>Part 2<

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Während der Fahrt hatte ich nichts gesagt und auch der Polizist blieb still. Vor einem großen Wohnblock hielt er dann und half mir aus dem Wagen. Fast zwanzig Minuten hatten wir gebraucht und hatten auf dem Weg viele zerstörte Häuser gesehen, meist Geschäfte. Polizei, Krankenwagen und Feuerwehr waren ununterbrochen mit Sirenen in der ganzen Stadt zu hören. Noch immer war ich fassungslos, wir waren offensichtlich angegriffen worden.

Im Fahrstuhl lief eine Schreckliche Melodie und ließ mich denken, wie grotesk das alles doch war, am einen Ende der Stadt Kämpften Menschen ums überleben oder hatten diesen Kampf verloren und hier lief diese Dudelmusik, als sei nichts gewesen. Es drehte sich einfach alles weiter. Zwei mal hatte ich kurz zur Seite gesehen, er musste etwa in meinem Alter sein und schien müde, ausgelaugt. Kein Wunder so wie es sich anhörte, waren es unglaublich viele Anschläge auf einmal gewesen. Die Rettungskräfte hatten jetzt sicher alle Hände voll zu tun und wegen mir konnte er jetzt nicht anderen helfen.

Im 12. Stock ging die Tür auf und ein langer hell beleuchteter Flur lag vor uns. An der dritten Tür auf der rechten Seite blieb der Polizist stehen. "Ich war nicht auf einen Gast eingestellt, gib mir einen Moment alles vorzubereiten." Damit öffnete er seine Tür und bat mich herein. Alles war ganz in weiß gehalten und doch ganz nett eingerichtet. Ich folgte ihm bis ins Wohnzimmer wo er mich bat, mich aufs Sofa zu setzen während er alles her richten wollte.

"Ich habe natürlich keine Kleidung für dich, aber ich denke eine Freizeithose und ein Shirt von mir tun auch ihren Dienst", rief er mir aus einem anderen Raum zu. Ich sah die Fernbedienung und plötzlich wollte ich genau wissen was eigentlich los war in unserem Land, was gerade vor sich ging, während ich hier auf dem Sofa eines fremden Polizisten saß.

Das Licht des Fernsehers leuchtete auf und die Nachrichtensprecherin berichtete geschockt von den Ereignissen des Tages. Offensichtlich waren 12 Städte in ganz Japan angegriffen worden und dort mehrere Gebäude durch Selbstmordattentäter gesprengt worden. Meine ganze Aufmerksamkeit war auf den Fernseher gerichtet, sodass ich nicht mit bekam, dass sich der junge Polizist neben mich gesetzt hatte.

"Du solltest dir das nicht ansehen." Ich senkte meinen Blick. "Warum nicht? Für mich und meine Familie ist alles zu spät, sollte ich nicht wissen wer uns das angetan hat?" Er brummte leise etwas unverständliches und stand dann wieder auf. "Bist du vegetarierin oder sowas? Ich bestell ne Pizza, du musst was Essen." Ich wusste, dass er sicher darauf bestehen würde, das ich etwas aß. "Pizza ist ok."

Nachdem er beim Pizzaservice angerufen hatte, kam er wieder zum Sofa und hielt mir das Telefon hin. "Versuch noch mal deine Familie zu erreichen." Ich wählte die Nummer meiner Mutter und wieder kam nur ein Besetztzeichen. "Nagut, hier Handtücher und Wechselkleidung, da vorn ist das Bad." Ich wusste nicht wie viele Stunden vergangen waren, aber mir wurde klar, dass ich wohl voller Blut und Dreck war. Eigentlich war es mir egal, aber er kümmerte sich um mich, obwohl er das nicht musste also wollte ich nicht undankbar sein, nickte nur stumm und betrat das Bad.

Auch unter meinem T-Shirt und der kurzen Jeans waren Splitter in meine Haut gedrungen, die ich selbst so gut wie möglich entfernte. Unter dem warmen Wasser der Dusche, brannte jedoch jede noch so kleine Wunde wie Feuer. Was hatten Sie wohl gefühlt? Was hatten Sie gedacht als sie starben? Hatten Sie leiden müssen? Die Gedanken daran ließen mich verzweifeln. Der Schock ließ langsam nach und all die Gefühle wollten auf einmal aus mir heraus. Ich weinte und schrie bis ich letztendlich an der Wand der Dusche hinabsank.

Erst als es an der Tür läutete, wachte ich aus meiner Starre auf. Kurze Zeit später klopfte es an der Badtür. "Hey, ist....naja bist du Okay?" Er war offensichtlich besorgt also Antwortete ich knapp mit Ja und trat dann aus der Dusche. Seine Kleidung war mir natürlich etwas zu groß, er war wesentlich größer und trainierter als ich, aber ich fühlte mich nun sauber. Auch der Ausbruch hatte mir etwas geholfen.

Im Wohnzimmer standen zwei Pizzakartons auf dem Tisch und noch immer lief der Fernseher, jedoch hatte er einen Film eingeschaltet. Als er mich hörte, drehte er sich zu mir und sah mir in die Augen. "Ich hoffe Schinken war ok und passt die Kleidung wenigstens etwas?" Nun lächelte ich ganz vorsichtig. "Danke, für alles, sie müssten das nicht tun." Während ich stur auf den Fernseher sah, hielt er mir ein Stück Pizza vor die Nase. "Du solltest jetzt wirklich etwas Essen."

Ein Blick auf die Wanduhr verriet mir, dass es bereits neun Uhr Abends war, langsam wurde ich müde. Doch irgend wie konnte ich doch jetzt nicht einfach schlafen, während, naja während überall im Land die Menschen so litten. Auch meine Schwiegereltern waren sicher noch völlig ausser sich. Sollte ich sie nicht anrufen? Aber was sollte ich sagen? Ich konnte es nicht, Ihnen unter die Augen treten. Sie hatten gerade ihren einzigen Sohn und ihren Enkel verloren.

"Wenn du schlafen willst, das Gästezimmer ist das erste Links." Doch ich schüttelte entschieden den Kopf. "Ich kann nicht, ich kann nicht einfach so schlafen gehen als sei gar nichts passiert." Dann brach ich wieder in Tränen aus, schluchzte leise vor mich hin. Sichtlich überfordert mit der Situation stand er auf und kam kurz darauf mit einer Packung Eis, zwei Löffeln und Sahne zurück.

"Nimm es mir nicht übel, aber ich hab keine Ahnung wie ich dir helfen soll." Ich nahm ihm einfach einen der Löffel ab und starrte an die Wand. "Es tut mir leid, dass Sie wegen mir so viele Umstände haben. Sie müssen müde sein, schlafen Sie ruhig." Die große Packung Eis tauchte vor meiner Nase auf und ich nahm mir sofort etwas mit meinem Löffel. "Bitte hör auf mich zu Siezen, wir müssten im selben alter sein und du machst keine Umstände. Wir müssen in solchen Zeiten zusammenhalten findest du nicht?"

Er hatte mich wirklich leicht zum lächeln gebracht. "Ja da hast du vermutlich recht, ich bin Yuna." Auch er lächelte leicht. "Ich heisse Kota." Im Fernsehen schrie gerade eine Frau auf, weil ein Killer sie durch das ganze Haus verfolgte, mein Blick fiel auf das Gerät, dann wurde ich plötzlich unglaublich müde und innerhalb weniger Minuten war ich eingeschlafen.

Einmal Abgrund und zurückWo Geschichten leben. Entdecke jetzt