Ich glaube, so fühlt es sich an, wenn man mit einem Eimer Eiswasser übergossen wird.
Dass ich diese Nachrichten bekommen habe, habe ich nur Swan gesagt und Adrian haben wir es auch mehr oder weniger beabsichtigt erzählt. Adrian kennt Tabea nicht, er kann es ihr nicht gesagt haben. Und soweit ich weiß, haben Swan und Tabea auch keinen Kontakt zueinander.
„Du warst das?", frage ich entgeistert. Sie macht mir jetzt keine Angst mehr, vielmehr bin ich unglaublich wütend auf sie. „Bist du eigentlich vollkommen durchgeknallt? Warum machst du denn sowas?"
„Wieso wohl?", entgegnet sie, in einem total hysterisch klingenden Ton. „Lilly, siehst du denn nicht, dass ich dich liebe? Viel mehr als Swan! Diese falsche Schlange will dich nur ausnutzen!"
Ich kann bloß den Kopf schütteln. Wie kann sie es wagen, Swan so zu beleidigen? Sie kennt sie nicht einmal wirklich! „Sicher? Tabea, nichts gegen dich, aber... Vergiss es, und ob ich was gegen dich habe! Bist du eigentlich vollkommen bescheuert?"
Mir geht beinahe schon die Luft aus, doch ich werde so oder so abgelenkt. „Lilly?" Es ist Swan, die gerade in die Bibliothek gekommen ist. Wir hatten abgemacht, dass sie mich heute zum Feierabend abholt und ich hatte bereits komplett die Zeit vergessen, weil ich so sehr damit beschäftigt war, mir Sorgen um mein baldiges Tattoo zu machen.
„Ich bin hier!", rufe ich durch den Gang, ohne dabei Tabea aus den Augen zu lassen. Sie starrt mich immer noch hinterlistig an.
Wenige Momente später steht eine breit lächelnde Swan neben mir und schlingt die Arme um mich. „Hey, Lilly", sagt sie liebevoll und versucht, mich zu küssen.
„Hi", antworte ich kühl und spüre, wie ihre Lippen nicht auf meinen landen, sondern nur auf meiner Wange. Swan hebt skeptisch die Augenbraue, lässt mich los und tritt einen Schritt zurück, um mich ansehen zu können. Dann dreht sie sich zu Tabea um.
„Was ist hier denn los? Hat jemand einen Bankraub begangen?"
„Weißt du, wer die Nachrichten geschickt hat? Mit dieser unbekannten Nummer?"
Sie schüttelt den Kopf und sieht mir in die Augen. „Aber ich kann es mir schon denken." Erneut gibt sie mir einen Kuss auf die Wange und streichelt über meinen Kopf. Dafür, dass sie sich vorher so sehr dafür eingesetzt hat, herauszufinden, von wem die Drohungen per SMS geschickt wurden, ist sie jetzt sehr ruhig. „Bring du ruhig erst einmal die hier weg." Mit dem Finger tippt Swan auf die Bücher in meinen Händen. „Ich kläre das jetzt." Und schon ist sie wieder normal, sprich: Sie sieht aus, als ob sie Tabea gleich mit bloßen Händen zerreißen würde.
„Sicher? Soll ich nicht doch hierbleiben?", frage ich mit einem Seitenblick zu Tabea, doch noch während ich sie ansehe, überlege ich es mir anders. Tabea wirkt ebenfalls sehr entschlossen, ihren Willen durchzusetzen. Obwohl sie einen ganzen Kopf kleiner ist als Swan. Auch wenn es hierbei in erster Linie um mich geht, will ich nicht unbedingt zwischen den beiden stehen.
„Ich bin gleich fertig, dann können wir gehen", sagt Swan zuversichtlich, gibt mir einen Kuss und sieht mir dann nach, während ich mich langsam in Richtung des Ganges bewege, in dem ich die Bücher abstellen kann.
Ich bin überrascht, kein Gekreische und Geschrei zu hören. Gerade Swan redet mit einer ungewohnt ruhigen, festen Stimme, aber ihre genauen Worte kann ich nicht verstehen. Tabea scheint im ersten Moment noch wütend, denn sie beginnt, entrüstet zu kreischen.
Das ändert sich, schon bald lässt sie nur noch leises Wimmern und Weinen verlauten. Ich habe mich heimlich in den Gang direkt neben den beiden geschlichen und sehe durch eine kleine Lücke zwischen den Büchern hindurch. Tabea hat sich gegen das gegenüberliegende Bücherregal gelehnt und hat mutlos die Arme sinken lassen. Swan steht vor ihr und redet auf sie ein – und verpasst ihr dann eine schallende Ohrfeige.
Tabea läuft beinahe sofort von ihr weg, und im gleichen Moment laufe ich hinüber zu Swan in den Gang, um sie festzuhalten, denn ihrem Blick nach zu urteilen wäre sie Tabea am liebsten gefolgt. Stattdessen knurrt sie jetzt: „Das hätten wir dann auch erledigt."
DU LIEST GERADE
Speed Dating
RandomLilly hat sich damit abgefunden, vermutlich den Rest ihres Lebens in Einsamkeit zu verbringen, doch ihre Schwester sieht das anders. Sie meldet Lilly zu einem Speed-Dating an.