Das, in dem der Prinz zu Yoda wird

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"Bist du dir sicher, dass wir hier richtig sind?", fragte Joohyeon und musterte das Gebäude, vor dem wir standen

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"Bist du dir sicher, dass wir hier richtig sind?", fragte Joohyeon und musterte das Gebäude, vor dem wir standen.
Ich nickte und blickte auf mein Handy, wo die Nachricht von Baekhyun geöffnet war, in der er mir die Adresse geschickt hatte. Ich atmete tief durch und drehte mich zu meiner Klassenkameradin um.
"Danke, dass du mich hier her begleitet hast."
Sie lächelte und hob die Tüte in ihrer einen Hand hoch.
"Das Bummeln mit dir war nett, Miseon-ah! Das sollten wir öfter machen. Ich muss jetzt sowieso los, gib dein Bestes beim Üben!", sagte sie und nahm mich kurz in den Arm, bevor sie sich auf dem Absatz umdrehte und mich vor dem fremden Gebäude zurück ließ.
Mit einem seltsamen Gefühl in der Magengrube schaute ich ihr hinterher, dem Kopf leicht schräg gelegt. Hatte ich etwa so etwas wie eine Freundin gefunden? Ich erinnerte mich nicht, wann ein Mädchen mich zu letzt umarmt hatte. Ich hatte mich nie mit gleichgeschlechtlichen Mitschülern verstanden, meistens hatte ich mich mit ihnen gezofft oder gar geprügelt. Aber Joohyeon war okay. Und irgendwie war ich dankbar, dass ich jemanden hatte, der freiwillig mit mir einkaufen ging oder mich irgendwohin begleitete.
"Wenn du so schaust, siehst du aus wie ein Hundewelpe, Alice-ya", bemerkte eine Stimme hinter mir und überrascht drehte ich mich um und blinzelte Baekhyun entgegen, der in der Tür lehnte.
"Hallo, Sunbae", sagte ich mit einer Verbeugung und er lächelte.
"Hat deine Freundin dich her gebracht?", fragte er und ich nickte schnell. "Dann scheinst du ja doch Anschluss gefunden zu haben! Ich freue mich für dich."
Ich verzog das Gesicht bei seinen Worten und trat neben ihm durch die Tür.
"Jetzt fängt das schon wieder mit der Selbsthilfegruppe an... Und nenn mich nie wieder einen Hund!", maulte ich und hörte ihn hinter mir lachen.
"Das war ein Kompliment! Du bist ein sehr süßer Hund!"
Ich quittierte das Ganze mit einem Augenrollen und schaute mich lieber im Raum um.
"Wo sind wir hier, Sunbae?", fragte ich.
"Mein Onkel hat ein Unternehmen und hier im Lagerhaus lagern viele seiner Produkte. Zwei Räume hat er mir zur Verfügung gestellt, damit ich mit den Jungs ein Tonstudio basteln konnte. Hier treiben wir uns die meiste Zeit rum", erklärte er und führte mich durch die Gänge zwischen gefüllten Regalen.
Etwas unsicher hier im Dunkeln folgte ich ihm, bis wir den Raum verließen und einen noch dunkleren Gang betraten, von dem ein paar Türen abgingen.
"Geht es hier sicher nur um Musik machen oder lockst du mich bewusst in eine dunkle Ecke um mich zu vergewaltigen?", fragte ich um die gruselige Stimmung zu vertreiben.
"Schamlos wie immer", bemerkte er lachend und er schüttelte den Kopf. "Obwohl man eigentlich nie vorsichtig genug sein kann, Alice-ya!"
"Was soll das denn heißen?"
"Dass du froh sein kannst, dass ich gut erzogen und ein Gentleman bin."
Ich schnaubte.
"Ach ja?"
"Du bist ganz schön frech!"
"Ich bin eigentlich wie immer..."
Und dann gab es einen Knall und einen lauten Schrei und Baekhyun packte meine Handgelenke. Ich kniff die Augen zusammen und schrie mir die Seele aus dem Leib, doch der Horror hielt nur eine Sekunde an, bis Baekhyun in lautes Gelächter verfiel.
"Du mieser Idiot! Wieso erschreckest du mich so!", blaffte ich ihn an und riss mich los. "Mach das verdammte Licht an! Hier muss doch irgendwo ein Lichtschalter sein!"
Er kicherte immer noch, doch ich teilte seinen Spaß nicht.
"Tut mir Leid, der Moment war einfach perfekt", lachte er und ich schmollte. Ich hasste es, erschreckt zu werden.
Eine Tür ging auf und endlich wurde es heller im Gang und ein verwirrt dreinblickender Chanyeol schaute uns an.
"Ist alles okay?", fragte er verwirrt und ich nickte und schlüpfte an Baekhyun vorbei und auf den Großen zu.
"Ach, Alice-ya, sei doch nicht böse!", versuchte Baekhyun es zu retten, doch ich war zickig und würdigte den Idioten keines Blickes. "Ich hab sie nur ein bisschen erschreckt!"
Chanyeol grinste schief und ich schlug ihm gegen die Brust, damit er das sofort einstellte. Als Antwort schlang er einen Arm um meine Schulter und zog mich eng an seinen Körper heran. Mein Herzschlag verdoppelte sich, mein Hals wurde trocken und ich würde sofort nervös ihm so nah zu sein.
"Lass dich nicht von ihm ärgern, Alice-ya, ich passe schon auf dich auf", sagte er und schenkte mir ein Lächeln.
Ich nickte zur Antwort wie ein Idiot und atmete seinen Geruch ein. Er trug einen großen Pullover, eine Cappi und seinen Mundschutz hatte er sich unter das Kinn geklemmt. Wir tauschten noch immer Blicke und er legte seine Hand auf meinen Kopf und wuschelte mir durch die Haare. Sollte das eine beruhigende Geste sein? Das musste er aber noch etwas üben. Trotzdem war es süß. Warum musste ich so verdammt verliebt in diesen Jungen sein...
"Hast du keine ordentliche Jacke mit?", fragte Chanyeol auf einmal und zupfte an meiner dünnen Übergangsjacke.
Es war zwar schon kühl draußen, doch ich war noch nicht dazu gekommen mir eine Winterjacke zu kaufen. Deshalb lief ich noch immer in dieser herum und bei seinem Kommentar verzog sich schlagartig die Wärme, die sich dank seiner Berührungen in mir ausgebreitet hatte und ich fröstelte.
"Hier gibt es keine Heizung, deswegen muss man sich doppelt so warm anziehen. Besonders wenn man lange am Klavier sitzt, wird es kalt. Möchtest du dir einen Pullover von mir leihen? Der wäre dir wahrscheinlich so groß, dass du ihn als Kleid tragen müsstest", meinte Chanyeol und bei dem Gedanken schlich sich ein Lächeln auf sein Gesicht.
In diesem Moment überlegte ich das erste Mal wie es wäre Park Chanyeol zu küssen. Der Gedanke kam plötzlich in meinen Kopf und ich schämte mich fast etwas dafür so zu denken, wo er vergeben war. Ob er ein guter Küsser war?
"Alice-ya?", fragte er nach und ich zuckte zusammen.
"Hmm?"
"Ach egal, nimm ihn und entscheide dann später, ob du ihn anziehen möchtest!", sagte er und drückte mir einen gigantischen Pullover in die Hand.
Für mich war er zumindest gigantisch. Ich blickte den Jungen mit großen Augen an und drückte das Kleidungsstück an meine Brust. Das würde ich erstmal nicht mehr hergeben.
"Danke", schaffte ich es herauszupressen.
"Gerne. Ich gehe zurück an die Arbeit, ruft mich, wenn es ein Problem gibt."
"Du redest, als seist du hier der allmächtige Musiker, Chanyeol! Geh lieber an deine Arbeit und übe für deinen eigenen Auftritt. Komme Alice-ya, ich zeige dir meinen Raum", sagte Baekhyun und nahm meine Hand.
"Sei bloß nett zu ihr! Wenn er dich wieder ärgert, kommst du zu mir, nicht wahr?"
Ich nickte schnell und Chanyeol lächelte ein letztes Mal. Dann schloß sich die Tür zu seinem Proberaum und Baekhyun und ich waren wieder alleine im dunklen Gang.
"Wage es ja nicht noch weitere Späße mit mir zu treiben, Sunbae!", warnte ich und er legte beruhigend seine Hände auf meine Schultern.
"Keine Angst, ab jetzt bin ich ganz lieb."
Er führte mich zur nächsten Tür, zog einen Schlüssel heraus und schloss sie auf. Sein Reich war klein und gemütlich, ein Mischpult und ein Mikrofon nahmen den meisten Platz ein. Erst als er einen Vorhang zur Seite zog, wurde das Klavier freigelegt und ich ließ meinen Blick darüber schleifen. Es sah sehr teuer aus. So etwas gehörte nicht in ein Lagerhaus.
"Damit lässt sich arbeiten, denke ich", murmelte und strich über das glatte Holz.
"Das hoffe ich doch", antwortete er und ich spürte seinen Blick auf mir.
Ich drehte mich um und hob die Augenbrauen, damit er sagte, was er zu sagen hatte.
"Ich freue mich wirklich, dass du zugestimmt hast mich zu begleiten. Ich hoffe du hast es wenigstens ein bisschen aus freien Stücken gemacht und hast dich nicht allzu gezwungen gefühlt..."
"Was meinst du? Deinen Gesang begleiten oder dich auf den Ball begleiten?"
Er lächelte.
"Beides."
"Das ist schon okay. Ich habe mich nicht gezwungen gefühlt."
"Danke. Also danke, dass du es machst."
"Dafür sind Freunde doch da", antwortete ich mit einem Lächeln und zwinkerte ihm zu.
Schnell drehte ich mich zum Klavier um und ließ mich auf dem  Hocker nieder. Ich hob den Deckel an und legte die Tasten frei, rümpfte aber die Nase, als ich den Staube bemerkte.
"Du scheinst nicht oft zu spielen, Baekhyun-sshi", murmelte ich und strich mit dem Finger über die Tasten um ihm den Dreck zu zeigen.
"Ich spiele nicht so oft auf dem alten Ding, muss ich zugeben."
"Du kannst also selber auch spielen? Wieso soll ich dich denn dann begleiten, wenn du dich einfach selbst begleiteten kannst?", fragte ich.
"Ich kann es zwar selber, aber ich lasse mich lieber von einem hübschen Mädchen begleiten, um ehrlich zu sein", antwortete er grinsend und ich seufzte. "Deine Idee mit dem weißen Kleid hat es mir wirklich angetan, weißt du?"
"Vergiss es!"
"Spiel dich erst mal ein und gewöhn dich dran, ich überlege in der Zeit, welches Lied wir vortragen könnten."
Damit drehte er sich um, setzte sich vor den Laptop und setzte sich Kopfhörer auf. Irritiert blickte ich den Jungen an, wie er im Internet nach Liedern zu suchen begann. Er wusste noch nicht einmal, welches Lied er spielen wollte? Na super, das könnte ja was werden.
Ich seufzte, legte meine Finger auf die Tasten und begann mit simplen Fingerübungen. Was meinte er mit Einspielen? Wenn man Klavier spielen konnte, verlernte man es nicht und Klaviere waren sich ähnlich. Trotzdem gab ich ihm etwas Zeit und spielte irgendwelche Lieder, die mir gerade in den Sinn kamen. Als es mir zu langweilig wurde, spielte ich sie in einer schnelleren Version und seufzte, drehte mich um und sah ihn immer noch suchen.
Ein kalter Schauer wanderte über meinen Rücken und ich blickte auf den dicken Pullover, den ich neben mir platziert hatte. Chanyeol hatte recht, dass es beim langen Sitzen schnell kalt werden würde. Ich versuchte all meine Schüchternheit und Nervosität zu überwinden und zog mir schnell den Pullover über den Kopf. Ich schlüpfte hinein, zog ihn hinunter und blickte an mir herunter. Und auch damit hatte er recht gehabt: Ich trug den Pullover als Kleid. Ob er auch gerade Klavier spielte? Ob ich vielleicht hinüber schleichen könnte, während Baekhyun beschäftigt war?
Ich erhob mich und blickte über seine Schulter. Er hatte nicht wirklich "Piano Lieder" bei Naver eingegeben? Ich musste ein Lachen zurück halten, doch er bemerkte mich und nahm die Kopfhörer ab.
"Lach nicht, ich versuche hier produktiv zu sein! Funktioniert alles mit dem Klavier?", verteidigt er sich und versuchte schnell abzulenken.
"Ja, ich drücke Tasten und es kommen Töne raus. Alles wie immer."
"Kann es sein, dass du dich über mich lustig machst, Maknae?", bemerkte er grinsend und ich setzte eine Unschuldsmine auf.
"Während du weiter schaust, würde ich gerne einmal rüber gehen...", setzte ich dann an.
"Zu Chanyeol?"
Ich nickte.
"Warum?"
Um ihn zu sehen. Um ihm beim Musik machen zuzuhören. Um mit ihm in einem Raum zu sein. Ihm nahe zu sein.
"Vielleicht sind Jimin und Jongdae schon da. Und das ist mit Sicherheit spannender als das hier", antwortete ich und ein zickiger Unterton mischte sich unter.
Wenn er mich länger kennen würde, würde er mich enttarnen. Ich war nicht gut im lügen, man hörte es leicht heraus. Ich wurde immer unangenehm, wenn ich lügte.
Baekhyun blies die Backen auf und sah aus wie ein kleines Kind, dem man das Lieblingsspielzeug weggenommen hatte. Ich pikste ihm mit dem Zeigefinger in die Backe.
"Bin doch gleich wieder da. Und bis dahin hast du besser ein Lied gefunden, Sunbae!"
Ich klopfte ihm aufmunternd auf die Schulter und verließ schnell sein kleines Reich, bevor er mir widersprechen konnte. Ich atmete tief durch, als ich wieder in dem dunklen Gruselgang stand. Baekhyun würde es mir schon nicht übel nehmen, redete ich mir ein. Und vielleicht könnte ich ein bisschen bei der Probe der anderen zuhören...
Gut, das war eine Lüge. Ich wollte einfach wieder bei Chanyeol sein. War das schamlos von mir? Er hatte eine Freundin und trotzdem kämpfte ich um jede gemeinsame Sekunde. Aber hier im Lagerhaus schien es Sunny nicht zu geben...
Ich zupfte mir seinen Pullover zurecht und tapste zu seiner Tür, aus der ich Geräusche hörte. Ich klopfte, doch es gab keine Antwort. Ich klopfte das zweite Mal etwas lauter. Niemand öffnete.
Etwas enttäuscht seufzte ich und drehte mich um, bereit wieder in Baekhyuns Probenraum zu dackeln, doch dann öffnete sich die Tür doch noch und das Licht hinter Chanyeol erhellte den Gang.
"Tut mir Leid, ich hatte Kopfhörer auf", sagte er und lächelte zu mir herunter.
"Schon okay", antwortete ich plötzlich wieder schüchtern.
Er legte den Kopf schief und wartete wahrscheinlich auf mein Anliegen. Schließlich hatte ich nicht gesagt, wieso ich ihn von seiner Arbeit abhielt.
"Ähm... Störe ich gerade? Also sind die Anderen schon da?", murmelte ich und senkte den Kopf. Es fühlte sich an, als würde sein Blick auf meiner Haut brennen.
"Nein, sie sind noch nicht da. Aber du kannst gerne reinkommen und ich zeige dir mein Studio?"
Ich nickte schnell und er grinste.
"So wie du da stehst, mit deinen großen Augen, siehst du aus wie Bambi persönlich", bemerkte er, öffnete aber die Tür etwas weiter, damit ich eintreten konnte.
War das ein Kompliment? Ich nickte nur und senkte den Blick, während ich an ihm vorbei in den Raum huschte. Es war sehr viel kleiner als der von Baekhyun aber vielleicht auch nur, weil er vollgestellter war. Chanyeol kratzte sich verlegen am Hinterkopf.
"Es ist etwas unordentlich..."
"Schon okay."
Schweigen, während ich mich neugierig umschaute. Er huschte zurück zu seinem Platz vor dem Laptop, währen allerlei Sachen darum standen: Mischpulte, ein Keyboard und jede Menge andere Dinge, die ich nicht identifizieren konnte. Und ein Mikrofon.
"Zeigst du mir etwas?", fragte ich todesmutig und schloss die Tür hinter mir.
"Ja klar, setz dich!"
Er zog einen kleinen Hocker neben sich und ich nahm unsicher Platz, während ich mit noch immer großen Augen das komplizierte Programm musterte, das auf seinem Laptop geöffnet war. Das sah alles herrlich fortgeschritten aus. Und ich hatte keinen Plan von irgendwas.
Er schloss das Programm, öffnete einen Ordner und einen Track. Ein Beat erklang und dann setzte seine Stimme ein, die in einer schnellen Geschwindigkeit losrappte. Überrascht blickte ich ihn an. Er war gut. Sehr gut sogar. Chanyeol grinste nur verlegen und blickte weg, fixierte irgendwelche Knöpfe auf dem Mischpult mit seinem starren Blick.
"Das ist super!"
"Findest du?", fragte er und machte es schnell wieder aus. Schade, ich hätte gerne mehr gehört. "Ich zeig eigentlich niemanden meine Sachen. Also fühl dich geehrt."
Ich nickte und lächelte. Er war so süß. Miseon, Fokus!
"Und Klavier spielst du auch?"
"Ja. Ich kann zwar nicht mit einem Flügel dienen, aber ich kann dir ein bisschen was auf dem Keyboard zeigen. Auch wenn das nicht das Gleiche ist..."
"Gerne!"
"Okay, was spielen wir?"
"Wir?!"
Er grinste von einem Ohr zum Anderen.
"Natürlich! Du musst dich erst noch beweisen, Alice-ya! Ich habe dich noch nicht spielen hören", argumentierte er und stupste mich leicht an.
"Fang an und ich setze ein", antwortete ich und hoffte innerlich, er würde etwas spielen, was ich kannte.
Er nickte und setzte lächelnd die schlanken Finger auf die Tasten. Er begann zu spielen und ich erkannte es sofort. Ich drückte den Rücken durch und legte meine Hände zaghaft neben die seine.

I just call you Alice [Park Chanyeol]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt