Der Weg ans Licht

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Hartmut Schmidt, seines Zeichens ehemaliger Vorstand der englischen math society sowie Professor für Angewandte Algebra und Analysis an der hohen Akademie von Worms war mit dem Alter immer mehr verkommen.

Als er noch keine 16 Jahre alt war, viel er unter seinen Stammesgenossen durch sein besonders Talent und Interesse für den Umgang mit Zahlen auf, und wurde bald auf die für seinen Familienstand ungewöhnlich hohe Position des Schatzmeisters befördert. Doch schon nach kurzer Zeit merkte Herr Schmidt, dass er sich sein Leben nicht mit einer solch trivialen Aufgabe wie dem zählen von Münzen erfüllen konnte und entschied sich,  ein Studium der höheren Mathematik an der Universität von Erfurt zu beginnen.

So verließ er eines Tages im zarten Alter von zwanzig Jahren seinen Stamm und mit ihm seine Familie tief im Thüringer Wald, welchen er nach diesem tief bewegenden Moment nie wieder betreten würde.

In Erfurt und besonders in seinem Studienkurs war es schwer für Hartmut als einziger anwesender Homunculus fuß zu fassen und sich in die sozialen Strukturen der Menschen einzugliedern. Er wurde wegen seiner Andersartigkeit verlacht und von seinen Kameraden herrumgeschubst, angespuckt und sogar einmal zu Boden getreten. Hartmut konnte sich bis heute noch an den salzigen Geschmack seiner Tränen im Mund erinnern, die ihm in Strömen aus den Augen schossen, als der vor Schmerzen gekrümmt auf dem schlammigen Boden eines Erfurter hinterhofes lag.

Auch der schützende Schirm der verbindenden Wissenschaft konnte die Arme Kreatur nicht vor dem Spott  seiner Kommilitonen retten.

Als einst ein Professor bei einem mathematischen Beweis in Schwierigkeiten geriet, versuchte Hartmut Schmidt ihm zu helfen. Die einzige Anerkennung die er dafür erhielt war eine persönliche Abmahnung durch den Dekan, ausgeschrieben wegen 'infragestellung der anerkannten Lehrmethoden’.

All diese grausamen Einflüsse ließen den einst überaus herzlichen Mann zu einer verbitterten akademischen Gestalt werden, die ihre einzige Freude daraus erlangte, jungen Studenten eben das anzutuen, was er in seiner eigenen Jugend erleiden musste.

Über die Jahre bahnte er sich ohne Rücksicht auf Verluste einen Weg durch die akademischen Ränge, bis er eines Tages als Gastprofessor nach Worms geladen wurde. Hier freundete sich Hartmut mit einem gewissen Erasmus an, der auf bestem Wege war Isaac von Worms

von seinem Posten als Konferenzmeister abzulösen. Mit ein wenig verschwöririscher Hilfe des mit Intrigen gut beflissenen Gastprofessors gelang es ihm tatsächlich an die Spitze der Akademie zu gelangen, woraufhin er den jungen Mathematiker dankbar als bleibende Lehrkraft einstellte.

Die Zeit verging, doch trotz der wahrlich himmlischen Umstände an seinem Neuen Lehrstuhl wurde Schmidt immer garstiger

und verbitterter. Des Abends besuchte er die wormser Kneipen und kam mal für mal, vom Karmbambulie trunken gemacht, torkelnd nach Hause.

Bedauerlicherweise hat Ethylalkohol eine deutlich stärker denaturierende Wirkung auf das Gewebe eines Homunculus als auf das eines Menschen. So verfiel die ohnehin psychisch labile Gestalt langsam in einen tiefen, alles zerstörenden Wahnsinn, der die Akademie dazu zwang, demokratisch über die Zukunft des ehemaligen Kollegen abzustimmen. Es ging so weit, dass sich einige Herzlose Mitglieder sogar für 'Enthauptung durch das Beil’ oder 'zerfleischung durch wilde Bären’ aussprachen. Doch glücklicherweise gelang es Erasmus die Mehrheit davon zu überzeugen, Schmidt ein schönes Plätzchen in den Katakomben einzurichten und ihn dort auf immer Leben zu lassen. Vielleicht würde er sich über die Zeit ja ein Wenig bessern und wieder zu klarem Verstand kommen.

Das war jetzt 10 Jahre her.

Nun stand eben jener Herr Schmidt mit einem wahnsinnigen Funkeln in den Augen vor Erasmus von Worms, der ihm wie jedes halbe Jahr einen kleinen Besuch abstattete.

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