34. Seine Lippen

3.5K 182 4
                                    

"Du weißt genau wieso sie das getan hat!" Schrie John und starrte dabei stur in meine Augen. "Egal was ich getan habe, sie hat nicht das Recht jemanden zu entführen den ich liebe!" Meine Stimme war immernoch heißer von dem ganzen Geschrei. "Es war ganz einfach, du bleibst hier und niemandem passiert etwas" Sagte nun Nœl der das Zimmer betrat. Sein Oberteil war voller kleiner roter Sprenkel. Ihm war das ganze sichtlich egal, deshalb verwunderte mich auch nicht seine ruhige und gefasste Stimme. "Was hätte ich denn tun sollen? Wäre ich hier geblieben, wäre ich mit Sicherheit verhungert!" Motzte ich nun in die Richtung des Schwarzhaarigen, welcher nur verständnislos mit den Schultern zuckte. "Wärst du nicht" Meinte John und zog damit meine Aufmerksamkeit wieder auf sich. "Und ob ich das wäre, also tut mir leid das ich mir was zu essen gesucht habe!" Ich wusste nicht wieso ich ihm die ganze Schuld gab. Schließlich hatte er keine Kontrolle darüber gehabt was Layla getan hatte. Doch ich brauchte einfach jemanden zum anschreien, sonst wäre ich wohl zusammengebrochen. Ja, es stimmt. Layla hatte Denis entführt. Es wäre ein wunder wenn er noch am leben ist, hatte Nœl gesagt. Die beiden hatten mich widerwillig zurück ins Haus geschleppt, da sie kurz nach Layla aufgetaucht waren. Auch wenn ich alles andere als begeistert gewesen war, wieder hier her zu müssen, ich hatte leider so gut wie kein Mitspracherecht.
"Wo ist er?" Fragte ich um die Stille zu brechen, welche uns umhüllt hatte.
John löste seinen Blick von mir und betrachtete den Boden. "Wo ist er?!" Meine Stimme wurde lauter, um zu verstärken das ich eine Antwort brauchte. Ich konnte nicht akzeptieren das er verloren war. Layla durfte ihm nichts tun! Er war mein bester Freund, niemals könnte ich mir verzeihen wenn ihm etwas getan wird nur wegen mir.
Am liebsten wäre ich los gerannt und hätte ihn gesucht, doch das passte den Herren hier nicht, Selbst wollten sie auch nicht gehen. Statt nach ihm zu suchen blieben sie hier bei mir sitzen, um mir zu sagen was ich falsch gemacht hatte.

Ich konnte meine Gefühle nicht ordnen. Ob es Wut oder Verzweiflung war, ich wusste es nicht. Schuld.
Ich fühlte mich unglaublich schuldig.
Ich hatte es ihm angetan.

John schaute weiter auf die Mamorfliesen und tat so als hätte er mich nicht verstanden. Ich drückte mich an ihm vorbei in den Flur. "Wo willst du jetzt wieder hin?!" Rief er und kam hinter mir her. Mit festem Griff hielt er mich fest. Ich stieß kurz genervt und sauer die Luft aus und drehte mich zu ihm um. "Ich gehe nur nach oben, da ich deinen Anblick nicht mehr länger ertrage!" Fauchte ich und riss mich aus seinem Griff. Für einen Moment schien ich so etwas wie bedauern in seinem Blick gesehen zu haben, war wahrscheinlich nur Einbildung...
Mit schnellen Schritten rauschte ich die Treppen nach oben und lief zu 'meinem' Zimmer. Die Tür lag noch immer in Splittern auf dem Boden, doch ich ignorierte diese Tatsache.
Ich ließ mich ins Bett fallen und vergrub mein Gesicht in den Kissen.
Der perfekte Moment um sich in Selbstmitleid zu baden.

