2: Montag, 02. September

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~ ALBTRAUM: FRÜHSTÜCKSROUTINE ~


"AAHH!!"

Zum fünften Mal diese Nacht schrecke ich schreiend und schweißgebadet hoch. Es wundert mich ehrlich, dass ich noch niemanden geweckt habe.

Seufzend verlasse ich mein Zimmer und laufe in die Küche. Ich mache mir einen Kakao in der Mikrowelle heiß.

Es ist immer der gleiche Traum aber irgendwie auch nicht. Ich träumte von meinem Onkel. Im Traum stellte ich mir jedesmal die letzten Minuten vor dem Flugzeugabsturz vor. Wie hatte mein Onkel sich verhalten? Hatte er Angst? Wusste er das er innerhalb der nächsten Minuten sterben würde?

Ich mache mir zu viele Gedanken. Aber ich kann nicht anders.

Ich schaue auf die Küchenuhr: 4:09 Uhr leuchten mir die neongelben Ziffern entgegen. "Eindeutig nicht meine Uhrzeit.", sage ich in die Stille hinein. Leise schleiche ich zurück in mein Bett.

Als um halb sechs morgens unsere beiden Hausmädchen kommen, hatte ich nach weiteren drei Albträumen bereits das Schlafen aufgegeben. So stehe ich komplett zurecht gemacht in der Küche und wende gerade den Bacon in der Pfanne.

"Hmmm... Was riecht hier denn so gut?", fragt Letitzia während sie ihre Straßenschuhe gegen bequemere Hausschuhe eintauscht.

"Ich dachte, ich mach zur Abwechslung mal euch das Essen.", erkläre ich und setze schnell mein bestes Fake-Lächeln auf. Ich hoffe bloß, dass sie es mir abkaufen.

Doch Letitzia und Francesca strahlen mich normal an und drücken mich beide herzlich zur Begrüßung.

"Was machen die beiden anderen Herrschaften?", richtet Letitzia wieder das Wort an mich.

"Beide in ihren Badezimmern", ist meine knappe Antwort, da Francesca mich gerade darauf hingewiesen hatte, dass mein Rührei dabei ist anzubrennen.

"Essen ist fertig!", rufe ich durchs Haus und kurz darauf flitzen zwei blonde Köpfe in die Küche. Unwillkürlich muss ich schmunzeln. Schnell geselle ich mich dazu und genieße das ruhige nur leider viel zu kurze Frühstück mit meiner Familie.

Heute ist der erste Schultag nach den langen Sommerferien und so schicke ich meine Geschwister gleich nach dem Essen los, ihre Schultaschen zu holen. Die Zeit nutze ich, um Francesca und Letitzia alles wichtige mitzuteilen. Danach fahren wir zur Schule.

Ich bin dieses Jahr schon in der zwölften Klasse und meine Geschwister gehen in die Achte.
Das beinhaltet aber, dass wir in unterschiedliche Teile des Gebäudekomplexes müssen.

Ich sehe den beiden nach und wieder einmal stelle ich fest, wie verschieden aber auch wie ähnlich sie sich sind.

Jackson und Abigail sind Zwillinge. Ein eineiiges Zwillingspärchen, um genau zu sein. Doch es gibt nur wenige Gemeinsamkeiten. Beispiele sind die platinblonden Haare, der Sinn für Gerechtigkeit und ihre Hilfsbereitschaft. Eigentlich ist das dann auch schon wieder alles. Ich schmunzele und drehe mich mit einem erstaunlich guten Gefühl meinem Eingang zu.

Am Schwarzen Brett hängen die neuen Klassenlisten und ein Stundenplan für jeden Schüler liegt auf einem kleinen Tisch dadrunter. Schnell suche ich meinen Namen auf der Liste. Danach greife ich den Stundenplan meiner neuen Klasse.

Wie sich herausstellt, gehöre ich zur 12c und habe montags morgens als erstes Englisch bei meinem Klassenlehrer Herrn Grug.

Beim Betreten des Raumes fällt mein Blick auf ein Mädchen, das am Fenster steht. Sie hat kastanienbraune Haare, die ihr bis zur Mitte des Rückens gehen.

Sie dreht sich gerade vom Fenster weg und unsere Blicke treffen sich.

