>Part 14<

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Ich schnappte mir den Schlüssel von Kota's Kombi und fuhr los. Wenn niemand anderes mehr da war musste ich eben selbst dem Jungen helfen. Er war ganz allein. Die Fahrt dorthin kam mir wie eine Ewigkeit vor, überall Trümmer. Die Feuerwehr, Krankenwagen und Polizei. Schreiende Kinder und Mütter, wie in einem Kriegsgebiet. Erst jetzt wurde mir klar, dass ich selbst vor gar nicht langer Zeit auf der anderen Seite stand und begann schrecklich zu zittern, doch dann dachte ich wieder an diesen kleinen Jungen, dem ich versprach zu helfen. Also riss ich mich zusammen und gab mehr Gas.

Endlich bog ich in die Straße ein und sah schon dass von ihm beschriebene Gebäude, vollkommen zerstört. Das Wasser floß aus Zerstörten Leitungen und Elektroleitungen hingen aus der Fassada. Es war ein Wohnkomplex gewesen mit vermutlich mehr als 20 Wohnungen, doch nun war er nur noch Schutt und Asche. Ich sprang aus dem Wagen, schnappte mir den Verbandskasten und eine Flasche Wasser, die ich aus dem Revier mit genommen hatte und rannte los. Einen Eingang zu finden, war gar nicht so leicht, doch schon bald hörte ich das arme Kind wimmern und nach Hilfe schreien. Ich musste mich durch einige kleine Öffnungen zwängen und ziemlich weit rein in die Trümmer doch dann fand ich ihn.

Der kleine saß wirklich direkt neben einer offensichtlich toten Frau und hielt ihre Hand. "Bist du die Frau, mit der ich telefoniert habe?" "Ja kleiner die bin ich. Hab keine Angst." Er ließ die Hand seiner Mutter los und versuchte mir entgegen zu kommen, doch er schien Probleme mit dem Bein zu haben. "Bleib da, ich komm zu dir. Wie heisst du eigentlich?" "Ich bin Aiko und wer bist du?" Ich sagte ihm meinen Namen und das ich für die Polizei arbeite. "Hör mal Aiko, lass uns erst mal nach sehen und dann versuchen wir hier raus zu kommen, ja?" Es dauerte einen Moment bis er mich an den schmerzenden Fuss ließ und dann sah ich die Misere. Das Bein war definitiv gebrochen, wie sollte ich es schaffen ihn so hier raus zu bekommen? Ich hatte es ja kaum allein bis hier her geschafft. Ausserdem weinte er immer wieder los wenn ich davon sprach weg zu gehen, weil er seine Mutter nicht zurück lassen wollte.

Noch bevor ich ihn überreden konnte, bebte der Boden und über uns krachte es gewaltig. Ein Teil der Decke kam weiter runter, schützend stellte ich mich zu dem kleinen und hoffte, dass wir nun nicht komplett begraben werden. Der Staub legte sich und Trümmer beruhigten sich, doch der Ausgang war versperrt worden. Was hatte ich da nur getan? Ich beruhigte Aiko so gut es ging und deckte seine Mutter mit meiner Jacke ab, damit ihm dieser Anblick jetzt erspart blieb. Ich versuchte es zu verbergen, doch wir waren gerade in einer Lebensbedrohlichen Situation gefangen und das solangssam die Dunkelheit herein brach, machte es nicht besser.

Seit 6 Stunden saßen wir bereits fest und es wurde immer kälter. Der kleine litt bereits an unterkühlung und Hunger und auch ich wurde immer schwächer. Aber wer sollte uns schon zu Hilfe kommen? Ich hatte auf der Dienststelle niemandem bescheid gesagt und völlig übereilt aufgebrochen. Die Einsatzkräfte von Polizei, Krankenhäusern und Feuerwehr war völlig überlastet gewesen. Wir waren auf uns gestellt. Ich dachte an den Abend im Restaurant zurück, was meine letzten Worte an meine Familie waren. "Das Essen müsste gleich kommen, kommt setzt euch." Wie gern hätte ich Ihnen gesagt, dass ich sie liebe. Das ich jeden noch so kleinen Augenblick mit Ihnen im Herzen behalten werde und das ich nie wieder so glücklich werden würde, wie mit Ihnen.

Während ich darüber nachdanke, begann ich in einen Schlaf abzudriften, den kleinen Aiko ganz nah bei mir, damit er nicht ganz auskühlte. In meinem Traum sah ich meinen Mann und meinen Sohn. Wir waren auf dem Kirschblütenfest und sahen das Feuerwerk, als mein Mann plötzlich ganz nah an meinem Ohr war. "Yuna, wach auf, er braucht dich." Ich sah ihn verwirrt an doch er war verschwunden, nur noch einmal hallte seine Stimme leise in meinem Kopf wieder. "Er braucht dich, wach auf." Erschrocken riss ich die Augen auf und sah einen Schatten vor mir. "Yuna, komm schon wach auf, der kleine er braucht deine Hilfe." Ich blinzelte einmal und erkannte durch ein winziges Loch schräg über uns Kota der mit einer Taschenlampe Licht in den kleinen Hohlraum brachte in dem wir uns befanden.

Noch eine Sekunde brauchte ich ihn zu verstehen, dann sah ich runter auf den kleinen. Er war Eiskalt und Atmete nur noch schwach. Vorsichtig hob ich ihn hoch und hielt ihn zitternd Kota entgegen, der ihn dann langsam durch den winzigen Zugang nach draussen zog. Dann übergab er ihn an jemand anderen und leuchtete erneut zu mir. "Hör zu kleine, halt durch. Wir machen jetz den Eingang größer dann sind wir bei dir, ja?" Doch ich konnte nicht mehr Antworten. Ich war so müde und driftete erneut in die Traumwelt ab. Wieder stand ich da und sah hinauf zum Feuerwerk, doch dieses Mal nahm mein Sohn meine Hand. "Ich danke dir Mama, das du ihm geholfen hast. Aber weisst du, du musst jetzt gehen und leben. Wir warten hier auf dich und irgend wann sehen wir uns das Feuerwerk gemeinsam an, ja?"

Wieder rief jemand nach mir. "Yuna. Wach auf. Komm schon." Doch so sehr ich mich auch anstrengte ich konnte die Augen nicht öffnen, ich war einfach zu schwach. "Ich kann dich nicht auch noch verlieren, verdammt. Wach auf." Wieder versuchte ich es und endlich begann ich Licht und Schatten zu sehen. "Makoto sie lebt, sie wird wach." Ich atmete tief ein und aus und begann die Wärme um mich herum zu spüren. "Alles wird wieder gut, kleines. Was hast du dir denn dabei gedacht?" Ich lächelte Kota vorsichtig entgegen als ich sagte: "Ich konnte meinem Sohn nicht helfen, aber dem kleinen Aiko, dem konnte ich helfen." Dann gab ich dem drang nach, lang und ausgiebig zu schlafen. Nur Kota's Stimme hörte ich noch leise: "So verdammt Stur dieses Weib, aber gerade dafür liebe ich dich."

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⏰ Letzte Aktualisierung: Oct 19, 2016 ⏰

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