dates ▪ H.S. [SLOW UPDATES]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt