Louvre

7 1 0
                                    

Dieses Mal ist es nicht Louis, der unseren heutigen Touritrip bestimmt. Dieses Mal bin ich es und ich habe das Louvremuseum ausgesucht. Ich weiß, dass auch hier überall Eloise klebt. Wir sind oft gemeinsam dort gewesen. Sie hat es geliebt, durch die riesigen Gallerien und Säle zu schlendern und deshalb gefiel es mir auch. Und dieses Mal habe ich keine Angst. Louis ist da und nun kennt er meine Geschichte. Vorgestern, drei Tage nachdem wir im Jardin du Luxembourg waren, hat er mich das erste Mal in seine Wohnung eingeladen und ich habe ihm alles erzählt. Er hat zugehört und am Ende eine heiße Schokolade für uns beide gemacht. Er hat mir gesagt, er ist für mich da und dass es besser werden wird. Er hat gesagt, er hätte Eloise gerne kennengelernt und ich habe ihm erzählt, dass ich finde, dass sie sich unglaublich ähnlich sind, wenn auch auf eine verdrehte Art und Weise. Danach haben wir einfach auf seiner Couch gesessen und aus dem Fenster geschaut. Es war gemütlich und ich habe mich wohlgefühlt und nicht alleine. Es war ein schönes Gefühl. Um ehrlich zu sein, will ich Louis nicht mehr gehen lassen, obwohl ich ihn erst seit ein paar Wochen kenne. Vorsichtig lege ich meinen Kopf auf seinem Rücken ab. Wir stehen ein einer Kreuzung am Place de la Concorde und warten darauf, dass es grün wird. Unser Ziel ist nur noch ein paar Hundert Meter entfernt. Seine Vespa unter uns knattert auf, als er Gas gibt und wir das letzte Stück zurücklegen. Louis parkt die Maschine am Straßenrand und wir laufen gemeinsam über den breiten Vorplatz mit der großen Glaspyramide auf den Eingang zu. Es hat sich nichts geändert, seit ich das letzte Mal vor zwei Monaten hier war. Louis und ich besorgen uns Eintrittskarten, bevor wir die Gallerien betreten, Louis in grenzenloser Begeisterung und von einer Wolke aus Enthusiasmus umhüllt, ich in Gedanken schwelgend. Wir beginnen bei der Mona Lisa, was lächerlich ist, denn im Grunde genommen gibt es viel schönere und eindrucksvollere Ausstellungsstücke im Museum, als dieses kleine Bild hinter der dicken Panzerglasscheibe, das Tag für Tag von einer unüberblickbaren Besucherschar mit Selfiesticks, Handys und Kameras umringt wird. Ganz rechts steht ein Mädchen mit dem Rücken zu uns. Es hat sehr sehr lange, braune, wellige Haare und unter ihrem übergroßen, schwarzen Shirt und den zerissenen Blue Jeans ist eine zierliche Figur zu erahnen. Für einen kurzen Moment denke ich, es ist Eloise, die dort steht, doch natürlich ist sie das nicht. Trotzdem stupse ich Louis an und erzähle ihm von meinem Gedanken. Er lauscht mir geduldig und mustert mich aufmerksam, wie immer, wenn ich ihm etwas über meine beste Freundin und mich erzähle. "Warst du oft hier mit ihr?", fragt er dann und ich lächle. "Ja. Sie hat es hier geliebt." Louis schiebt mich sacht von der Mona Lisa weg und wir verlassen den Saal, um den nächsten zu betreten. "Du auch?" "Was?" Verwirrt betrachte ich Louis, der mit dem Rücken zu mir ein kleines, in Gold gerahmtes Bild inspiziert. Ohne mich anzuschauen spricht er:"Ich meine, bist du hier auch so gerne gewesen wie sie? Oder nicht. Was ist dein absoluter Lieblingsplatz in Paris?" Nachdenklich schlendere ich ein paar Bilder weiter. Ich kenne sie bereits, weil sie in der spanischen Ausstellung hängen und ich jedes einzelne Werk hier liebe, doch ich schaue sie mir jedes Mal gerne an. "Doch natürlich liebe ich das Louvremuseum", beantworte ich Louis' Frage. "Aber es ist nicht dein absoluter Lieblingsplatz?", hakt dieser weiter nach und ich schüttele den Kopf. "Nein, das nicht, aber einer meiner liebsten." Dann überlege ich. Habe ich überhaupt einen absoluten Lieblingsort? Mir Fallen auf der Stelle eine Million Dinge ein, die Boote auf der Seine, jeder einzelne Park, der Trocadero, Dinge die jeder Tourist sehen wollte, wenn er nach Paris kam. Doch irgendwie erscheinen mir diese ganzen Sachen auf eine ermüdende Art und Weise gleich und langweilig. Es sind keine Dinge, die ich wirklich richtig liebe. Ich denke ganze drei Ausstellungen nach, als der Geistesblitz mich endlich erfasst, sind zwei Stunden vergangen und wir befinden uns mittlerweile in der Gallerie d'Apollon vor dem funkelnden Kollier von Königin Marie Amelie. "Mein Lieblingsplatz ist nicht ortsgebunden. Eigentlich gibt es ihn überall in Paris", sage ich und zu meiner Überraschung scheint Louis nicht vergessen zu haben, dass ich ihm noch immer eine Antwort auf seine Frage schuldig bin, denn er legt den Kopf etwas schief, auffordernd, damit ich weiterspreche. Ich zucke mit den Schultern und lächele. "Es ist echt banal. Aber tatsächlich bin ich vernarrt darin, auf irgendwelche Dächer zu steigen. Das sind die einzigen Orte, an denen ich das Gefühl habe, dem ganzen Stadtlärm und den Menschen entfliehen zu können", gebe ich zu.

EloiseWo Geschichten leben. Entdecke jetzt