First Blood

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Als er das Mädchen mit den durchdringenden, grünen Augen das erste Mal sah wusste er sofort, dass sie wichtig war. Mindestens so wichtig wie er selbst, wenn nicht sogar noch wichtiger. Sie trug ihr langes schwarzes Haar offen. Sie trug ein schwarzes Top,schwarze Jeans und schwarze Stiefel mit Absätzen. Das einzige Merkmal was sie als Nicht-Zivilistin auswies war die Glock 18 an ihrem Gürtel.

Er selbst trug sein langes blondes Haar offen, hatte ein schwarzes Meshuggah-Shirt an, dunkelblaue Jeans und schwarze Wanderschuhe mit Stahlkappen. Auch er war mit einer G18 bewaffnet. Mit anderen Worten: sie beide waren die Einzigen auf dem gesamten Militärstützpunkt die weder Tarnkleidung, noch Kampfweste anhatten. Dafür konnte es nur einen Grund geben: sie war wichtig, verdammt wichtig, ach was, scheiße wichtig. Genau wie er es war.

War das der Grund warum es zwei Containerhäuser gab, obwohl nur seines bis jetzt besetzt war? Hatte die Führung gewusst, dass das Mädchen nachkommen würde? Und wenn ja, warum wusste er nichts davon? Das waren die Fragen die er sich stellte, schließlich war er neugierig und musste seinen natürlichen detektivischen Spürsinn an irgendetwas auslassen, egal wie sinnlos es war. Und weil er so neugierig war, entschloss er sich, auf das unbekannte Mädchen zuzugehen.

Bereits als er noch etwa 25 Meter von ihr entfernt war konnte er ihr Gesicht erkennen. Sie guckte eher neutral, fast gelangweilt, doch ihre Augen versprachen Schmerzen. Allgemein hatte sie eine grausame Ausstrahlung, die er sich nicht erklären konnte, denn sie sah eher schwach aus, ihre Haut so blass, dass er fürchtete, er könne durchsehen. Dünn war sie auch, sie konnte nicht mehr als 45 Kilogramm wiegen. Dennoch machte sie ihm ein wenig Angst, und das beunruhigte ihn dann doch etwas, denn er hatte nie Angst. Er hatte eine Spinnenphobie und war ein wenig paranoid, aber wirkliche Angst hatte er so gut wie nie. Das mag unter anderem an seinen Fähigkeiten gelegen haben, aber er war auch einfach nicht der Typ dafür.

Er lehnte sich neben ihr an die H-Barriere, welche die Abgrenzung zum Schießplatz bildete. Ohne sich zu ihm umzudrehen sagte das Mädchen mit sanfter Stimme:

„Ich schätze es nicht, angestarrt zu werden." Er hatte nicht damit gerechnet, dass sie ihn sofort ansprechen würde, daher dauerte es eine Weile bis er antwortete.

„Und ich schätze es nicht, wenn man mir vorenthält, dass es noch welche von meiner Sorte gibt."

„Von deiner Sorte?", fragte sie mit einem spöttischen Unterton. „Ich seh es dir doch an.", kam seine Antwort, „Du bist nicht so gekleidet wie man es von einer Ring-Breaker-Schützin erwarten würde. Du siehst auch nicht aus als würdest du die körperlichen Vorraussetzungen erfüllen, die ein normaler Mensch für diesen Job bräuchte. Bei dieser Operation gibt es nur eine andere Person die sich genau so verhält wie du es tust, und das bin ich. Folglich gibt es nur eine Erklärung, du bist - genau wie ich - kein normaler Mensch. Richtig?" Das Mädchen begann zu grinsen.

„Richtig. Bist ganz schön aufmerksam." Er zuckte mit den Schultern.

„Wär schlecht wenn ich es nicht wäre, oder? Wie heißt du überhaupt?" Ihr Grinsen wurde noch breiter. „Kannst mich Nightray nennen. Callsign ist Mistress." Jetzt fing er an zu grinsen.

„Ich höre auf den Namen Soul. Callsign Nazgul. Ich vermute mal, da du hier bist hast du ähnliche übermenschliche Fähigkeiten wie meine Wenigkeit?" In ihre Augen kam ein grausames Funkeln.

„Und wie ich die habe."

„Darf man auch fragen welche das wären? Würde mich mal interessieren ob du auch..."

Soul hörte einen Knall, als er plötzlich rückwärts durch die Luft geschleudert wurde. Er merkte, dass Blut aus seiner Nase spritzte. Seine rechte Schulter schrammte über den harten Boden, doch anstatt gebremst zu werden überschlug er sich. Als er erneut aufschlug versuchte er mit einer Rückwärtsrolle wieder auf die Beine zu kommen, doch er war immer noch zu schnell, und er überschlug sich erneut. Dann wurde ihm weiß vor Augen, sein Kopf schwamm und er heulte auf vor Schmerzen. Seine Nase war gebrochen. Sein Schlüsselbein ebenfalls. Er merkte, dass er sich nicht mehr bewegte. Ein Teil seiner Rippen bohrte sich in seine Seite. Er schmeckte Blut.

Als er wieder einen klaren Gedanken fassen konnte schaltete er die Schmerzen ab. Sofort fing er wieder an zu atmen. Er merkte wie seine Knochen sich wieder zusammensetzten, und er wusste, dass er jetzt vor Schmerzen in Ohnmacht gefallen wäre, hätte er sie nicht abgestellt. John O' Callahan kam mit erhobener Waffe angestürmt und zielte auf Nightray.

„Was hast du mit ihm gemacht?!" „Ich?", fragte sie unschuldig. „Gar nichts."

„John, ist schon okay.", kam es vom Boden aus, „Du solltest mittlerweile wissen wie schwer es ist mich ernsthaft zu verletzen."

„Tut mir leid, Boss. Sie sind ganz schön weit geflogen."

„Ich hab dir doch gesagt, dass du mich nicht Boss nennen sollst." Soul stand auf und wandte sich an Nightray, die weiterhin unschuldig dreinblickte.

Das", sagte er, „hat wehgetan." Sie fing wieder an zu grinsen.

„Willst du noch mehr, oder reicht das?" Jetzt war er an der Reihe zu grinsen.

„Und wie ich noch mehr will.", erwiderte er spöttisch, „Aber nicht hier. Zu viele Unschuldige die ins Kreuzfeuer geraten könnten."

„Dann lass uns doch n Stückchen weiter rausgehen. Oder willst du das volle Ausmaß meiner Kräfte nicht sehen?"

„Gute Idee. John?" „Ja, Bo... Soul?" „Sag den Leuten, dass sie sich nicht erschrecken sollen, wenn sie Explosionen und Schreie hören. Ich glaub' das könnte lustig werden." Er drehte sich wieder zu Nightray um.

„Wollen wir?", sagte er und streckte die Hand aus. Sie ignorierte die Hand und ging voraus. Er beeilte sich, hinterher zu kommen.

„Darf ich dich Ray nennen?" „Klar." „Also gut. Wie hast du das gerade gemacht?" Sie zog die Augenbrauen hoch. „Was gemacht?" „Du weißt schon, mich durch die Luft geschleudert und so."

„Ach so, das." Sie zuckte mit den Schultern und sagte mit absoluter Unschuldsmiene:„Ich hab zugeschlagen." „Hast 'ne ganz schöne Kelle." „Ich weiß." Erst jetzt realisierte Soul, dass der Knall, den er gehört hatte, das Geräusch war, was ihre Faust beim Durchbrechen der Schallmauer gemacht hatte. Er konnte von Glück sagen, dass sein Kopf nicht sauber vom Rest seines Körpers getrennt worden war. Nicht,dass ihn das aufgehalten hätte. Er war verdammt schwer zu töten.

Soul'stroyerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt