Gewusel am Morgen

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Der Speisesaal war am nächsten Morgen vom heiterem Geklimper des Küchenpersonals erfüllt, das anlässlich des ersten formalen Konferenzfrühstücks einen besonderen Aufwand in die Essenszubereitung steckte. In der Luft hing der wohltuende Geruch nach einem guten frischen Frühstück, wie es sonst nur im Buche steht. Hier duftete es nach köstlich gerösteten arabischen Kaffeebohnen, dort breitete sich die süßliche Geruchswolke von geschnittenen Früchten des Waldes aus. Eben erst aus dem Ofen geholte Brötchen lagen verführerisch auf den Tischen und verströmten heißen Dampf, sobald man sie aufschnitt. Alle Mitglieder waren höchst erfreut über dieses Festmahl und unterhielten sich locker und gelassen über die Ereignisse des letzten Tages und der letzten Nacht. Man stellte dem Protokollführer die Gewächsmeisterin vor, die er aufgrund seines äußerst tiefen Schlafes in der vorherigen Nacht nicht kennen gelernt hatte. Die Gewächsmeisterin entschuldite sich beim Sittenwart für ihr gereitztes Verhalten und erklärte, dass ihr wachmacher auch Einfluss auf die Laune des Konsumenten machen konnte, woraufhin sich Karl seinerseits dafür entschuldigte, den Gedanken gehegt zu haben das zarte Pflänzchen zu zertreten. Man lachte und plauderte und machte sich vor allem über den Zollgreifer lustig, der just in diesem Moment in einer kleinen Baracke vor der Akademie seine gebratenen Schweinehaxen zu sich nehmen musste, anstatt an der heiteren Konversation im Speisesaal teilhaben zu können.

Nach einiger Zeit hatte man fertig gespeist und der Konferenzmeister erhob sich behebig von seinem angestammten Sitzplatz am Ende der Tafel. Er war, so wie alle anderen Vorstandsmitglieder in eine schleppende Robe in den Farben der Akademie gekleidet. Über seiner Brust war der Stoff  kreisförmig rot getüncht und einem Sterne gleich breiteten sich von diesem Kreis sechs dunkel violette, mit gold umrandete Zacken aus, die sich gut von dem sonst schneeweißen Gewandt abhoben. Obwohl Erasmus sonst eher zu dunklerer Kleidung tendierte musste er an diesem Tag die Tradition waren, alle Gäste der Konferenz in den ursprünglichen Ordenskleidern zu empfangen, die sich zur Gründung der Akademie etabliert hatten.

“Nun, meine Damen und Herren!” sprach der Konferenzmeister mit bedächtiger Stimme “Lasset uns vor die Tür gehen und unsere Gäste empfangen! Es wird Zeit die Konferenz zu eröffnen und die Geladenen kommen gleich!”

Und tatsächlich, die Gäste kamen…

Vor dem Tor hatte sich bereits vor mehreren Minuten eine große Traube lokaler und angereister Professoren eingefunden, die durch den regen Informationsaustausch zwischen den Universitäten und anderen Bildungsstätten von der hier stattfindenden Konferenz erfahren hatten. Da keiner von diesem niederen Bildungsvolk, wie Erasmus es zu nennen pflegte, eine persönliche konferenzmeisterliche Einladung aufweisen konnte, mussten alle samt am Zollgreifer vorbei und eine gehörige Abgabe von 20 Mark leisten. Hierbei kam es bereits zu ersten Schwierigkeiten, da einige der angereisten aus dem Köllnischen Raume stammten, in dem gegensätzlich zum Rest der Welt nicht etwa mit Mark, sondern mit Takken gezahlt wurde. Rasch wurde eine vom Protokollführer erstellte Umrechnungstabelle zu Rate gezogen und man einigte sich auf einen vereinheitlichten Zoll von 10 000 Takken. Nach einigem kräftigen Händeschütteln zwischen dem Konferenzmeister und den ihm gänzlich unbekannten Proffesoren traf nun endlich, mit einer verdunkelten Pferdekutsche vorfahrend der erste Geladene Gast, namentlich Herr Fridolin Insel ein. In der Welt der Wissenschaft genoss er einen äußerst guten Ruf aufgrund seiner Kenntnisse der Juristerei sowie der Soziologie, doch unter vertrauten Kollegen war er vor allem wegen seinem ausgeprägten Sinn für die Rechtsverdreherei bekannt. Manch ein Schelm wagte es ihm sogar nachzusagen, dass sich kriminelle Gestalten auf der Suche nach juristischer Unterstützung um ihn scharten, doch diese absurten Vermutungen stammten meist aus den Mündern irgendwelcher alten, unseriösen Lehrmeister, die sich Herr Insel aufgrund seiner fachlichen Überlegenheit entledigen wollten. Als die Kutsche nun also bis zu der kleinen Gruppe um den Konferenzmeister vorgefahren war, gab der Kutscher, ein älterer Mann, gekleidet in eine grüne Kutscherweste seinen Pferden mit gebiterischer Stimme den Befehl anzuhalten , und da die Tiere gut auf ihren Herren hörten blieb das Gefährt genau so stehen, dass sich die Ausstiegskuke keine vier Meter entfernt vor dem Konferenzmeister befand.

Von einer etwas anderen WeltWo Geschichten leben. Entdecke jetzt