~ UNGEWÖHNLICHER VERBÜNDETER ~
Der nächste Tag begann weiß, im wahrsten Sinne des Wortes. Als ich die Augen geöffnet hab, war der Raum um mich herum weiß.
Irgendwann hab ich dann auch mal verstanden, dass ich anscheinend im Krankenhaus am Bett meines Stiefvaters eingeschlafen bin.
Schnell setze ich mich auf und nicht nur das Ziehen in meinem Nacken bestätigt die Annahme.
Mein Stiefvater saß auf seinem Bett und lächelte mich an.
"Schön das du wach bist. Du musst auch gleich zur Schule."
Ich brauchte einem Moment, bis ich verstand, was er von mir wollte. Erschrocken riss ich die Augen auf und kramte mein Handy aus der Hosentasche: 7:34 Uhr.
Falls es überhaupt möglich war, wurden meine Augen noch größer. Wie ein verschrecktes Huhn rannte ich im Zimmer hin und her und versuchte so schnell wie möglich, mich für die Schule fertig zu machen.
Um viertel vor stürmte ich mit den Worten: "Nach der Schule komm ich wieder!" aus dem Zimmer von Patrick und machte mich auf den Weg zur Schule.
Dort angekommen, laufe ich als aller erstes zum Büro des Direktors, da mir klar ist, dass ich sowieso zu ihm beordert worden wäre.
Nachdem ich geklopft habee, trete ich ein und staune nicht schlecht. Ich bin noch nie beim Direktor gewesen, habe mir sein Büro aber auch komplett anders vorgestellt. Es ist groß, hell und freundlich eingerichtet. Überall stehen Pflanzen herum und hängen Bilder von Schülern, richtigen Künstlern oder der Familie des Direktors. Der große Schreibtisch steht vor einem noch größerem Fenster. Es fällt so viel Sonnenlicht hindurch, dass man gar nicht mehr das Gefühl hat, man habe ein Dach über dem Kopf.
"Ich komme."
Erst diese zwei Wörter holen mich aus dem Staunen zurück und machen mich gleichzeitig auf einen kleinen Durchgang zum Sekretariat aufmerksam. Etwas nervös behalte ich den Blick auf dem Durchgang und warte darauf, dass unser Direktor kommt.
Nach einer gefühlten halben Stunde, auch wenn es wahrscheinlich nur wenige Sekunden waren, kommt er endlich ins Büro. Er wirkt gestresst, lächelt aber, sobald er mich erkennt.
"Schön, dass du da bist. So muss ich dich nicht extra aus dem Unterricht holen."
Ich nicke nur schwach. Zu mehr bin ich zur Zeit nicht fähig.
"Aber die Tatsache, dass du von selbst her kamst, lässt mich darauf schließen, dass du zumindest weißt, was du falsch gemacht hast."
"Ja, weiß ich", meine Stimme zittert. "Und ich bin hier, um ihnen zu erklären, warum ich das getan habe. Allerdings werde ich mich dafür nicht entschuldigen." Je länger ich spreche, desto kräftiger und bestimmender wird meine Stimme, denn ich hatte meinen Entschluss gefasst.
"Na, da bin ich aber gespannt. Setz' dich."
Ich gehorche.
"Dann schieß mal los."
Wieder befolge ich seine Aufforderung und beginne zu erzählen. Ich berichte von allem, meiner Mutter, meinem Stiefvater, meinem Onkel, meiner Familie, meiner Zukunft und dem Grund für den gestrigen Regelverstoß. Auch wenn vieles gar nichts damit zu tun hatte, tat es gut, alles losgeworden zu sein. Ich hatte in meinem Direktor einen guten Zuhörer gefunden.
Er unterbrach mich kein einziges Mal, wartete geduldig, bis ich weiter sprach, wenn ich weinen musste und zeigte großes Mitgefühl und Verständnis für meine Situation. Wahrscheinlich weil er ein Außenstehender ist, viel es mir so leicht ihm alles zu erzählen.
Ich verbrachte die gesamte erste Stunde im Büro des Direktors. Natürlich sprachen wir zuerst über mein Problem und suchten gemeinsam nach einer Art Lösung oder zumindest einer Hilfestellung von Schule aus. Doch irgendwann schweifte die Unterhaltung ab und später diskutierten wir darüber, wo man den besten Kakao kaufen könne.
Mit dem beruhigenden Gefühl, dass ich eine Anlaufstelle für Notfälle gefunden hatte, mache ich mich auf den Weg zur zweiten Stunde.
