4. Kapitel

14 1 0
                                    

Rosie

Grandma sprach den Rest des Tages kein Wort mehr mit mir.

Nachdem ihre Freundinnen gegangen waren, konnte ich hören wie sie unten das benutzte Geschirr wegräumte und die knisternde Plastikauflage wieder auf das Sofa legte. Danach war lange Ruhe, in der ich wie versteinert auf meinem Bett lag und die Decke anstarrte, bis Grandpa seinen Kopf zur Tür reinsteckte um zu verkünden dass das Essen fertig war.

Auch wenn ich ihn nicht ansah, war ich mir sicher dass sein Blick besorgt sein musste. Ich spürte es förmlich.
Trotzdem sagte er nichts weiter.

Das war eine von Grandpas besten Gaben. Er wusste wann es nötig war Fragen zu stellen und wann nicht und das hier war definitiv eine Situation die letztere Maßnahme erforderte.

Bevor ich nach unten ging, machte ich mich endlich daran meine Schuluniform loszuwerden, die mich gerade eben noch mehr runter zu ziehen schien als sonst und tauschte sie gegen meinen mit Erdbeeren bedruckten Pyjama.

Grandma mochte es zwar nicht wenn ich im Schlafanzug zum Essen kam, aber heute Abend behielt sie jeglichen Kommentar für sich und achtete sorgfälltig darauf meine Klamotten nur tadelnd anzuschauen, wenn sie dachte ich würde es nicht bemerken.

Als Resultat herrschte am Tisch eisige Stimmung, die erst brach als Ruthie halb auf den Tisch kletterte um an die Schüssel mit dem Kartoffelbrei zu kommen und Grandma deshalb wutentbrannt aufsprang und mit einer Schimpftirade begann, die das Abendessen zu einem jähen Ende brachte.

An dem Tag ging ich früh ins Bett, konnte es aber nicht fertig bringen einzuschlafen. Weshalb ich die Nacht damit verbrachte abwechselnd das Muster, dass das rosige Licht meiner Nachttischlampe an die Decke warf und die blauen Ziffern meines Digitalweckers zu beobachten.

Irgendwann musste ich dann aber doch eingeschlafen sein, denn am nächsten Morgen wurde ich von meiner kleinen Schwester aus dem Schlaf gerissen, noch bevor mein Wecker die Chance dazu hatte.

Ein weiteres mal hatte sie sich meine Violine genommen, aber diesmal hatte sie auch den Bogen entdeckt und erzeugte mit beidem eine Reihe von grausamen Tönen.

Stöhnend schleppte ich mich aus dem Bett und was folgte war ein lautstarker Streit und ein kurzes Ringen um meine Geige. Zum Glück war ich älter und größer als Ruthie, weshalb ich bald die Oberhand gewann und meine kleine Schwester mir erst die Zunge bleckte und dann davon rannte.

Kaum hatte ich mich wieder in mein Bett gelegt und mir die Decke über den Kopf gezogen, meldte sich auch mein Wecker mit einem schrillen Piepen um mir zu signalisieren, dass es Zeit war aufzustehen.

Grummelnd warf ich mich also in meine deprimierende Uniform, putzte mir die Zähne und versuchte meinen Haaren einhalt zu gebieten. Als aber jede Anstrengung in dieser Richtung vergebens zu sein schien, band ich sie nur irgendwie zusammen und ging dann auch bald nach unten, wo Grandma bereits das Frühstück auf den Tisch gebracht hatte.

Der Rest des Eierlikörkuchens, den Grandma gestern ihren Freundinnen vorgesetzt hatte, war also anwesend, von der Bäckerin selbst fehlte aber jeden Spur.

Um ehrlich zu sein war ich über diese Tatsache sogar etwas erleichtert, schließlich hatte sie die ganze Nacht um ihre Standpauke vorzubereiten und sich eine ganze Reihe an Bestrafungen auszudenken. So schnell ich konnte aß ich ein Stück Kuchen wobei - typisch ich- ich meine dämliche Krawatte vollkleckerte. 

Da ich das Schicksal nicht herausfordern wollte, in dem ich noch weitere Zeit in der Küche verbrachte, in die Grandma jeden Moment hereinplatzen konnte, nahm ich meine Schultasche, die immer noch an dem selben Fleck stand wo ich sie zurück gelassen hatte und verließ das Haus.

PearlyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt