1: Sonntag, 01. September

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~ SCHWARZ ~


Ich höre mich schluchzen.

Es ist, als ob ich neben mir stehe. Ich betrachte die Szene nicht aus meinen eigenen Augen. Zumindest kommt es mir so vor. Es ist immer noch so unrealistisch.

Ich fühle die heiße Träne, welche sich ihren Weg meine Wange herunter brennt.

Ich glaube es immer noch nicht. Wie konnte man einen so gutherzigen Menschen derartig bestrafen?

Die Glocken beginnen zu läuten, während die Ersten die Kirche wieder verlassen. Auch ich wende mich dem Ausgang zu. Doch in dem Augenblick gerate ich wieder ins Stocken. Ich sehe schwarz, nur schwarz. Meine Lieblingsfarbe, die ich heute mehr verabscheue als alles andere auf dieser Welt. Außer vielleicht ein Flugzeug.

Um genau zu sein das Flugzeug, welches um 6 Uhr gestern morgen in Paris startete. Um 10 Uhr hätte der Flieger in London landen sollen. Doch das tat er nicht. Also begann man danach zu suchen und es stellte sich etwas verherendes heraus.

Mein Onkel saß in diesem Flugzeug und ich freute mich auf seine Rückkehr. Doch um 12 Uhr wartete ich immer noch auf einen Anruf von ihm. Um mir die Zeit zu vertreiben, schaltete ich den Fernseher ein und landete mitten in den Nachrichten, welche Klarheit in meine Situation brachten.

"Uns erreichte gerade die Eilmeldung eines schrecklichen Unfalls. Es wurde soeben bestätigt, dass der Flieger 0115, der sich heute morgen aus Paris auf den Weg nach London machte, abstürzte. Laut Angaben sendete der Pilot die Information, dass zwei der Triebwerke ausfielen. Die Maschine befand sich zu diesem Zeitpunkt über dem Wasser in Richtung London. Demnach konnten die Piloten nicht notlanden und stürzten mitten in den Ärmelkanal. Dem Piloten mache man keine Vorwürfe, es sei technisches Versagen gewesen und eine Chance auf Überlebende gebe es nicht, so der Sprecher der zuständigen Polizei."

Ich brach in einen Heulkrampf aus, der damit endete, dass ich keine Luft mehr bekam, über und über mit roten Flecken bedeckt war und meine Haare mir tränennass im Gesicht klebten. Daraufhin schrie ich das Bild der Nachrichtensprecherin an, welche schon längst beim nächsten Thema war. Ich war wie im Nebel und bekam gar nichts mehr um mich herum mit. Voller Wut schmetterte ich die Fernbedienung gegen den Flachbildfernseher. Doch ich war von meinem Gefühlensausbruch noch so betäubt, dass es mich nicht interessierte als ich den Fernseher damit kaputt machte. Stattdessen rannte ich in mein Zimmer. Dort vergrub ich mich in Kissen und Bettdecke und versuchte dem nächsten Heulkrampf standzuhalten.

Ich starre das Bild und den daneben liegenden Blumenkranz an.

Ich hatte mich über mein Handy auf dem Laufenden gehalten, was dieses Thema anbelangte. Alles andere habe ich komplett vernachlässigt. Jedesmal wenn etwas Neues dazu auftauchte, erlitt ich den nächsten Gefühlsausbruch. Auf diesem Wege hatte ich aber auch von der heutigen Trauerfeier erfahren.

Ich gehe in die Hocke und streife mit meinen Fingerspitzen über das Bild des Mannes. Offiziell war er mein Onkel. Aber inoffiziell war er mein aller bester Freund. Wir verstanden uns blind. Aber nicht nur das. Für mich war er viel mehr. Für mich war er der Vater, den ich nie hatte, mein Vorbild und mein Lehrer.
Kurz gesagt: Er war die wichtigste Person in meinem Leben.

Doch jetzt ist er nicht mehr neben mir. Er ist fortgegangen und das auf die unschönste Art, die es, meiner Meinung nach, gibt.

Wie konnte man einen so gutherzigen, großartigen und liebenswerten Menschen, wie mein Onkel es war, einfach so mit dem Flugzeug abstürzen lassen. Er durfte noch nicht sterben, ich brauchte ihn doch noch. Ihn, mit seinen ganzen Sprüchen, welche mich so nervten, aber welche ich gleichzeitig auch so liebte, hatte man auf diese Art und Weise um sein Begräbnis gebracht. Er lag nun tot irgendwo auf dem Meeresboden und alles was bleibt, sind die Erinnerungen an ihn. Man würde für sie ein Denkmal aufstellen, damit wir Angehörige einen Ort zum trauern haben. Als ob das reichen würde.

Diese Art von Tod ist die Unpersönlichste, die ich mir vorstellen kann. Es gibt noch nicht mal eine Leiche, die ich begraben konnte. Niemand würde sich die Mühe machen, nach den Menschen zu suchen, die ihres Lebens beraubt wurden.

"Ich hoffe, dass du die Glocken hörst, wo auch immer du bist. Der Lärm der Glocken spiegelt perfekt den Lärm meines Kopfes wieder, auch wenn ich mich so leer fühle. Ich vermisse dich jetzt schon. Ich werde dich ganz oft besuchen kommen und dich auf dem Laufenden halten. Ich kämpfe unseren Kampf alleine weiter. Ich packe das schon irgendwie, ich verspreche es dir und ich werde mich daran halten. Denn wenn ich nicht einmal dies schaffen sollte, wäre ich nicht würdig, dich gekannt zu haben. Ich liebe dich, Onkel. Ich hoffe, du weißt, wie viel du mir bedeutest und wie schwer es für mich sein wird, dich los und fortgehen zu lassen. Gib mir bitte die Zeit dafür. Ich werde dich irgendwann, in vielen hoffentlich glücklichen Jahren, dort drüben wieder treffen, aber bis dahin: Ruhe in Frieden!"

All diese Worten fielen aus meinem Mund, so wie die Tränen aus meinen Augen. Ich flüstere sie in den absolut stillen Raum. Geräuschlos sitze ich vollkommen allein vor dem Bild meines Onkels und weine stumm vor mich hin. Eine gefühlte Ewigkeit verbringe ich an dieser Stelle, ehe meine Tränen versiegen, ich aufstehe, nach hause fahre und mich direkt wieder ins Bett lege.

Mein Körper fühlt sich so kraftlos an, dass er sich darüber freut, die vertraute weiche Decke zu spüren. Sofort fielen mir die Augen zu.
Das Einschlafen viel mir überraschend leicht.

Ich bin froh darüber. Morgen wird noch schwer genug. Doch erstmal muss ich diese Nacht überstehen. Sie sollte sich als anstrengender herausstellen, als ich zuerst dachte.

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Hey

Das ist meine erste Geschichte, die ich schreibe.
Deshalb würde ich mich freuen, wenn ihr mir eure Meinung mitteilt, damit ich mich verbessern kann.

Ich freue mich über jede Art der Kritik.

Ich hoffe es hat euch gefallen! :)

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