Kapitel 5

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Ich saß auf meinem Bett und starrte wie eine Statue aus meinem Fenster. Die sonst so vollen Bäume mit ihren saftigen grünen Blättern, waren nun kahl und trist. Wie ausgestorben. Durch mein offenes Fenster drang der Geruch von nassen, verbrannten Holz in mein Zimmer und dicke Rauchschwaden zogen vorbei und verdeckten die sonst so klare Sicht. Ich wendete mich vom Fenster ab und starrte Löcher in die Luft.

Nachdem ich Zuhause angekommen war, hatte ich mich direkt in mein Zimmer verzogen, aber nun merkte ich, dass mich das nur noch mehr zum Nachdenken brachte. Ich brauchte Ablenkung. Sollte ich Amber anrufen? Sollte ich ihr mein Problem erzählen? Nein, lieber nicht. Sie würde mich doch sowieso auslachen... Aber wem konnte ich mich dann anvertrauen? Meinem Freund? Der würde mich nicht ernst nehmen und es als Spaß verstehen. Und meine Mom? Naja die würde es mir nicht glauben und mich dann irgendwann in eine Klapse schicken...

Ich vertraute der Stimme in meinem Kopf, die mich meistens vor dem schlimmsten bewahrte und erzählte es niemanden. Somit war auch die Ablenkung aufgegeben. Um sechs ging ich runter um mit meiner Familie Abendbrot zu essen. Um sieben ging ich Duschen. Und um acht, schaute ich Fernsehen. Wie an jedem stinknormalen Tag, in meinem Stinknormalen Leben.

Ich lag in gemütlicher Seitenlage auf dem Sofa und versuchte mich auf das Fernsehprogramm zu konzentrieren. Ich drehte mein Handgelenk um und entblößte meine zierliche Uhr, mit dem weißen Ziffernblatt und dem blauweißen Band. 22.03Uhr zeigte sie an. Ich nahm die Fernbedienung und stellte die flimmernde Kiste ab. Die dröhnenden Stimmen verstummten. Schwerfällig erhob ich mich von dem weichen Leder und ging hinunter in mein Zimmer. Ich wollte nur noch schlafen. Alles vergessen. Einfach...abschalten. Abschalten wie die Stimmen aus dem Fernseher. Einfach aus. Ich schrie: "Gute Nacht", nach unten ins Wohnzimmer wo meine Eltern den Abend ausklingen ließen und schaltete das Licht aus. Dunkelheit umgab mich. Für einen Moment konnte ich nichts sehen, aber in meinem Zimmer kannte ich mich so gut aus, das ich auch ohne Licht problemlos in mein Bett gelangte. Ich zog mir die Bettdecke bis zum Kinn und sofort merkte ich wie ich abdriftete und sanft in den Schlaf glitt.

Aber natürlich musste mir das Schicksal wieder einen Strich durch die Rechnung machen. Ich träumte.

Ich schaute durch ein schmales Fenster in einen spärlichen Raum. Die Wände waren grau angestrichen, in einer Ecke stand ein schmales Bett , gegenüber war eine Toilette angebracht. Geradewegs schaute ich auf eine schwere Tür mit einem verschlossenen Gitterfenster. Der Raum glich einer Zelle. Erst jetzt bemerkte ich eine Bewegung in meinem Augenwinkel. Auf dem Bett saß ein Mädchen. Ausgedörrt, den Blick Richtung Boden gesenkt. Ihr Gesicht wurde von rötlich schimmernden Haaren bedeckt.

Poch, Poch.

Meine Augen zuckten in Richtung Tür. "It's Party Time!! Na hast du Lust auf Schmerzen?", rief eine dunkle Stimme, die gedämpft aus dem Flur zu uns drang. Das Mädchen zeigte keinerlei Reaktion. Der Schlüssel wurde ins Schloss gesteckt und mit einem lauten Quietschen, wurde die Tür entsperrt. Mit viel Kraft wurde sie aufgezogen und entblößte einen bulligen Mann mit einem bösen Grinsen im Gesicht. In seinen Pranken hielt er freudig einen Teaser. Zur Demonstration drückte er zweimal auf den Auslöser und ließ das Gerät laut zirpen. Keine Reaktion. Gemächlich ging er in Richtung Bett. Doch dann holte er blitzschnell aus. Das Gerät heulte auf und wurde in den Magen des Mädchens gerammt. Diese riss den Kopf hoch und sperrte den Mund weit auf. Mir lief ein eiskalter Schauer den Rücken hinunter. Auf dem Bett saß... Ich. Aber aus dem Mund meines Traum-Ichs kam kein Schrei. Nein. Sie fing an aus vollem Halse zu lachen.

"Hör auf zu lachen", schrie der Mann fordernd und rammte ihr den Teaser nochmal in die Magengrube.

"Bring mich doch dazu". Sie lächelte boshaft. "Der böse, böse Handlanger möchte das ich schweige", sagte sie zuckersüß und fing wieder an wie verrückt zu lachen. Der Mann funkelte sie böse an. Doch dann geschah etwas Unerwartetes. Als würde sie sich eine Maske aufziehen, fing sie an zu heulen und schreien: "Hilf mir! Bitte! Bitte mach das die Stimmen aufhören. Bring sie zum Schweigen!" Sie schmiss sich auf den Boden und bückte sich flehentlich zu seinen Füßen.

Ich wollte ihr Helfen, stand aber wie angewurzelt da und beobachtete die Situation. Und genauso schnell wie sie anfing zu schreien, war es auch schon wieder vorbei. Sie begann wieder mit ihrem boshaften Lachen. Laut und krächzend. "Irgendwann bring ich SIE noch zum Schweigen Mister" Sie stand wieder auf und hielt fordernd ihre beiden Hände vor ihn. "Können wir starten" Sie lächelte.

Mir wurde schwindelig. Das Bild verschwamm vor meinen Augen. Das letzte was ich sah war, wie sie lachend aus dem Raum geführt wurde, bevor mich eine unsichtbare Macht nach hinten aus einem langen, schwarzen Tunnel, zurück in die Wirklichkeit, zog.

Schweißgebadet, wachte ich kerzengerade in meinem Bett auf. Ich atmete schwer. War es nur ein Traum? Oder war es die Zukunft? Meine Zukunft?

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