"Das gibt's doch nicht!", rufe ich und laufe auf sie zu.
Auch das Mädchen macht lächelnd ein paar Schritte auf mich zu und schließt mich in eine innige Umarmung.

Jedoch muss ich die Begrüßung unterbrechen und drehe das Mädchen an den Schultern um. Nun steht sie mit ihrem Rücken zu mir und ich fahre langsam mit meinen Fingern über ihre Haare.

"Meine liebe Grace Conelly...", fange ich an.
"Ja?", fragt Grace vorsichtig nach als ich nicht weiterspreche.

"Ich kenne dich jetzt, seit wir beide 2 Jahre alt waren. Und in diesen sechzehn Jahren, in denen du meine beste Freundin bist, habe ich dich noch nie mit so kurzen Haaren gesehen. Was ist denn passiert, dass du sie hast abschneiden lassen? Und diese Farbe... oh mein Gott, der Braunrot-Ton steht dir ja mal mega gut.", brabbele ich alle meine Gedanken gleichzeitig aus.

"Jetzt mach mal langsam.", lacht Grace und fängt daraufhin endlich an zu erzählen. "Meine langen Haare gingen mir langsam auf die Nerven. Immer dieses Zopf binden und dann ständig die gleiche Frisur zu haben, wurde echt ätzend. Deshalb hab ich sie abgeschnitten. Und die Farbe war eigentlich nur, weil ich den jungen Friseur so süß fand und einen Vorwand brauchte, um ihn nochmal zu sehen. Wir haben sogar Nummern getauscht. Nur leider war das in meinem Urlaub auf Island und deshalb werde ich ihn wohl so schnell nicht wiedersehen."

Ich höre der Erzählung meiner besten und einzigen Freundin aufmerksam zu und, nachdem sie geendet hat, seufze ich mit ihr mit.
Es tut mir leid für sie. Endlich mag sie mal einen Jungen und jetzt lebt er auf Island und ist nur in den Ferien zu erreichen, wenn überhaupt.

Doch ehe ich antworten kann, kommt Herr Grug und wir müssen uns auf unsere Plätze setzen. Zwar sitzen Grace und ich natürlich nebeneinander, aber gleich in der ersten Stunde im Unterricht zu quatschen, trauen selbst wir uns nicht. Somit muss das dringende Gespräch wohl oder übel auf die Pause verschoben werden.

"Nun erzähl schon!", drängele ich und hüpfe vor Grace auf und ab.
Dies tue ich so lange, bis sie ergeben seufzt und schließlich doch beginnt, von ihrem Urlaub zu erzählen: "Also..."

Wie sich herausstellte heißt der ominöse Friseur-Junge Hayden Cox und ist laut Grace etwa einen Kopf größer als sie. Zudem beschreibt sie ihn als unglaublich charmant und zuvorkommend. Seine blonden strubbeligen Haare verglich sie mit der Sonne und das leuchtende grün seiner Augen mit dem Farbton von neuen Blättern der Eiche im Frühling.
Ja, sie schwärmte wirklich in den höchsten Tönen von ihm und das soll schon was heißen. Grace hatte es wohl das erste Mal so richtig erwischt. Sie war eindeutig bis weit über beide Ohren in diesen Hayden Cox verknallt.

Ich lächele vor mich hin und schließe die Haustür auf.

Schnell informiere ich mich bei Letitzia, ob irgendetwas Vorgefallen ist, doch sie verneint und auf die gleiche Frage hin schüttelt auch Francesca den Kopf.
Also gehe ich in mein Zimmer und beschäftige mich mit dem Bewerbungs- und dem Motivationsschreiben, die ich bis Mittwoch Abend abgegeben haben muss. Es lenkt mich von meinen traurigen Gedanken ab. Zum Glück kann ich die Arbeit heute beenden und komme pünktlich zum Abendessen in die Küche.

Anschließend lege ich mich direkt ins Bett. Aber ich kann noch lange nicht einschlafen. All die Gedanken an meinen Onkel kommen zurück. Dabei habe ich all das gerade so schön mit Hilfe von Grace verdrängen können. Jetzt kommt alles wieder zurück und macht das Einschlafen unmöglich.
Genervt drehe ich mich auf die andere Seite und starre stur geradeaus in die Dunkelheit. Ich werde wohl die ganze Nacht wach liegen.

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