>Part 4<

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Auch in dieser Nacht war ich auf dem Sofa eingeschlafen, doch dieses mal hatte auch mein Gastgeber hier übernachtet, denn bis in die späte Nacht hatten wir die Nachrichten weiter verfolgt. Ich stand auf und ging ins Bad, im Spiegel sah ich eine junge Frau von 28 Jahren die müde und krank wirkte. Ja ich hatte nicht viel gegessen, seit dem mein Leben ein Trümmerhaufen war. Wir waren gerade so richtig glücklich gewesen, mein Sohn sollte bald zur Schule gehen, mein Mann hatte seine Ausbildung erfolgreich abgeschlossen und wurde von einer erfolgreichen Firma übernommen, nächsten Monat wollten wir uns ein Haus ansehen.

Um das zu Feiern waren wir im Restaurant gewesen, hatten uns gerade etwas bestellt, als mein Sohn zur Toilette wollte. Natürlich hatte mein Mann ihn begleitet und als sie zurück kamen, trafen sie auf dem Weg meine Schwiegereltern. Diese hatten sich verspätet, ich rief Ihnen gerade zu, dass das Essen jede Sekunde da sein musste, als plötzlich ein Mann das Restaurant betrat. Er fiel mir auf, weil er komplett vermummt war und nur eine Sekunde später ertönte ein unglaublicher Knall. Alles um mich herum wurde schwarz, als ich wieder wach wurde saß ich in den Trümmern des eben noch so edlen Ladens.

Während diese Erinnerungen wieder wach wurden begann ich zu weinen und krümmte mich auf dem Boden. Kein klarer Gedanke war mehr möglich, ich weinte und weinte immer weiter, mein Körper war schon eiskalt vom Fliesenboden im Bad. Das Zittern wurde immer stärker dennoch wäre ich fast vor erschöpfung eingeschlafen, als ich plötzlich hoch gehoben wurde. Mit halb geschlossenen Augen sah ich auf und direkt in Kota's Augen. "Du bist eiskalt, bleib ganz ruhig ich bring dich nur ins Gästezimmer ja?" Schwach nickte ich.

Kaum lag ich in dem großen Bett war es mir unangenehm. "Schon wieder mache ich dir nur Ärger, es tut mir wirklich leid." Er seufzte und setzte sich auf die Bettkante. "Hör auf damit, entschuldige dich nicht immer. Es geht dir nicht gut und du versuchst es zu verstecken. Das geht so nicht weiter, ich bin da nicht wirklich hilfreich, vielleicht solltest du....naja mit einem unserer Polizeipsychologen sprechen oder so."

Er hatte zwar recht, es ging mir nicht gut, aber ich wollte nicht darüber sprechen und schon gar nicht mit irgend einem Psychologen. Also schüttelte ich entschieden den Kopf. "Nein ich will und werde nicht darüber reden, morgen mache ich meine Aussage und dann werde ich nie wieder ein Wort darüber verlieren." Jetzt war er es, der den Kopf schüttelte und bevor er ging hörte ich ihn noch leise sagen: "So verdammt Stur das Weib."

Den Rest der Nacht hatte ich ganz gut geschlafen, von anhaltenden Alpträumen abgesehen, wachte jedoch noch immer Müde von der Türklingel auf. Wieder hatte ich einen Moment gebraucht mich zurecht zu finden, es klingelte wieder und ich entschied mich besser mal nach zu sehen. Kaum war ich aus dem Gästezimmer getreten rief Kota aus dem Bad. "Das ist sicher Mako, kannst du ihn bitte reinlassen ich brauch hier noch nen Moment." Also stapfte ich gemütlich zur Tür und ließ den blonden rein, der sichtlich verwundert war, dass ich ihm geöffnet hatte und nicht sein Freund und Kollege.

"Er ist gleich soweit, steht noch unter der Dusche, komm doch rein." Er lächelte mich an und drückte mir dann eine Tasche in die Hand. "Hier meine Freundin hat ein paar Sachen für dich gekauft, da wir Männer bekanntlich keine Ahnung haben." Nun musste ich leise kichern. "Ich danke dir und bitte bedanke dich auch bei deiner Freundin, aber das wäre doch nicht nötig gewesen ich meine, ich weiss nicht wann ich euch das Geld zurück geben kann." Er legte eine Hand auf meinen Kopf und lachte nun lauter. "Das ist schon ok, wirklich sie durfte endlich mal wieder Shoppen, wenn auch nicht nur für sich selbst."

Zusammen hatten wir gefrühstückt und dann fuhr ich mit den beiden zum Revier auf dem ich die Aussage machen sollte. Etwas mulmig war mir schon, denn nun wurde sicher wieder alles aufkommen, all diese Gefühle die ich nicht im Griff hatte. Kota und auch Makoto hatten gefragt ob sie mit rein sollten, doch gerade vor den beiden wollte ich das nicht tun. Sie sollten sich doch nicht noch mehr Sorgen machen.

Fast eine Stunde hatte es gedauert, bis ich endlich entlassen war. Noch sehr angeschlagen und Tränenüberflutet stand ich auf dem Flur, Kota hatte mir gesagt ich sollte auf ihn warten. Die Haupttür des Gebäudes ging auf und ich blinzelte mehrmals, meine Mutter, sie war wirklich hier. Langsam und unsicher ging ich auf sie zu, als sie mich sah begann sie zu weinen. "Mein Kind, es tut mir so schrecklich leid. Ich konnte dich einfach nicht erreichen und es dauerte ein bisschen bis ich herausgefunden habe wo du bist, geht es dir gut?" Doch ich wollte jetzt nicht reden, sondern nur bei ihr sein.

"Ich konnte nichts tun, ich konnte sie nicht beschützen, konnte meinem eigenen Kind nicht helfen Mutter." Wir weinten beide einige Zeit, ein Polizist brachte uns schliesslich in einen etwas abgelegenen Raum, der Flur war wohl kaum der passende Platz für so etwas. Kota war dazu gekommen und hatte ihr erklärt, wo ich die ganze Zeit gewesen war. Meine Mutter sah mich einen Moment seltsam ruhig an. "Yuna, deine Schwiegereltern sie haben die beiden schon Beisetzen lassen. Es tut mir leid dagegen konnte ich nichts tun. Zuhause wartet schon dein altes Zimmer auf dich und ich werde dich natürlich auch keine Sekunde allein lassen, du brauchst uns doch jetzt."

Nun war ich komplett überfordert. Ja ich war froh das sie hier war und eigentlich hatte ich auch zur ihr gewollt, doch das alles wurde mir jetzt zu viel. Ausserdem hatten meine Schwiegereltern, also fast Schwiegereltern, MEINEN Sohn und meinen Verlobten einfach so beigesetzt ohne mich. Völlig Kopflos rannte ich aus dem Raum, aus dem Gebäude über die Straße in den nahegelegenen Park. Erst an einer Parkbank zwischen einigen Bäumen hielt ich an und setzte mich.

Einige Menschen gingen an mir vorbei, die einen blickten Neugierig die anderen Misstrauisch zu mir. Sollten sie doch denken was sie wollten, sollte doch meine Mutter denken was sie wollte, aber ich konnte nicht zu ihr zurück ziehen. Damals war ich aus Gutem Grunde ausgezogen und wie es schien wusste ja schon die ganze Familie bescheid und wartete nur darauf, dass ich wieder zurück kam. Niemals, ich war mir sicher, niemals würde ich zurück gehen.

Erst als die Straßenlaternen aufleuchteten bemerkte ich, wie lang ich doch schon hier saß. Aber das war jetzt auch egal, nur wohin nun? Ich wusste genau wo ich nicht hin wollte, aber wusste ich auch wo hin mein Weg mich nun führte? Nein ich hatte keine Ahnung und so irrte ich eine ganze Zeit lang durch die Stadt. Ob bewusst oder nicht, mein Weg führte mich zum Restaurant mit dessen Zerstörung auch mein ganzes Leben in Schutt und Asche gelegt wurde. Gedankenverloren starrte ich auf die Trümmer.

"Da bist du ja, verdammt ich hab die halbe Stadt nach dir abgesucht." Diese Stimme, langsam drehte ich mich um. "Kota? Was tust du hier?" Er stellte sich neben mich und sah ebenfalls auf das Restaurant. "Deine Mutter hat mir gesagt, dass sie verstanden hat, sie ist ohne dich wieder gefahren. Du sollst dich trotzdem melden wenn du etwas brauchst." Ich nickte leicht. "Wo gehst du jetzt hin? Ich meine zu deiner Familie ganz offensichtlich nicht." Ich zuckte mit den Schultern. "Ich habe keine Ahnung, hab nicht drüber nachgedacht."

Einmal Abgrund und zurückWo Geschichten leben. Entdecke jetzt