Nevaeh starrte zum Mond hinauf. Die Dunkelheit hatte den Tag nicht besiegen können, aber hatte ihm zum größten Teil hinter die Wälder gedrängt. Am Himmel flatterte eine Eule. Schwerfällig und mit nassem Federkleid. Sie musste in einen der Bäche gefallen sein, die es ihr gab und die das Haus wie eine Falle umgaben.
Nevaeh liebte das Haus. Alt. Groß. Unheimlich von außen und von innen. Altmodische Tapeten mit Blumenmustern an den Wänden. Die Möbel irgendeiner verstorbenen Großmutter. Eine endlose Sicht über die grasigen Flächen, die am Horizont mit den dunkelgrünen Wäldern verschmolzen. Unter ihr – drei Stockwerke tiefer – glitzerte der Pool im Mondlicht.
Es war still im Haus. Zora, Noam und Romy schliefen. Romy an der Brust ihres Vaters, der im Halbschlaf auf dem Sofa im Erdgeschoss vor sich hindämmerte und auf seine Frau und seinen Sohn hoffte.
Nevaeh spürte eine beruhigende Leere in sich drinnen. Sie tat nichts lieber, als stundenlang dazusitzen. Die Welt wirkte so friedlich. So als würde und könnte nichts passieren. Als wäre alles gut.
Ein Lächeln huschte über ihr Gesicht. Seit Stunden bewegte sie sich nicht und nun es fühlte sich falsch an. Sie durfte es nicht. Sie wollte es nicht. Es war nur ein Zucken ihres Mundwinkels und dennoch ließ es sie für einen Moment aus ihrer Starre erwachen. Sie sah hinab zu der langen weißen Kiesauffahrt und erstarrte wieder. Sie kamen.
Die Hexe und ihr Sklave.
Sie lehnte sich ein Wenig nach hinten. Weiter weg von dem dunklen Vorhang und doch nach genug dran, um sie im Auge behalten zu können.
Den Sklaven, der ein Stück hinter der Hexe lief. Rote Striemen im Gesicht. Die Augen blutig unterlaufen. Schwarze Schatten zierten seine Arme und reichten bis unter seine Hemdärmel. Sie konnte schwören, dass sie seine ganze Brust und seinen Rücken durchzogen.
Die Hexe strich sich mit ihren Fingerkuppen das Blut von den Fingern und tupfte sie anschließend an einem stechendweißen Stofftaschentuch ab. Sie murmelte vor sich hin und schaute immer wieder zu ihrem Sklaven zurück, der sich unter den Schmerzen wand.
Was auch immer sie dort in der Finsternis getan haben, es musste schrecklich gewesen sein. Sie hatte ihn verwundet. Und er hatte ... irgendwas musste er auch getan haben. Sonst würde er nicht ein mit glänzendem Rot überzogenen Dolch in der Hand halten, so schwer, als würde es ihn gen Boden ziehen.
Sie zog sich von der Fensterbank zurück. In die hinterste Ecke ihres Bettes. Die Decke bis an das Kinn gezogen. Verstört von dem Anblick der Hexe und ihres Sklaven.
Es würde nie aufhören. Niemals. Aber sie. Irgendwann wird sie aufhören zu funktionieren. Versagen. Nur noch ein Strich Blut und ein krakeliger Eintrag in ein schäbiges, altes Notizbuch sein.
Draußen hörte sie den Sommerwind, der ihre Vorhänge sanft hob und wieder senkte. Gleichmäßig. Beruhigend. Seine schwingenden Bewegungen wogen sie in den Schlaf. Einen traumlosen, leeren, schwarzen Schlaf, der sie weder erholte, noch ermüdete. Sie schlief einfach nur. Sitzend. Die Decke bis an das Kinn gezogen. Befallen von den Schatten, die sie frieren ließen und sie schüttelten, wenn sie kurz im Schlaf zuckte. Jede der Bewegungen verstärkte um ein Vielfaches den Druck auf sie. Fraßen sich tiefer in ihr Herz. Ihren Verstand. Es war eine endlose Spirale. Ein Spiel. Hin und her. Tiefer und tiefer.
Sie war froh, dass sie schlafen konnte und nichts von alldem mitbekam. Dass sie einfach nur liegen und vergessen konnte. Vergessen die Hexe und ihren Sklaven.
An diesem Abend hatten sich Zora und Noam zum ersten Mal nicht gestritten. Und auch Romy schrie nicht wie sonst am Spieß, sondern lag in einem ruhigen Schlaf in ihrem Bettchen mit dem rosafarbenen Himmel.
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Der Name deiner Kinder
ParanormalAvyns Leben ist nicht mehr das Gleiche, seit sein Stiefvater diese neue Frau hat. Es ist anders. Und dieses „anders" ist nicht gut. Ganz und gar nicht gut. Er muss etwas dagegen tun. Etwas gegen sie und ihre dunkle Magie- und ihr wird das bestimmt n...