>Part 9<

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Ganz vorsichtig drehte ich den Schlüssel herum, trat in den Flur. Alles sah aus wie an jenem Tag. Es war nun über eine Woche her und es musste so einiges erledigt werden. Ich rief verschiedene Ämter an und musste den Tod meiner Familie mitteilen. Immer wieder diese Beileidsbekundungen, immer wieder die Frage nach dem was passiert ist. Es war schrecklich, aber es war nun mal niemand anderes da, der diese Anrufe machen konnte. Dann begann ich damit verdorbene Lebensmittel weg zu werfen, zu putzen und aufzuräumen. Als ich das Zimmer meines Sohnes betrat, stockte ich in meiner Bewegung. Was sollte ich denn mit all den Sachen machen? Spenden, Verkaufen oder doch in Boxen verstauen und aufbewahren? Ich wusste es nicht. Also verschob ich diese Entscheidung auf den nächsten Tag, ging los und hob Geld von unserem Konto ab um Einzukaufen.

Kota würde ich in ein paar Tagen auch Geld vorbeibringen schliesslich hatte ich fast ausschliesslich von seinem Geld gelebt. Das Konto war bis zum Abschlussbericht über den Tod meines Freundes gesperrt worden, so kam ich nicht an Geld und in der Tasche hatte ich damals nur das Geld um das Essen im Restaurant zu bezahlen. Ausserdem wollte ich ihm, Makoto und Kari eine kleinigkeit als Dankeschön geben. Sie hatten mich in dieser schweren Zeit aufgenommen und sich wirklich toll um mich gekümmert. Ich vermisste sie schon jetzt. Nach dem Einkauf legte ich mich auf das Sofa und schlief recht schnell ein, doch auch in dieser Nacht blieb ich keineswegs Alptraum frei. Bereits um acht Uhr morgens stand ich im Baumarkt und Kaufte Farben, Plastikkisten, Müllsäcke und allerhand klein kram. Ich hielt es nicht aus, dass die Wohnung so aussah als würde meine Familie gleich lachend zur Tür rein kommen.

Erst nachdem Ihre Sachen in Kisten und Kartons verstaut waren, die Zimmer neu gestrichen und Bilder von Ihnen aufgehangen waren, setzte ich mich zum ersten Mal an diesem Tag. Sicher wirkte es nach aussen Herzlos aber ich konnte und wollte nicht jeden Tag daran erinnert werden, was mir an diesem Tag genommen worden war. Dann stellte ich noch das Wohnzimmer um und fiel am Ende des Tages total müde auf das Sofa um gleich darauf einzuschlafen. Das klingeln meines Handy's holte mich aus dem Schlaf, ein Blick auf die Uhr verriet mir, dass es erst 22Uhr war. "Ja?" "Kota hier, ich....gehts dir gut? Brauchst du Hilfe?" Etwas schmunzeln musste ich ja schon, er machte sich ganz offensichtlich Sorgen um mich. "Es geht mir gut, Kota. Denkst du ich könnte am Samstag vorbei kommen?" Er war einverstanden, dann redeten wir nur noch kurz belangloses.

Erneut war die Nacht alles andere als erholung gewesen. Ich hatte das Gefühl es wurde schlimmer, seit ich wieder Zuhause war. Zuhause.....es wirkte nicht wie der Ort, der mir einst dieses Wohlfühlfeeling gab. Es war bereits Mittwoch und wieder bewarb ich mich auf den ein oder anderen Job. Bei letzten, einem Nachtclub in einer nicht ganz so schönen Ecke der Stadt, bekam ich dann endlich eine Chance. Ein Vorstellungsgespräch am nächsten Tag. Ich hatte nach der Schule damals gekellnert und hoffte es würde für einen Nachtclub reichen. Nachdem ich mir ein paar passende Kleidungsstücke zurecht gelegt hatte, duschte ich und legte ich dann schlafen. Viel würde ich dort sicher nicht verdienen aber um die Wohnung zu halten und zu leben sollte es mir reichen. Leben. Ich lebe und meine Familie nicht, wie unfair die Welt doch war. Und wieder schlief ich unter Tränen ein, Träumte schlecht um am Morgen wie erschlagen die Hausarbeit zu machen.

Um 22 Uhr war es dann soweit, ich stand im Club und servierte den Gästen Alkohol in rauen Mengen. Die Barkeeper waren nett und zeigten mir alles. Der Chef war zwar rau aber ich musste mich ja auch nicht mit ihm anfreunden, richtig? Um fünf war meine Schicht dann zu Ende und alle waren zufrieden mit mir. Endlich, ein Job. Ausserdem auch noch Nachts, ich hoffte das ich am Tage besser schlafen würde. Doch das stellte sich als falsch heraus. Zumindest an den letzten beiden Tagen war es nicht so gewesen, ich schlief meist bis kurz nach Mittag und wachte dann durch die Träume wieder auf. Endlich war Samstag und ich konnte mich bei Kota und Makoto bedanken. Der Bus brachte mich bis fast vor die Haustür, die letzten Meter bis zum Wohnblock wurde ich immer aufgeregter. Ich war jetzt einige Tage allein gewesen und ungewollt waren meine Helfer und Freunde wieder zu Fremden geworden.

Etwas nervös klingelte ich und musste automatisch lächeln als ein sehr müde aussehnder Kota die Tür öffnete. "Komm doch rein, Mako und Kari sind ebenfalls hier. Ich hoffe das ist ok." "Natürlich ist es das, ich freue mich." In der Küche saßen die beiden schon und wie auf knopfdruck standen beide auf. Kari fiel mir direkt um den Hals. "Wir kennen uns zwar nicht gut aber irgend wie hast du uns allen sehr gefehlt, liebes." Makoto schrie ein "Jepp" dazwischen und während mich Kari so drückte konnte ich die Tränen nur schwer zurück halten. "Ihr habt mir auch gefehlt." Sie hatten doch wirklich Kuchen gekauft, ich wollte mich bedanken und sie kaufen Kuchen. Unglaublich. "Hört zu, ich hab hier ein paar Kleinigkeiten für euch. Natürlich kann ich damit bei weitem nicht gut machen, was ihr für mich getan habt....." Ich überreichte die kleinen Pakete und sah nervös dabei zu, wie die drei sie öffneten.

"Mensch Yuna, das wär doch nicht nötig gewesen." Kari hatte Mako so richtig ins Ohr geschrien und deshalb begann ich herzhaft zu lachen. "Schon gut, ich hoffe sie gefällt dir." Die rede war von einer silbernen Kette mit Anhänger auf dem stand: -Schön, dass es dich gibt, Danke- Makoto hatte einen Gutschein für eine Vollpflege für sein geliebtes Auto bekommen und Kota ein Messer mit seinem Namen, eingraviert. Allen dreien gefiel offenbar was sie bekommen hatten, aber das erhoffte Gefühl blieb bei mir aus. Das schien Kota zu bemerken. "Hör mal, kleine. Wir haben dir nicht geholfen um etwas zurück zu bekommen, sondern weil es in dieser Zeit nötig war und wir würden es wieder tun."

Einmal Abgrund und zurückWo Geschichten leben. Entdecke jetzt