Kapitel 10

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Entgeistert stand ich an der Wand gepresst und konnte mich nicht bewegen. Seine Augen bohrten sich in meine und bereiteten mir eine Gänsehaut. "Hör mir genau zu", zischte er auffordernd. Der Aufzug setzte sich bereits in Bewegung und fuhr immer tiefer in das Gebäude hinein. "Sie werden dich vor eine schwere Entscheidung stellen. Entscheid dich für sie, auch wenn es dabei moralische Bedenken geben sollte. Entscheid dich für sie." Während er sprach lösten sich seine Augen nicht eine Sekunde von meinen. "Meine Leute werden dich hier rausholen und dich in Sicherheit bringen, das geht aber nur, wenn du nicht in diesem verdammten Loch sitzt. Tu egal was sie sagen. Dein Leben ist wichtiger als die der anderen. Hörst du?" Mein Gehirn versuchte diese ganzen Informationen zu verarbeiten. Wer waren seine Leute? Welche Entscheidung soll ich treffen? Und, warum ist mein Leben wichtiger als das der anderen? "Verspreche es mir!" Er riss mich aus meinen Gedanken und antwortete: "Ich versprechs." Zu meiner Überraschung war meine Stimme fest und kräftig und spiegelte genau das Gegenteil meines Inneren wider. Ich weiß nicht warum ich ihm vertraute, aber ich war mir sicher, dass er mich nicht anlog. Die mechanische Stimme ertönte ein drittes und letztes Mal und kündigte: "Etage 0: Gehorsamkeitszentrum" an. Mit einer fließenden Bewegung stellt er sich zurück an seinen Platz und im letzten Moment stellte ich mich auch wieder aufrecht hin, bevor die automatische Tür sich öffnete.

Der immer größer werdende Türspalt zeigte uns einen kurzen, sterilen Raum. Weiße Wände, weißer Mattenlenolium Fußboden, weiße Sicherheitstüre. Ich kniff die Augen zusammen, um sie vor dem grellen Licht zu schützen. Die Gestalt neben der Tür hob sich, mit seinen blauschwarzen Klamotten, deutlich von seiner Umgebung ab. Sein Hemd spannte im Bauchbereich, aufgrund einer überflüssigen Fettschicht rund um seiner Taille. Mein Blick wanderte hoch zu seinem Gesicht. Mir stockte der Atem. Meine Beine wurden schwer wie Blei. Ein böses Grinsen, das mir bereits bekannt war, breitete sich in seinem Gesicht aus. Ich hatte wieder alles vor Augen. Das Lachen, die elektrischen Stöße die durch meinen ganzen Körper zuckten, die Schmerzen und das unbekannte Lachen aus meiner Kehle. Ich fasste mir an meinen Hals und dachte für kurze Zeit, dass ich wirklich lachte.
"Was ist denn mit der neuen Ware passiert. Die sieht aus als hätte sie einen Geist gesehen". Erst jetzt bemerkte ich, dass Jason den Aufzug bereits verlassen hatte und mich besorgt musterte. "Kommst du?", fragte er. Aber in seinem Blick verbarg sich die stille Frage, ob alles okay war. Ich antwortete: "Ja klar, ich komme".
"Diese hier wird gut zu uns passen". Der Wächter betrachtete mich von Kopf bis Fuß. Sein Grinsen wurde noch breiter (so breit sein Lachen auch noch sein konnte). Aber in Jasons Blick bereitete sich nicht die Belustigung aus, die der Wächter anscheinend erwartete, nein. Es war Wut.

"Sie passt ganz sicher nicht zu deinen irren Spielzeugen, du kennst sie doch gar nicht", knurrte Jason. Überrascht von seiner Reaktion, blieb ich mal wieder stehen. "Du kennst mich auch nicht.", rutschte mir raus. Ich wurde rot und schaute zu Boden. Warum denke ich nicht nach, bevor ich sowas sage? Er verteidigt mich und ich beschimpfe ihn? Oh ich glaub er wird mich hassen... Ich schaute wieder auf zum Wächter. Sein Grinsen war verschwunden. Mit dieser Reaktion hatte er als letztes gerechnet. Ich spürte Jason's Blick auf mir und erlaubte mir einen kurzen Blick auf ihn. Irgendetwas flackerte in seinen blauen Augen auf, aber ich wusste nicht was es war. Wieder fiel mir auf, dass er noch jung zu sein schien, im Gegensatz zu all den Anderen die ich bisher gesehen hatte.

Ich räusperte mich. "Ich dachte wir haben nur begrenzt Zeit?"

"Ähm... Ja. Burrow, ich möchte ihr das Gehorsamkeitszentrum zeigen. Auf Anordnung von Miss Mafesse", sagte er, wieder ganz der Alte.

"Jaja, ich weiß. Sie hat euch höchstpersönlich angemeldet. Scheint wichtig zu sein."
Er fummelte an seinem großen Schlüsselring mit ungefähr 70 Schlüsseln herum. An jedem Schlüssel stand eine Nummer. Er griff den Größten mit der Nummer 0 und schob ihn in das Schlüsselloch der stechend weißen Tür. Es ertönte ein ohrenbetäubend lautes Quietschen als er die schwere Türe aufzog und ein Gang sichtbar wurde. Rechts und links befanden sich das weitere unzählige Sicherheitstüren. Jason und ich betraten den Gang und das letzte was ich hörte bevor die Tür sich hinter uns schloss, war: "Willkommen im Gehorsamkeitszentrum"

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