Telefonate

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Nach meinem Ausflug zu Lukas' Hotel hatten die Gedanken nicht aufgehört. Ich wusste, mehr oder weniger, was ihn so hatte handeln lassen, aber nicht, warum ich ihn nicht nur tun lassen habe, sondern es sogar genossen hatte.
Valerie erwartete mich im Flur.
„Guten Morgen, wo kommt ihr denn her?" Sie küsste mich. Ich fühlte mich schmutzig. Die letzte Person, die ich geküsst hatte, war Lukas gewesen.
„Brötchen holen." Ich legte die Bäckertüte auf den Tisch.
„Du siehst fertig aus. Geht's dir gut?", fragte Valerie besorgt, während sie Jesse Jacke und Schuhe auszog.
Ich nickte gezwungen. „Ja. Mir fehlt nur ein wenig Schlaf - und eine Dusche." Ich hatte die versäumte Dusche noch immer nicht nachgeholt.
Im Badezimmer erschrak ich mich förmlich vor meiner Reflexion im Spiegel. Meine Haare standen in alle Richtungen, ich hatte Augenringe und es klebte sogar noch etwas Gras an meiner Stirn.
Und so bist du Lukas heute Morgen gegenübergestanden. Moment. Seit wann interessierte es mich, was Lukas von mir hielt?
Das heiße Wasser hatte wie immer eine beruhigende Wirkung auf mich. Es fühlte sich gut an, mit dem Gras, Dreck und Schweiß die Erinnerungen an den gestrigen Abend wegzuspülen.
Nach einem perfekten Frühstück fühlte sich fast alles wie immer an. Valerie, Jesse und ich zusammen im Wohnzimmer, nur wir drei. Jesse spielte auf dem Boden, Valerie las ein Buch und ich fuhr meinen Laptop hoch.
Gelangweilt öffnete ich Facebook und stellte fest, dass ich einige neue Nachrichten erhalten hatte. Zwei von Freunden aus der Schulzeit, eine von einem Fan und eine von - Lukas Ströbel.
Mein Herz machte einen Hüpfer und ich schielte nervös zu Valerie, bevor ich die Nachricht aufrief.

[6:38Uhr] Lukas Ströbel: Ich würde dir wirklich gerne erklären, was wirklich los ist. Ruf mich an, falls du noch meine Nummer hast.

Ich seufzte wohl etwas zu laut, den Valerie blickte von ihrer Lektüre auf. „Ist irgendwas, Schatz?"
Schnell schüttelte ich den Kopf. „Nein. Alles bestens."
Ich würde Lukas auf keinen Fall anrufen, aber trotzdem schauen, ob ich noch seine Nummer gespeichert hatte.
Im Schlafzimmer fand ich mein altes Handy in der Schublade meines Nachttisches. Lukas' Kontaktdaten waren noch unverändert. Tatsächlich spielte ich mit dem Gedanken, einfach auf diesen kleinen grünen Hörer neben seinem Namen zu tippen und zu erfahren, was Sache war.
Ich durfte einfach nicht den gleichen Fehler ein zweites Mal machen. Ich würde wieder von ihm abhängig werden, obwohl ich ihn gar nicht mehr brauchte. Ich hatte Valerie, und wir waren überglücklich miteinander.
Es war so anders als damals.
Und doch wählte ich Lukas' Nummer. Bevor ich wieder auflegen konnte, hatte Lukas schon abgehoben.
Ob er wohl auf diesen Anruf gewartet hatte?
„Hallo, Tim." Wie- „Dachtest du im Ernst, ich hätte deine Nummer je gelöscht?"
„Da du mich kein einziges Mal angerufen oder angeschrieben hast: Ja, das war sehr naheliegend. Also, warum vermisst du mich auf einmal so schrecklich, dass du in der Kabine über mich herfällst?", zischte ich möglichst leise in das Telefon, aus Angst, Valerie könnte mich reden hören. Tatsächlich öffnete sich die Tür und meine Freundin starrte mich verwundert an.
„Ich bin gleich zurück!", rief ich ihr zu, schlüpfte an ihr vorbei und zog auf dem Weg nach außen Jacke und Schuhe an.
„Also?", sagte ich zu Lukas gewandt, als ich in meinem Auto saß.
Zuerst dachte ich, dass er aufgelegt hätte, da am anderen Ende der Leitung nur Stille herrschte.
Dann räusperte sich Lukas. „Weißt du, nach meinem Wechsel... Ich war ein Star. Ich war viel mehr in der Öffentlichkeit als vorher, bei jedem Training waren Reporter, in der Stadt wurde ich von Paparazzi fotografiert. Es schien für mich nicht möglich, das länger geheim zu halten. Uns geheim zu halten. Ich dachte, wenn das auffliegt, ist meine Karriere zerstört. Aber um ehrlich zu sein, ich war nie über dich hinweg. Keinen einzigen Tag in diesen fünf Jahren. Und seit klar wurde, dass wir im Pokal gegen euch spielen werden, habe ich mich komplett in Erinnerungen von damals verloren. Ich will, dass alles wieder so ist wie damals. Ich will wieder mit dir zusammen sein, auch wenn dann meine Karriere hin ist. Ich liebe dich, Tim."
Ich schluckte. „Ich brauche dich nicht mehr, Lukas."
Bevor er noch etwas erwidern konnte, hatte ich bereits aufgelegt.

Inkompatibel [definitiv kein Timigatoah AU]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt