11. Chaos pur

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Noch immer fassungslos darüber, dass Amber meine Zimmergenossin ist, suche ich nach dem Schrank, in dem sich die Bettbezüge befinden sollen. Plötzlich höre ich einen dumpfen Aufprall und ich renne wie von der Tarantel gestochen in die Richtung, aus der dieser gekommen ist. Nicht dass sich jemand verletzt hat!
Als ich dort ankomme entdecke ich gleichzeitig die Bettbezüge, nur sind diese überall auf dem Boden verstreut. Unter ein paar sitzt ein deutlich wutentbrennender Castiel, ein Stück weiter hinter ihm steht Armin. "Hey, Lisa", begrüßt er mich mit einem leichten Winken und sieht daraufhin wieder den Rotschopf an.
"Hallo ... Was ist passiert?"
"Dieser Idiot konnte nicht aufpassen, als er hierher gelaufen ist!", klagt Castiel, während er sich aufrafft und Armin einen tödlichen Blick widmet. Dieser gibt bloß Handbewegungen nach unten zurück, die Castiel aber alles andere als dazu bringen sich zu beruhigen.
Armin rechtfertigt sich mir gegenüber, als wäre ich in der Lage dazu, ihm irgendeine Strafe aufzusetzen, falls dem nicht so ist: "Ich habe mich bereits entschuldigt!"
Ich kann mir ein Kichern über diese Situation nicht länger verkneifen, in welches die Jungs aber nicht einstimmen. Dennoch scheint es Wirkung bei Castiel zu zeigen, da seine Mimik nicht mehr so finster ausschaut, wie noch vor ein paar Sekunden. Nun beugt er sich runter und fängt an die Bettbezüge wieder aufzusammeln. Armin und ich helfen ihm dabei. "Wie findet ihr die Zimmer?", versuche ich ein Gespräch anzufangen. Okay, es mag nicht das originellste Thema sein, dennoch finde ich es besser darüber zu sprechen, als Stille beizubehalten. Armin bekennt sich: "Okay, du?" Castiel hingegen beginnt zu schmunzeln. Verdutzt sehe ich ihn an, während ich die Bettbezüge weiter auf meinen linken Arm staple. "Was ist so lustig?"
"Ein kläglicher Versuch mit uns zu sprechen!"
Ich kann nicht anders als zu erröten, da ich mich ertappt fühle. Damit er es nicht sieht schnappe ich mir eines der Kissenbezüge und klatsche es ihm abrupt ins Gesicht. Das Lachen vergeht ihm noch in der selben Sekunde. "Idiot", lache nun ich. Armin steht mit beladenen Armen auf und packt die Sachen zurück in den Schrank, in dem sie, bevor sie rausgefallen sind, gelegen haben. "Wie konnte überhaupt so viel auf den Boden gelangen?", erkundige ich mich neugierig.
"Castiel ist gegen den Schrank gestoßen, als ich in ihn rein gelaufen bin."
Der Rothaarige gibt keinen weiteren Kommentar dazu ab und schnappt sich jeweils ein Bettlaken, einen Bettdeckenbezug und ein Kissenbezug. Ich mache es ihm gleich, nachdem ich meine Ladung abgelegt habe und Armin ebenfalls. "In welche Richtung müsst ihr? Links oder rechts?"
"Ich muss nach rechts", antwortet Armin.
"Und ich nach links."
"Ich muss auch nach links!" Ich lächle Castiel leicht an.
Der Gamer verabschiedet sich: "Dann bis später."
"Du scheinst dich darüber aber zu freuen", flüstert Castiel mir zu und grinst verschmitzt.
"Pah, nur weil ich dich angelächelt habe?"
"Ich glaube das drückt mehr aus, als dir lieb ist."
"Du bist wirklich unglaublich!" Ich schüttle leicht lachend mit dem Kopf und gehe voran, in unsere Richtung.
"Welches Zimmer teilst du dir mit dem Teufel?"
"Nummer 114 ..."
"Du bist das erste Mal wirklich zu bemitleiden."
"Danke." Obwohl ich mir nicht sicher bin, dass ein Dank für seinen Satz angebracht ist. "Und du dir mit Lysander?"
"116. Das ist gleich nebenan von euch."
"Oh, das ist ja lustig! Ich habe euch Zwei vorhin gar nicht gesehen, als wir nach unserem Zimmer gesucht haben."
"Dann warst du wohl zu langsam!"
"Normal, wenn einem selbst die Arbeit überlassen ist ..."
"Hast du auch Ambers Koffer hinter dir her gezogen?"
"Nein?! Soweit kommt es noch!"
"Dann lass dich auch bei so kleinen Dingen nicht von ihr herumkommandieren."
Auch wenn ich keinem Befehl von ihr gefolgt bin, sondern viel mehr wusste, dass sie sowieso keine Hilfe darstellt, hat Castiel recht. Ich darf auf keinen Fall nach ihrer Nase tanzen, egal worum es in dieser Woche gehen wird. Ich drücke die Bettbezüge ein wenig näher an meinen Körper, damit sie nicht wieder auf den dunkelrot gefärbten Teppichboden des Flures treffen müssen.
"Wenn du aber die Nase voll von der hast, Kleine, weißt du wo du mich du mich findest. Lysander hat sicher auch nichts dagegen, wenn du zu uns kommst."
So lieb dieses Angebot auch gemeint ist, wäre Nathaniel mit Sicherheit stinksauer, wenn er erfährt, dass ich auf Castiels Zimmer meine Zeit verbringe. Im schlimmsten Fall sogar dort einschlafe, wenn es bereits spät ist. Nathaniels Toleranzvermögen ist nichts, was man bemängeln muss, doch bei Castiel hört der Spaß einfach auf. "Danke", erwidere  ich nur, mit einem sanften Lächeln. Er lächelt zurück und beginnt seinen Schlüssel raus zu kramen.
"Ist Lysander nicht auf dem Zimmer?"
"Nein, er ist sich ein wenig umschauen gegangen."
Es wundert mich ein kleinwenig, dass Castiel freiwillig alleine losgezogen ist, um die Bezüge zu holen. Andererseits will ich ihm nicht immer etwas unterstellen. Schließlich weiß ich ja, dass er ein wirklich lieber Mensch zu denjenigen ist, die er mag. Er hätte nicht jedem angeboten rüberzukommen, wenn Amber mal wieder am nerven ist. Nachdem er fündig geworden ist, öffnet er seine Zimmertür und schlägt mir vor: "Soll ich dir gleich das ganze Zeug mal abnehmen? Du siehst so schon zu klein für diese Aufgabe aus."
"Ach, nein. Das geht schon."
"Sei nicht stur ..." Er wirft alles auf das Bett, vor dem sein schwarzer Metallkoffer steht, und kommt folglich wieder zu mir zurück. Ohne mich noch ein weiteres Wort aussprechen zu lassen nimmt er mir die Bettbezüge ab und sieht mich zunächst noch ernst an, bis sich seine Mundwinkel dann wieder ein wenig anheben. "Ich mag es zwar, dass du so engstirnig bist aber manchmal ist es auch echt anstrengend", gesteht er, mit einem immer breiter werdenden Grinsen auf den Lippen. Ungewollt werde ich wieder ein bisschen rot und gehe auf die Tür zu, die mit einer fettgedruckten 114 verziert ist. Ich klopfe an und warte dass Amber sie endlich öffnet. "Jaja", höre ich sie klagen, als sie sich der Türklinke nähert. Sie schaut mich genervt an, als sie mich erblickt, doch als sie Castiel hinter mir stehen sieht, beginnt sie auf der Stelle mit der Hand durch ihre blonden, lockigen Haare zu streifen, als würde sie jeden Moment fotografiert werden und müsste aufgrund dessen noch einmal schnell alles richten, was es zu richten gibt. "Oh, Castiel", sagt sie mit einer lieblichen Stimme, der voll und ganz Unschuld zugesprochen werden könnte. Sie lehnt sich an den Türrahmen an. "Mit dir habe ich ja gar nicht gerechnet!"
"Hallo."
"Willst du dich hier etwa ein bisschen mit mir umsehen?"
"Nein. Nicht wirklich."
"Was ist es denn dann, was du von mir willst?"
"Nichts. Ich will bloß Lisa helfen", seufzt er diesmal genervt. "Da manch andere Personen sich zu fein dafür sind, sich um ihr eigenes Bettzeug zu kümmern."
"Ja, sowas kann ich auch echt überhaupt nicht verstehen!"
"Ahja", antworten Castiel und ich synchron darauf. Die Ironie ist kaum besser rauszuhören, doch Amber ist praktisch taub für sowas.
"Lisa wollte unbedingt alleine losziehen, obwohl ich ihr immer wieder meine Hilfe angeboten habe", beteuert sie kräftig. Ich muss zugeben dass sie wirklich nicht schlecht darin ist. Das muss ihren Bruder schon in so einige Schwierigkeiten gebracht haben.
"Na klar." Castiel tippt mich mit einem seiner Finger auf der rechten Schulter an, sodass ich mich leicht zu ihm umdrehe. Er beugt sich ein Stück zu mir runter und flüstert mir ins Ohr: "Das Angebot steht jederzeit. Ich habe schon nach nicht mal einer Minute genug von ihr."
Ich schmunzle über seine Worte, was Amber rein gar nicht gefällt. Wenn ihre Blicke töten könnten, wäre es jetzt bestimmt das einhundertzwanzigste Mal, dass mein Leben ein Ende nimmt. Mindestens. "Was hast du ihr gesagt?!", fragt sie direkt eingeschnappt.
"Ist doch egal", lenkt er ab und bahnt sich den Weg an ihr vorbei in unser Zimmer. Ich sehe wie er nach links und rechts zwischen unseren Betten hersieht, um vermutlich zu schauen, wem welches gehört, bis er dann alles auf meinem Bett ablässt. Er geht wieder auf uns zu, während er die Hände in seinen Lederjackentaschen verstaut. "Bis dann", verabschiedet er sich, sieht aber dabei nur mich an. Ich sehe noch seine Silhouette an mir vorbeiziehen, ehe ich meinen Blick wieder auf Amber ausrichte.  "Halt dich verdammt nochmal von ihm fern", zischt sie bedrohlich und geht als Erste zurück in unser Zimmer.

So zu tun, als ob | Sweet Amoris - Nathaniel FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt