Speed Dating

Dreiundzwanzig

Schon als ich den Vorschlag gemacht habe, spazieren zu gehen, hatte ich ein bestimmtes Ziel im Kopf. Swan widerspricht auch nicht, als ich ihre Hand fest mit meiner umschließe und sie in eine bestimmte Richtung ziehe. Sie lächelt bloß und folgt mir ohne Widerstand zu leisten.

Ich ziehe sie direkt neben mich und hake mich bei ihr unter. „Ich liebe dich, Swan", sage ich leise und lege den Kopf an ihre Schulter. Ihr blaues Haar kitzelt mich an der Stirn.

„Ich dich auch", antwortet sie und küsst mich auf den Kopf. „Sag mal, kannst du bitte ein bisschen langsamer laufen? Kommt mir ja fast so vor, als ob du auf der Flucht wärst. Gibt's einen Grund dafür, dass du es so eilig hast?"

Das Wort Flucht löst eine seltsame Gedankenkette in mir aus. Es erinnert mich augenblicklich an den Unbekannten, der mir diese Drohungen per SMS schickt und scheinbar immer weiß, wann und wo ich bin. Dieser Unbekannte, oder auch diese Unbekannte, könnte direkt hinter einem Gebüsch stehen. Vielleicht ist es ja diese Frau mittleren Alters, die uns mit einem Hund an der Leine entgegenkommt. Theoretisch könnte genau sie eine Bekannte von Swan sein, die mich aus irgendeinem Grund von Swan trennen will.

Swan zieht mich noch näher an mich und bringt ihre weichen Lippen direkt an mein Ohr. „Ist alles okay?", fragt sie. Ich habe meinen Blick auf die Frau fixiert, die jetzt gerade an uns vorbeiläuft. Sie lächelt bloß und hebt ihre Hand zum Gruß. Swan erwidert das Lächeln, aber ich starre die Frau nur ziemlich unverschämt an.

„Mir geht's gut", antworte ich Swan auf ihre Frage.

„Woran denkst du denn?", fragt sie.

Ich sehe kurz über die Schulter, um sicherzugehen, dass die Frau außer Hörweite ist. „Weißt du, ich habe einfach keine Ahnung, wer diese Nachrichten geschrieben hat. Es könnte sogar diese Frau da gewesen sein."

Swan schüttelt den Kopf. „Glaube ich nicht. Wer auch immer es war, weiß genau, wer Maya war. Und wie sehr du sie geliebt hast. Theoretisch müsste er oder sie dich auch den ganzen Tag beobachten können. Und diese Lady sieht nicht aus wie eine Geheimagentin, die deine Wohnung verwanzt, und auch nicht wie ein Ninja, der nachts vor deinem Fenster sitzt."

Ich muss lachen und lasse meinen Kopf an ihre Schulter sinken, wobei ich versehentlich ihr frisches Tattoo berühre. Sie gibt ein leises, schmerzverzerrtes Geräusch von sich und schiebt mich sanft ein paar Zentimeter von sich. „Sorry", entschuldige ich mich und küsse sie zärtlich.

„Wohin gehen wir eigentlich?"

„Siehst du schon noch."

„Lilly...", quengelt sie. „Sag es mir doch bitte! Ich hasse Geheimnisse!"

Um sie zu beruhigen, küsse ich sie auf die Wange. „Hey, alles gut. Ich will zum Friedhof, da ist das abends richtig schön." Blöde Ausrede, aber hätte ich meiner jetzigen Freundin erzählt, dass ich ihr das Grab meiner Exfreundin zeigen möchte, hätte sie das nur beleidigt.

„Liegt Maya auf dem Friedhof begraben?", erkundigt sie sich vorsichtig. Ich bin beeindruckt, wie sehr sie mir vertraut und mich liebt. Ob ich es verkraften würde, wenn meine Freundin mir ständig etwas von ihrer verstorbenen Ex erzählen würde? Sehr unwahrscheinlich. Dazu werde ich viel zu schnell eifersüchtig, selbst, wenn diese Exfreundin bereits tot wäre.

Swan ist aber so geduldig und liebevoll, sie beschwert sich kein bisschen darüber, wie häufig ich doch noch das Thema Maya anspreche. „Ja", murmele ich und sehe auf unsere ineinander verschränkten Hände. Swan trägt wieder den Ring, den sie auch am Abend des Speed-Datings getragen hat: die Fledermaus, die ihre Flügel um Swans Finger geschlungen hat.

„Du weißt, dass ich dich liebe, oder?", frage ich sie leise.

„Natürlich weiß ich das. Ich liebe dich auch", antwortet sie lächelnd und küsst mich. Sofort grinse ich wieder vor Glück und umfasse ihre Hand fester.

„Ich meine, nicht dass du denkst, du wärest für mich nur ein Maya-Ersatz. Ich liebe dich wirklich, Swan." Ich halte kurz an, stelle mich direkt vor sie und küsse sie liebevoll.