„Sicher, dass du keine Begleitung willst?"
Bemüht, ihre Freundin nicht anzufauchen, nachdem diese nun bereits zum dritten Male versuchte, Flammenstern umzustimmen, nickte sie entschieden. Sie brauchte ihre Ruhe, denn sie musste nachdenken. Bevor sie nicht endlich verstanden hatte, was Tüpfeljunges ihr nicht hatte erklären wollen, wollte sie nicht ins Lager zurückkehren. Dort würde sie Fragen beantworten müssen. Viele Fragen. Ohne Antwort würde das natürlich eher schwer werden.
„Na gut, dann sehen wir uns später im Lager", zögerte Herbstblatt weiterhin, auch wenn sie sich wohl endlich geschlagen gab. Gefolgt von Mondfeder, der auf dem Rückweg nicht sehr gesprächig gewesen war, und den drei Schülern, zog die gescheckte Kriegerin von Dannen, während Flammenstern allein zurückblieb.
Ziellos begann sie, durch den Wald, ihr Territorium, zu wandern. Sie wusste nicht, wohin ihre Beine sie tragen würden. Wo sie hinwollte, war ihr auch unbekannt. In ihrem Kopf tobte ein Sturm aus Ideen, doch keine davon war zündend. Die Antwort auf die Fragen, die sie sich stellte, blieb ihr fern. Trieb sie immer weiter vom Lager weg. Ihre Flucht in die Einsamkeit – um nichts anderes handelte es sich hierbei, das war ihr bewusst – schien ihr ein sinnvoller Ausweg. In Ruhe nachzudenken, war ihr nur selten möglich, aber wahrscheinlich war es genau das, was sie einmal nötig hatte.
Ihre Gedanken kreisten, während sie lief und lief. Es war schon kurz vor Sonnenhoch, als die rote Anführerin bemerkte, dass sie sich nicht länger innerhalb der Grenzen ihres Territoriums befand. Ihre Pfoten hatten sie an einen Ort geführt, den sie bisher nur ein einziges Mal betreten hatte.
Das schwache Rauschen des herabfallenden Wassers erinnerte sie etwas an ihre Zeit beim Stamm des fließenden Wassers, damals, als Glutherz und Ahornblatt gerade geboren worden waren. Natürlich war der Wasserfall, welcher sich dort gleich vor ihr befand deutlich kleiner, als jener beim Stamm. Die anhaltende Hitze hatte ihn sogar noch weiter schrumpfen lassen, weshalb sie ihn auch erst jetzt hören konnte.
Zuerst wollte Flammenstern sich abwenden, um in ihr Territorium zurückzukehren, auch wenn sie noch zu keinen Erkenntnissen gelangt war. Ganz plötzlich jedoch – weshalb auch immer – hatte sie das Gefühl, hier genau richtig zu sein. Bedächtig bahnte sie sich ihren Weg durch Haselnuss- und Wacholderbüsche, immer dem Rauschen des Wasserfalls folgend. Dann, nachdem sie unter einer Ansammlung an dürrem Gestrüpp hindurchgekrochen war, konnte sie ihn sehen. Es war kaum mehr als ein Rinnsal, welches tosend seinen Weg zu einem fast vollständig ausgetrockneten Teich fand, der sich in der Mitte eines zur einen Hälfte von einer steilen Felswand eingefassten und zur anderen Seite von Sträucher und Bäumen umzäunten Fleckchen Waldes befand, das Flammenstern unweigerlich an den Felsenkessel erinnerte. Dasselbe hatte sie auch gedacht, als sie diesen Ort vor einigen Blattwechseln zum ersten und bislang einzigen Mal betreten hatte. Dies war der einzige Grund, aus dem sie diesen Ort nicht sofort als Lager für ihren Clan in Anspruch genommen hatte – es gab keinen perfekteren, nicht einmal die Senke, in der sie nun lebten. Hier, da war sie sich sicher, sollte das neue Lager des DonnerClan sein, wenn dieser endlich ankäme.
Dass sie bisher nur ein einziges Mal hier gewesen war, hatte einen guten Grund – sie stand dem Ort sehr zwiegespalten gegenüber. Während ein Teil von ihr stolz darauf war, dass dieser wundervolle Ort einmal die Heimat des Clans werden würde, in den sie hineingeboren worden war und dem ihr Herz wohl immer gehören würde, war da doch der andere Teil, welcher, mit Sehnsucht erfüllt, nach Hause wollte. Und damit meinte sie nicht das FeuerClan Lager.
Zwiegespalten... etwas an diesem Wort lag Flammenstern schwer auf der Zunge.
Für ein paar Herzschläge verbannte die Kätzin all die Sorgen aus ihren Gedanken und ließ die Idylle des zukünftigen DonnerClan Lagers auf sich wirken. Im Geiste stellte sie sich bereits vor, wie Feuerstern hoch oben auf dem Vorsprung stehen würde, der sich nebst dem herabfließenden Wasser aus dem Fels erhob. Seinen Blick würde er stolz und immer aufmerksam über seine Clangefährten gleiten lassen. Und diese Katzen würden zu ihm aufsehen, froh, ihre neue Heimat erreicht zu haben. Fast glaubte Flammenstern, Blattsee zwischen ein paar Farnen hervorlugen zu sehen, auch Eichhornschweif, die an der Seite von Brombeerkralle über die Lichtung lief. Dornenkralle, der sich mit Lichtherz die Zungen gab... ein amüsiertes Schnurren stieg in der Kehle der Anführerin auf. Ja, der DonnerClan würde hier glücklich werden. Wenn auch ohne sie, denn für sie war das Leben im FeuerClan vorbestimmt worden. Fremdbestimmt.
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Warrior Cats - Die Erben des Feuers
Fanfiction"Ein Wetter zieht auf, ein Bündel aus neuen Chancen und alten Versprechen. Hoffnung und Liebe aneinander gebunden. Ein innerer Kampf wird zum Krieg, bringt Rache, Hoffnung und Wunden. Des Feuers Blut schlägt wieder zu! Der Kreis der Acht, er schließ...