Doch lange blieb ich nicht allein. John kam mit leisen Schritten auf mich zu und ließ sich letztendlich neben mir fallen. Ich setzte mich auf, so gut wie es in einem Berg von Kissen möglich war und sah auf meine Hände. "Ich weiß das du Angst um ihn hast, und es tut mir leid das ich es nicht habe verhindern können" fing er an und ließ mich dabei nicht aus den Augen. Was sollte das?
Wieso tat er jetzt wieder einen auf 'besorgter Freund'?
"Du weißt das es aber nicht meine Schuld ist" er sah mich mit so einem Eindringlichen Blick an, der mir durch aus unangenehm war. "Ich weiß das es meine Schuld war, ich habe ihn in diese Situation gebracht. Denkst du mir ist das nicht bewusst? Aber anstatt ihn für mich suchen zu gehen, bleibt ihr beiden hier sitzen und erzählt mir was ich falsch gemacht habe! Mich lässt ihr ja nicht hier raus. Ich weiß ganz genau was ich alles verbockt habe! Fals er es nicht überlebt, dann gebe ich euch die Schuld. Dann gebe ich dir die Schuld!" Mir waren ungewollt Tränen in die Augen gestiegen, als ich all das ausgesprochen hatte. Vielleicht war es hart, doch es entsprach der Wahrheit. Er und Nœl könnten ihn retten, und was taten sie? Nichts.
John war etwas unbeholfen und wusste nicht recht mit einem heulenden Mädchen umzugehen, was unschwer zu erkennen war. Leicht nervös fuhr er sich durch die Haare und dachte angestrengt nach.
Schließlich entschloss er sich dazu mich einfach in den Arm zu nehmen. So schwach hatte ich mich selbst noch nie erlebt. Ich ließ es zu, wehrte mich nicht gegen seine Arme, die er beschützend um mich legte. Ich schloss die Augen und genieße einfach kurz seine Nähe.
Seine Umarmung tat gut. Nach Unendlichkeiten löste er sich wieder von mir, meiner Meinung nach viel zu früh. Er lächelte mich leicht an. Ich versuchte das Lächeln zu erwidern, scheiterte jedoch bei dem Versuch. "Meinst du er..." flüsterte ich leise. In meinem Hals hatte sich ein Kloß gebildet der es mir unmöglich machte zu reden ohne direkt weiter zu heulen. John schüttelte schnell den Kopf, wobei alle seine blonden locken durch die Luft wirbelten. "Er ist stark, er wird es schaffen okay?" So wirklich glauben schenkte ich seinen Worten nicht. Aber was hatte Ich für eine andere Wahl, als es einfach zu hoffen? Er muss es schaffen. Er muss überleben. Anders würde Ich nämlich nicht überleben. Ich kontrollierte meine Atmung langsam wieder und schaute nun in seine Augen, die mich ebenfalls anschauten.
Wir saßen noch einige Sekunden schweigend da, doch dann stand er auf und wollte das Zimmer verlassen. "Kannst du hier bleiben?" Ich sah ihn bettelnd an und war umso erleichterter als er überrascht nickte und zu mir kam.
Ich wusste nicht ob es nur die Angst vor dem Unbekannten Vampir war oder die Angst das mich meine Gedanken auffressen, allerdings vermutete ich das dies die entscheidensten Gründe für meine Bitte war. Vorsichtig legte er sich neben mich und schlang seine Arme um meine Taille. Ich weiß nicht wieso ich ihn brauchte, seine Nähe, seine Blicke, seine Berührungen. Keine Ahnung wieso mein Kopf in seiner Gegenwart wie ausgeschaltet war, doch ich fand es toll, an nichts anderes denken zu müssen, als an seine Lippen.
Ein warmes kribbelndes Gefühl machte sich in meinem Bauch breit, das ich allerdings schnell versuchte zu verdrängen. Ich sollte nicht glücklich sein wenn Denis vielleicht Tod war.. Es war falsch! Was ich hier tat war falsch. Nach allem was er mir angetan hat, konnte ich mich doch nicht mit ihm in ein Bett legen und kuscheln? Und doch tat ich es.
Und doch hätte ich gerade alles dafür gegeben ihn zu küssen.
Sein warmer Atem prallte an meinen Hals und löste eine Gänsehaut aus. Was tat dieser Junge nur mit mir...?

Nach einigen Minuten der wundervollen Stille stürmte plötzlich Nœl ins Zimmer herein. "John, Amber wir müssen weg! SOFORT!" Ich verstand erst seine Panik nicht. Doch als ich bemerkte wie John mich packte und dann alles an mir vorbei zog war ich mir sicher, wir hatten ein großes Problem und das war diesmal nicht ich oder Layla!

Im Schatten Der Unsterblichkeit *(Wird Überarbeitet)* Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt