Kapitel 14

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Einen Halbmond nach dem Fuchsangriff, bei dem sie ein Leben verloren hatte, war Flammenstern wieder im Vollbesitz ihrer Kräfte. Die Gewissheit, das Rätsel um die Schüler bald lösen zu können, hatte sie schneller genesen lassen, als Mondfeder angenommen hatte. Auch ihre Gedankenspiralen, die sie stets umfangen hatten, verringerten sich merklich, denn sie hatte den Glauben in sich selbst und in ihre Ahnen zurückerlangt.

Trotzdem haftete ihr Blick nun an den Schafsherden, die am Himmel vorüberzogen, während sie neben dem relativ frisch aufgehäuften Erdhäufchen saß. „Ich könnte deinen Rat gebrauchen, alte Freundin", murmelte sie bedauernd. Es war Rottupf gewesen, die die Zeichen und die Prophezeiung bekommen hatte. Niemals hätte Flammenstern gedacht, dass diese noch zu ihren Lebzeiten eintreten würde, geschweige denn, dass Rottupf in diesem Fall nicht an ihrer Seite wäre.

Sie hatte stets auf die jüngere Kätzin vertrauen können, sich stets sicher sein können, dass die Heilerin sich mit allen Mitteln um ihren Clan kümmerte. Eine für ihr Alter ungewöhnliche Weisheit hatte sie umgeben, erinnerte sich Flammenstern. Ob das damit zusammenhing, dass auch Rottupf eine Wiedergeburt gewesen war? Schließlich kannte die Anführerin auch andere Heilerinnen, Rußpelz beispielsweise war deutlich älter als Rottupf gewesen, trotzdem stand die FeuerClan- Kätzin dieser, so schien es, in nichts nach.

Der Clan war noch immer dabei, sich von dem Verlust eines solch wichtigen – und auch selbstverständlichen – Mitglieds zu verkraften. Es fiel Mondfeder sichtbar schwer, mit seiner neuen Bürde zurechtzukommen, auch wenn er dies vor all seinen Clangefährten, außer vielleicht vor Herbstblatt, geheim zu halten versuchte. Flammenstern war es natürlich trotzdem aufgefallen, besonders da sie viel Zeit im Heilerbau verbracht hatte. Der junge Heiler erinnerte sie etwas an ihre Schwester Blattsee.

Ob sie diese wohl jemals wiedersehen würde? Seit Flammenstern von Rottupfs Krankheit wusste, war ihr die Vergänglichkeit ihres Lebens einmal wieder deutlich vor Augen. Manchmal fragte sie sich, ob sie einfach eine Patrouille losschicken sollte, um die Clans hierher, in den neuen Wald, zu holen. Dann aber besann sie sich darauf, dass ihre Ahnen ihr mit Sicherheit sagen würden, wann es auf der Zeit dafür war.

„Worüber denkst du nach?" Flammenstern zuckte erschrocken zusammen. Ihre Gedanken waren einmal öfter auf Wanderschaft gegangen, bemerkte sie zu ihrem Missfallen. Sie hatte sich eigentlich vorgenommen, weniger fernen Erinnerungen nachzuhängen und stattdessen mehr zu... leben. Zu handeln.

„Das Leben war einfacher, als wir normale DonnerClan – Krieger waren", miaute sie wage. Es war Staubwolke, der mit müdem Blick ein paar Schritte von ihr entfernt stehen geblieben war. Wortlos humpelte er zu ihr, bevor er sich auf die andere Seite des Erdhaufens, der Rottupfs letzte Ruhestätte darstellte, niederließ.

„Das ist, als würdest du wieder ein Schüler sein wollen. Mehr Spaß, weniger Verantwortung."

Die Anführerin schwieg, dass er Recht hatte, musste nicht ausgesprochen werden. Es war ein Spiel der Gedanken, solche Vorstellungen zu haben. Das Leben war schlichtweg nicht einfach. Ihres war trotzdem schwerer, als das der meisten.

„Wirst du jemals erklären, weshalb du damals unbedingt zum Ahnentor musstest?"

„Ich hätte damals nicht so außer mir sein sollen. Mein Verhalten war viel zu impulsiv", beantwortete sie die Frage absolut nicht.

„Sieben unter ihnen werden uns noch große Sorgen bereiten", offenbarte sie einer eingebung folgend. Wenn sie einer Katze vertrauen konnte, dann ihrem Bruder. Dieser jedoch warf ihr nur einen ahnungslosen Blick zu, was wohl ihrer Wortkargheit geschuldet war.

„Ich meine die Schüler. Du musst mir helfen, herauszufinden, mit welchen etwas nicht stimmt", ihr Ton war eindringlich geworden, während ihr Bruder die Nase kräuselte, so als ob er bittere Blätter hätte schlucken müssen. Es waren auch seine Junge unter den Verdächtigen, wusste Flammenstern.

„Du hast manchmal die Angewohnheit in Rätseln zu sprechen, Flammenstern", seufzte ihr Stellvertreter. Seine blauen Augen schienen sie förmlich zu durchdringen, so, als würde er die Zusammenhänge aus ihr herausstarren wollen. Dann schnurrte er amüsiert, bevor er mit voller Ernsthaftigkeit fortfuhr: „Woran erkenne ich, dass etwas nicht stimmt?"

„Wenn ich das wüsste, Staubwolke, wenn ich das nur wüsste."


Nachdem die Geschwister ins Lager zurückgekehrt waren, begann Staubwolke, die letzten beiden Grenzpatrouillen des Tages einzuteilen. Der Frischbeutehaufen war gut gefüllt und so bediente sich Flammenstern, auch wenn sie außer einer Maus am Morgen selbst nichts beigetragen hatte. Das auserkorene Eichhörnchen im Maul trottete sie zu Blaumond, die mit Donnerpfote und Taupfote plauderte, welche sich ein Kaninchen teilten.

Seit Flammenstern wieder auf den Beinen war, hatte sie es sich angewöhnt, sich zu zufälligen Zeitpunkten in der Nähe von Schülern niederzulassen, um diesen unauffällig bei ihren Gesprächen zu lauschen. Sie fühlte sich nicht ganz wohl dabei, selbst wäre es ihr auch unangenehm, wenn ungebeten ihren Gesprächen gelauscht werden würde. Doch in diesem Fall heiligte der Zweck wohl die Mittel. Sie wollte eilig herausfinden, wer von der Prophezeiung betroffen war, erst so konnte sie etwas ausrichten. Zumindest hoffte sie, dass ihr diese Erkenntnis weiterhelfen würde.

„Flammenstern, stimmt es, dass Bussardfeder morgen seine Prüfung hat?", erkundigte sich Taupfote zwischen zwei Bissen und unterbrach damit die Stille, die eingetreten war, nachdem das Gespräch der Kätzinnen, das sich um den Geschmack von Fischen gedreht hatte, beendet war. „Glutherz und ich sind uns einig, dass es an der Zeit für ihn ist", bejahte die rote Kätzin. Der ältere Schüler hätte seine Prüfung sogar schon etwas eher gehabt, wäre da nicht ein gewisser Fuchsangriff gewesen, der Flammenstern davon abgehalten hatte, sich damit zu befassen.

Donnerpfote blickte sehnsuchtsvoll gen Himmel, als sie dies vernahm. „Ich wünschte ich wäre auch so weit", seufzte sie. Taupfote schnurrte daraufhin amüsiert und stieß ihre Freundin in die Seite. „So überfleißig wie du trainierst, wirst du noch vor Blitzpfote zur Kriegerin!"

„Stell dir dein Gesicht vor, wenn es so wäre!" Die Schülerinnen schnurrten, während Blaumond nur belustigt den Kopf schüttelte. „Der Vorsprung eurer Wurfgefährten mag eingeholt sein, aber noch schneller werdet ihr wohl kaum noch lernen können."

Flammenstern aß schweigend ihr Eichhörnchen. Wie auch an den vorherigen Tagen gelang es ihr nicht, nützliche Informationen aus den Gesprächen der jüngeren Katzen herauszufiltern. Wenn sie doch nur wüsste, wonach sie genau suchte!

Als die rote Katze ihr Eichhörnchen verspeist hatte, erhob sie sich, um nochmals mit Glutherz über die morgige Kriegerprüfung zu unterhalten, da sie ihren Sohn im Lagereinang entdeckt hatte. Anscheinend hatte er eine Jagdpatrouille angeführt, aus seinem Maul baumelte ein Kaninchen, Bussardpfote folgte mit zwei Wühlmäusen.

Jedoch gesellte sich, gerade als sie dabei war, zu ihrem Sohn zu laufen, Frostpfote zu den Kätzinnen, bei denen sie gerade gefressen hatte.

„Donnerpfote, wollen wir nachher nochmal die Duck – Parade üben, die Rabensturm uns gestern gezeigt hat?", miaute der Kater, bevor die Katzen für Flammenstern außer Hörweite waren. Da es seltsam wäre, würde sie nun stehen bleiben, verzichtete sie darauf, die Unterhaltung der jungen Katzen zu verfolgen. Stattdessen wandte sie sich Glutherz zu, der sie bereits entdeckt hatte.


Warrior Cats - Die Erben des FeuersWo Geschichten leben. Entdecke jetzt