2 | Von Heimweh, WG-Angeboten und blutsaugenden Insekten ✔

9.4K 707 279
                                    

4.141 Wörter

Tags darauf, am Sonntagmittag, meldet Roy sich und gibt mir am Telefon die Dienstzeiten für meine ersten beiden Arbeitswochen durch.

»Das war es eigentlich auch schon«, sagt er zum Schluss. »Am Dienstag wirst du meine Schicht ablösen, am Abend komme ich allerdings nochmal vorbei und schließe ab, denn du hast ja noch keinen Schlüssel. Den gebe ich dir dann, damit du am Mittwochmorgen aufschließen kannst.«

Verwirrt ziehe ich meine Stirn kraus. Warum gibt er mir den Schlüssel denn nicht schon, wenn ich ihn am Nachmittag ablöse? Doch dann zucke ich bloß mit den Schultern. Er wird schon seine Gründe haben.

»Am Nachmittag nehme ich den Schlüssel dann wieder entgegen und Freitag ist es dasselbe Spiel wie dienstags.«

Obwohl mich seine Vorgehensweise irritiert, lasse ich es mir nicht anmerken und verabschiede mich von ihm. »Okay, alles klar. Dann bis Dienstag.«

»Bis Dienstag«.

***

In Top und kurzer Hose und mit meiner kleinen Handtasche über der Schulter öffne ich die Tür meines Wohnmobils und trete nach draußen auf den Parkplatz. Augenblicklich spüre ich die Luftverbesserung und atme tief durch.. Ich weiß nicht, wie ich es seit Freitag im Wohnmobil aushalte, ohne wie Butter zu zerfließen. Irgendwie schaffe ich es - unter Entbehrung von sehr viel Schlaf.

Trotz des Schlafmangels war ich in den letzten Tagen nicht untätig. Aber leider ist meine Jobsuche bis jetzt genauso erfolglos wie vor zwei Tagen. Bei meinen anderen Haltestationen auf diesem Trip habe ich auch oft viele Geschäfte abklappern müssen, bis ich endlich irgendwo eine Zusage bekommen habe, aber in der gesamten Zeit hat es sich nicht einmal so schwierig gestaltet wie jetzt. Ausgerechnet jetzt, wo ich einen zweiten Job so dringend bräuchte.

Frustriert fahre ich mir durch die offenen Haare, die mir wegen der Hitze bereits im Nacken kleben. Kurzerhand binde ich sie mit einem Zopfgummi zu einem unordentlichen Dutt zusammen. Dann drehe ich mich zum Wohnmobil um und fasse einen Entschluss. Statt mich mit neuen Jobangeboten zu plagen, werde ich heute die Stadt erkunden.

Ich krame meinen Schlüssel aus der Tasche,, schließe ab und laufe ohne konkretes Ziel vom Parkplatz. Ich werde mich einfach von meinen Füßen leiten lassen, in der Hoffnung später zum Wohnmobil zurückzufinden. Zur Sicherheit speichere ich den Standort.

Die Innenstadt ist wunderschön. Ich liebe die meterhohen, gläsernen Gebäude und genieße das Großstadtgefühl. Leider muss ich bald feststellen, dass mir zum Besuch der meisten Sehenswürdigkeiten jedoch das Geld fehlt. Zuerst versuche ich, mir davon nicht die Freude rauben zu lassen, aber nach einer Zeit macht es keinen Spaß mehr, nur die Außenfassade zu betrachten, während hunderte andere ein- und ausgehen.

Frustriert setze ich mich in einem Park auf eine Bank, nicht weit vom Dallas World Aquarium entfernt, das ich zusammen mit den Texas Discovery Gardens so gerne sehen würde. Auf der Bank ziehe ich mein Handy aus der Tasche und fange an, eine Liste mit Dingen zu erstellen, die ich besuchen werde, sobald das Klimaanlagenproblem behoben ist. Als ich damit fertig bin, entdecke ich in zwanzig Metern Entfernung einen kleinen Eiswagen und weil ich so frustriert bin, beschließe ich, mir eine Kugel zu gönnen. Nur heute und nur ausnahmsweise.

Mit der Waffel und der Kugel Meloneneis in der Hand laufe ich noch ein bisschen durch Dallas, schreibe Sehenswürdigkeiten auf, hole mir, als ich das Knurren meines Magens nicht mehr ignorieren kann, einen Pastrami Bagel und gehe abends zurück zu meinem Wohnmobil. Vielleicht habe ich heute nicht das erlebt, was ich gerne wollte, aber der Tag war nicht umsonst.

Im Wohnmobil ist es immer noch furchtbar stickig, obwohl die Sonne inzwischen hinter dem großen Baum steht, unter dem ich mein Wohnmobil geparkt habe, und es deshalb im Schatten liegt. Um für ein bisschen frische Luft zu sorgen, lasse ich die Tür offen und öffne auch noch die Fenster an der Seite. Dann betrachte ich meine Schultern vor dem mannhohen Spiegel, der an der Badezimmertür hängt. Sie sind zwar nicht krebsrot, aber ich hätte mich definitiv mehr im Schatten aufhalten sollen. Aus dem Kühlschrank nehme ich meine After-Sun-Creme und trage sie rasch auf die verbrannten Stellen auf.

Linkshänder küssen besser ✔Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt