19 | Zweisamkeit mit dir

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2.001 Wörter

Am nächsten Morgen hat Roy Frühschicht in der Tankstelle, sodass Joan mich zur Kletterhalle fährt und ich noch ein wenig Zeit habe, mir zu überlegen, wie ich reagiere, wenn er mich nach Feierabend abholt.

Dieser Gedanke schwebt den gesamten Tag in meinem Kopf herum und bereitet mir leichtes Kopfzerbrechen, denn es steht ja nicht nur zur Frage, wie ich mich verhalten soll, sondern auch wie er es wird.

Wird er versuchen die Situation durch Späße aufzulockern? Oder wird er ernst sein? Wird er so tun als wäre nichts passiert? Oder wird er sich entschuldigen?

Gleichwohl weiß ich, dass er selbiges bereits gestern Abend versucht hat, ich ihn jedoch, beschämt wie ich war und durch meine Tage um einiges sensibler, rüde zurückgewiesen habe.

Und dadurch, dass ich ihn so grob zurückgewiesen habe, weiß ich auch, dass ich den Abend am Ende selbst ruiniert habe, nicht er. Hätte ich nicht so empfindlich auf Roys Spruch reagiert - denn das habe ich ohne Zweifel -, wäre das Date sicherlich schöner ausgeklungen.

Aber es ist nicht nur der Umstand unseres Streits, der mir Kopfschmerzen bereitet, sondern auch die immer noch peinliche Tatsache, dass ich seinen Sitz beschmiert habe.

Ich will nicht gleich neben ihm in seinem Auto sitzen müssen, während ich meine Tage habe und damit die Situation von gestern hervorrufen, denn ich weiß dann ganz genau, an was er als erstes denken wird. An was jeder dann als erstes denken würde.

Und bei diesem Gedanken hoffe ich fast, dass er einen der anderen schicken wird, um mich abzuholen.

Als ich Feierabend habe, steht noch kein Auto draußen auf dem Parkplatz und ich lehne mich rechts neben dem Eingang an die Hauswand, checke kurz meine Nachrichten, ob ich heute die U-Bahn nehmen muss, weil keiner der Jungs oder Mädels Zeit hat, mich abzuholen. Ein Umstand, der mich keinesfalls stören würde. Ich habe jedoch keine SMS, was mich darauf schließen lässt, dass Roy sich wohl einfach verspätet. Das ist zwar neu für mich, ich verbiete mir jedoch den Gedanken, es könnte mit gestern Abend zusammenhängen.

Roy geht mir nicht aus dem Weg. Und wenn er es doch tun würde, würde er jemand anderen schicken und nicht zu spät kommen. Also wird er einfach irgendwo im Stau stecken.

»Wirst du abgeholt?« Ich blicke von meinem Handy auf, als Matthew durch die große Eingangstür nach draußen tritt und auf mich zugeschlendert kommt.

»Ja, er müsste gleich kommen«, antworte ich lächelnd.

»Meinst du den blonden Typen?« Matthew pustet sich eine seiner braunen Zottelsträhnen aus der Stirn. Machen das nicht sonst nur Frauen?, denke ich grinsend. Seine Aufmerksamkeit überrascht mich jedoch und ich ziehe kess eine Augenbraue in die Höhe.

»Ja. Woher weißt du denn, wer mich abholt?«

Abwehrend hebt er die Hände in die Höhe und grinst ebenfalls. »Nicht das, was du jetzt denkst.«

Ich lache. »Was denke ich denn?«

»Dass ich dich beobachtet hätte.« Das habe ich tatsächlich gedacht. »Habe ich aber nicht.«

»Ach nein?« Ich verkneife es mir neckend zu grinsen. Für mich sind diese Gesten kein Flirten, für andere aber schon, wie ich in jüngerer Zeit gelernt habe. Und flirten will ich mit Matthew keineswegs.

»Nein.« Schmunzelnd schüttelt er den Kopf. »Ich habe - «

»Annie?« Ich zucke bei der mir inzwischen so vertrauten Stimme kurz zusammen und fühle mich ein wenig ertappt. Dabei habe ich nichts Verbotenes getan, sondern einfach nur ein bisschen mit Matthew gelacht.

Linkshänder küssen besser ✔Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt