Genießt ihr die Geschichte bis jetzt? War sie so, wie ihr sie erwartet hattet, oder konnte ich euch doch überraschen? Fandet ihr es traurig, dass ich keine Freunde hatte? Hattet ihr Mitleid mit mir, als ich auf der Party bloßgestellt wurde? Habt ihr begonnen, Sympathie für mich zu empfinden? Nur um dann brutal vor den Kopf gestoßen zu werden? Ich gebe zu, ich selbst hörte nach diesem Ereignis auf, Mitleid oder Sympathie mit mir zu empfinden. Ich hasste mich beinahe so sehr, wie ich meine Kräfte hasste. Aber wie sagt man so schön? Man gewöhnt sich an alles. Nach diesem absoluten Fiasko zog ich mich von der Öffentlichkeit zurück. Die Polizei, so blind und nutzlos sie auch in manchen Superheldenfilmen dargestellt wird, stellte die Verbindung zwischen dem Mord und mir her. Die Zivilbevölkerung war erschüttert. Ihr ganz eigener Held, Flaming Flanders, sollte nun ein Bösewicht sein? Jeder wollte darüber reden, jeder musste seinen Senf dazugeben. Ich selbst bekam nur immer wieder mal was davon mit, durch Radio oder Fernsehberichte an Raststätten, an denen ich hielt. Ich fuhr und fuhr, weit weg von meiner Heimatstadt, ziellos, getrieben. Zwischendurch musste ich einmal das Auto wechseln, da mich jemand erkannt hatte, aber sonst gab es keine Zwischenfälle. Am Anfang versuchten die meisten Leute noch, mich zu verteidigen. Das ich das nicht gewesen sein könnte. Ein Superheld würde nicht seine eigene Familie töten. Doch nicht ihr Flaming Flanders. Irgendwann schlug die Stimmung aber um. Plötzlich war ich eine Gefahr, eine Bedrohung. Ein Monster. Sie nannten mich nur noch den Zerstörer. Zuerst tat es weh. Doch mit der Zeit gefiel mir dieser Titel und das, was damit einherging. Der Zerstörer muss sich an keine Regeln halten. Er zerstört. Einige Monate versuchte ich noch, meine Kräfte nicht zu benutzen. Aber die Flammen in mir leckten an meinen Fingerspitzen, flüsterten mir süße Dinge zu, die ich mit ihnen anstellen könnte. Sie gierten danach, benutzt zu werden. Ich habe versucht, sie mit Training milde zu stimmen. Doch es nützte alles nichts. Sie hatten Blut geleckt, und wollten immer mehr. Ich blieb ungefähr ein Jahr lang stark, während der Hype um mich und mein plötzliches Dasein als Bösewicht langsam abflaute. Ein Jahr lang widerstand ich der Versuchung. Doch länger schaffte ich es einfach nicht. Es war unmöglich, das Feuer noch länger zu zähmen. Es machte mich verrückt. Und schlussendlich kontrollierte es mich. Ich suchte mir eine kleine Stadt irgendwo im Nirgendwo. Selbst, wenn sie mich einmal im Fernsehen gesehen hatten, erkannten sie mich nicht wieder. Meinen Namen hatte ich natürlich auch geändert. Mittlerweile wusste ich, wie man professionellen Kreditkartenbetrug beging, und so war es ein Leichtes, ein Haus zu erwerben. Ich achtete darauf, dass es ein Haus mit ausgeklügeltem Kellersystem war, so dass ich dort meine Basis aufbauen konnte. Meinen Stil änderte ich grundlegend; da ich vermute, dass die Polizei diese Memoiren auch irgendwann als Teil ihrer Ermittlung lesen wird, sage ich nicht, wie genau. Alles, was ich euch verrate, ist folgendes: Ich habe die Brille abgelegt und mich in meinem Leben noch nie so frei und anders gefühlt. Ich selbst erkannte mich beinahe nicht im Spiegel. Ich suchte mir einen Job als Kellner in dem einzigen Diner der Stadt und freundete mich mit den Leuten an. Ich ließ natürlich niemanden nah genug an mich heran, um sie wirklich kennenzulernen, aber darum ging es nicht. Sie sollten mich nur mögen. Mir vertrauen. Ich lernte die Namen zu den Gesichtern und irgendwann auch die Stammbestellungen zu den Namen. Und mein Plan ging auf. Niemand schöpfte Verdacht. Ich wurde in die Gemeinschaft aufgenommen. Ich baute meine Basis immer weiter aus, mit technischen Neuerungen, Gadgets, die von Batman stammen könnten, und einer Tür aus massivstem Stahl, die niemand ohne den richtigen Code überwinden konnte. Nach außen hin sah mein Haus aus wie jedes andere in der Stadt. Die Fassade bröckelte, doch ansonsten war es gut in Schuss. Die Räume waren sauber, aber unaufgeräumt, so wie es sich für einen aufstrebenden jungen Erwachsenen in meinem Alter gehörte. Die Tür zum Keller war gut versteckt. Mein Plan war perfekt. Das einzige, das mir Probleme bereitete, war ein Anzug für mich. Feuerfest, aber trotzdem nicht klobig. Ich musste zehn verschiedene Auftragsschneidereien aufsuchen, bis jemand sich bereit erklärte, gegen einen immensen Aufpreis einen solchen Anzug herzustellen. Und, was soll ich sagen? Er ist ebenfalls perfekt. Er ist schwarz und enganliegend, an den richtigen Stellen verstärkt, absolut feuerfest und gleichzeitig bewegungsfreundlich. Die Maske dazu ist ebenfalls schwarz und verdeckt den Großteil meines Gesichts. Warum nicht rot, fragt ihr, wo doch Feuer meine Kraft ist? Das war mir dann doch ein zu großes Klischee. Die Maske erscheint euch auch überflüssig, wo die Welt meinen Namen und das Gesicht dazu schon kennt? Sie kennt mein altes Aussehen, aber nicht das neue. Und so zogen zwei ganze Jahre ins Land, seit ich mich in der Stadt niedergelassen habe, bis mein Plan endlich vollendet war. Was uns zu diesem Moment führt.
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Das Abenteuer des Jack Flanders
AbenteuerJack Flanders ist 16 Jahre alt, Streber und sterbenslangweilig. Alles an ihm, angefangen von seinem Namen bis hin zu seinem Aussehen, ist stinknormal. Bis sich eines Tages alles verändert. Klingt wie jede andere Geschichte über irgendeinen besondere...