In der Klasse lasse ich mich neben eine verdutzt dreinschauende Grace fallen.
"Ich dachte schon, du ziehst heute, nach deinem Abgang gestern, den Kopf ein und verkriechst dich lieber unter deiner Bettdecke, anstatt zur Schule zu kommen.", begrüßt sie mich.
"Dir auch einen wunderschönen guten Morgen, meine liebste Grace.", ärgere ich zurück und füge nach einer Kunstpause hinzu: "Du glaubst gar nicht, wie gerne ich in meinem Bett geschlafen hätte. Nicht das ich mich dort verkriechen wollte, sondern einfach, weil es so saubequem gewesen wäre. Mein Nacken tut noch immer weh." Um meine Aussage noch zu verstärken, massiere ich mir kurz den Nacken.
"Wo warst du denn, wenn du noch nicht mal in deinem eigenen Bett gepennt hast?"
"Ich hab im Sitzen an einem Krankenhausbett übernachtet."
Mit großen Augen starrt Grace mich an. Schnell hat sie sich aber wieder gefangen und meint verschmitzt: "Naja, so unbequem scheint es ja gar nicht gewesen zu sein. Immerhin bist du eine ganze Stunde zu spät in der Schule. Ausgerechnet du, die die noch nie in der Schule gefehlt hat und sogar mit 40 Grad Fieber noch im Klassenzimmer sitzt. Also erwarte jetzt nicht von mir, dass ich dir die Story mit dem Krankenhaus abkaufe. Also, wo warst du wirklich?"
Jetzt bin ich diejenige, die starrt. Die Stimme von Grace war so bestimmt, wie ich sie selten gehört habe. Sie hat zu einhundert Prozent klar gemacht, dass sie keine Lust darauf hat, von mir verarscht zu werden.
"Okay ist ja schon gut", versuche ich sie zu beschwichtigen. Dann beginne ich mit einer Kurzfassung der Geschichte.
"Also, zuerst mal stimmt es, das ich am Krankenhausbett übernachtet habe, denn Patrick hatte wieder einen Anfall. Und um das klarzustellen, ich bin nicht zu spät in der Schule gewesen, denn ich war schon beim Direktor und wir haben bereits alles geklärt. Ich bin also nur zu spät zum Unterricht aber pünktlich in der Schule", sage ich schief grinsend.
Natürlich war Grace als meine beste Freundin in alles, was mich und meine Familie betrifft, eingeweiht und man sah ihr sofort das schlechte Gewissen an, das sie bekam, während ich sprach.
"Oh mein Gott Freya, das tut mir so leid! Ich bin so eine dumme Nuss. Das ich das mit Patrick vergessen habe... Ich habe wirklich ein schreckliches Gedächtnis! Als deine beste Freundin hätte ich das wiss..."
Schnell unterbreche ich sie in den ganzen Selbstvorwürfen, die sie sich da machte: "Hör zu, Grace. Du bist die aller beste Freundin, die es nur geben kann. Jeder vergisst mal etwas, dass ihn nicht direkt betrifft. Also hör auf, so eine Fluntsch zu ziehen, Lachen steht dir eh viel besser. Okay?"
Schnell verwandelt sich Grace' getrübtes Gesicht in ein strahlendes und automatisch muss ich mit grinsen.
"Okay, dann erzähl mal was der Direktor gesagt hat. Musst du eine Strafe absitzen? Oder bist du wegen der Situation nochmal davon gekommen?", aufgeregt rutscht Grace auf ihrem Stuhl an die Vorderkante und lehnt sich gespannt zu mir herüber. Man sieht ihr an der Nasenspitze an, dass sie noch tausend weitere Fragen hat, und nicht mehr weit davon entfernt ist, vor Neugierde zu platzen.
Ich muss über ihr Verhalten schmunzeln und grinse in Gedanken an das vergangene Gespräch mit dem Direktor noch breiter.
"Sagen wir es mal so. Ich weiß wohin wir gehen müssen, um gleichzeitig die neuesten Informationen auszutauschen und den angeblich besten Kakao zu trinken."
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DreamTeams Are Made - Not Born
Teen FictionFreya Pearson Ein wohlhabendes Mädchen. Eine sehr gute Schülerin. Ein klares Ziel vor Augen: den Chefsessel des Familienunternehmens "Magna" übernehmen. Doch alles, was auf den ersten Blick nahezu perfekt durchgeplant erscheint, hat auch einen Hak...