25 | Schroff und unterkühlt

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2.356 Worte

Die nächsten zwanzig Minuten bilden meine Gedanken nur einen einzigen Satz. ›Du bist unglaublich dumm!‹ Mein Gewissen schlägt so heftig, dass mir erst viel zu spät auffällt, dass Roy keinen Schlüssel für das Wohnmobil hat.

Vor lauter Frustration stoße ich beinahe einen Schrei aus, kann mich aber im letzten Moment beherrschen und ernte keine seltsamen Blicke von vorbeilaufenden Passanten. Stattdessen greife ich schnell zu meinem Handy und tippe eine Nachricht an ihn, die ich, kurz bevor ich sie abschicke, doch wieder lösche.

Nein! Nein, wenn ich ihm jetzt nur eine Nachricht schicke, dann macht das alles noch schlimmer. Dann glaubt er, dass ich feige bin. Oder noch schlimmer, dass mir die Angelegenheit zu unwichtig ist, um sie persönlich mit ihm zu besprechen.

Völlig am Ende und ziellos laufe ich durch den kleinen Ort, überlege wie ich das bloß wieder geradebiegen kann und bringe den Hund wesentlich früher als geplant wieder zurück zu Miss Eliot, die mich etwas erbost anschaut und fragt, ob ich meinen Job nicht mehr ernst nehmen würde.

Weil mir der Kopf aber ganz woanders steht, höre ich nur mit halbem Ohr zu und nehme am Ende ihrer kleinen Schimpftirade mein Geld mit der Verwarnung entgegen, dass sie sich bei weiteren Unverlässigkeiten jemand anderes suchen wird. Im Moment könnte mir aber nichts egaler sein. Einen Job finde ich hier garantiert überall, aber jemanden wie Roy nicht.

Ein Gedanke überfällt mich und Panik lodert in mir auf. Was ist, wenn er nach Hause geflogen ist? Sein Koffer ist zwar noch bei mir, aber darin sind keine wichtigen Dinge. Er könnte mich einfach bitten, sie ihm nach Hause zu schicken.

Ein Blick auf mein Handy zeigt mir, dass ich noch gut fünfundvierzig Minuten habe, bis ich im Café antanzen muss. Hektisch renne ich zum Campingplatz und versuche schon von Weitem zu erspähen, ob Roy am Wohnmobil steht und wartet. Die Erkenntnis, dass er das nicht tut, macht mich fertig. Um mich zu beruhigen, wähle ich seine Nummer, aber es geht nur die Mailbox dran.

Verzweifelt fahre ich mir zum wiederholten Male an diesem Tag durch die Haare, die inzwischen schon ganz zerzaust aussehen müssen, und verziehe besorgt das Gesicht. Wo kann er bloß sein? Hoffentlich macht er nichts Dummes.

In dem Moment tritt Robin zusammen mit ihrem Freund händchenhaltend hinter der Hecke, die unsere Parkbuchten voneinander trennt, hervor und ihr Gesicht erhellt sich freudig, als sie mich erblickt. Dann bemerkt sie die Verzweiflung, die ich ausstrahle.

»Hey, was ist los? Ist irgendetwas mit deinem Wohnmobil passiert?«

Bedrückt schüttle ich den Kopf.

»Was denn dann?«

Bevor ich überlegen kann, ob ihr überhaupt erzählen möchte, was passiert ist, sind die Worte schon über meine Lippen gerutscht. »Ich habe mich mit meinem Freund gestritten.«

Irritiert sieht Robin mich an, da sie ja seit gestern weiß, dass ich eine Fernbeziehung führe, und sich sicherlich wundert, warum ich wie ein geprügelter Hund vor meinem Wohnmobil stehe. »Wie? Gerade?«

Ich nicke wieder, unfähig irgendetwas anderes zu sagen. Und dann bricht alles aus mir heraus und ich fange an zu weinen, schlage die Hände vors Gesicht. »Er wollte mich überraschen. Gestern ist er angekommen und gerade eben haben wir uns auf's Heftigste gestritten und jetzt ist er weg. Er geht nicht an sein Handy und ich habe Angst, dass er wieder nach Hause geflogen sein könnte.« Von meinen Gefühlsausbruch selbst überrascht zucke ich kurz zusammen, als ich Robins Hand an meinem Oberarm spüre.

»Hey, ich kenne deinen Freund nicht, aber ich bin mir sicher, dass er nicht einfach abhauen würde. Ich weiß nicht, wie heftig euer Streit wirklich war, aber vielleicht braucht er jetzt ein bisschen Zeit für sich, um wieder runterzukommen, und am Ende merkt er, dass alles doch gar nicht so schlimm ist, wie es scheint.« Sanft streicht sie meinen Arm hoch und runter. Zu gerne würde ich ihren Worten Glauben schenken, aber sie weiß ja nicht, was ich gesagt habe, wie gemein meine Worte waren.

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