Halbfinale

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Wie jede Länderspielpause spielten wir Testspiele. Bei den Zweitligisten fehlten selten Spieler, weil sie mit ihren Nationalmannschaften unterwegs waren.
Wir waren gerade fertig mit dem Training am Freitag, dem Tag vor dem Spiel, als Marcel in der Kabine auf die Bank sprang und gegen die Wand klopfte.
„Aufmerksamkeit, bitte!", brüllte er. „Unser lieber Herr Weitkämp wird morgen seiner Valerie 'nen Antrag machen, wenn er ein Tor schießt! Also, er schießt alle Elfer, Freistöße und was es sonst noch gibt!"
„Marcel, bist du verrückt?" Ich schubste ihn von der Bank. Natürlich hatte ich es nie vorgehabt, Valerie einen Antrag zu machen geschweige denn sie tatsächlich zu heiraten, aber nun wusste die ganze Mannschaft davon und ich saß in der Klemme. Dabei hatte ich noch nicht einmal einen Ring gekauft.
Unsicher, was ich tun sollte, wählte ich wie von selbst Lukas' Nummer. Dann fiel mir unser letztes Treffen ein und die leicht bekleidete Blondine im Treppenhaus. Ich legte wieder auf, bevor er abheben konnte.
Wahrscheinlich war er eh gerade mit dieser Nutte beschäftigt.
Um mich von meiner plötzlichen Eifersucht abzulenken, fuhr ich mit Luis zum Einkaufen, um einen Ring für Valerie zu kaufen. Ich steckte mittlerweile eh schon so tief in der Scheiße, dass es keinen Unterschied mehr machte, ob ich noch tiefer tauchte oder mich langsam von den Geschehnissen meiner Welt runterziehen ließ.
Luis konnte keine Sekunde den Mund halten. „Mann, irgendwie kam das jetzt voll unerwartet, aber ey, ich freu mich! Hast du eigentlich schon Mama Bescheid gesagt?"
Fuck. Mit meiner Mutter hatte ich seit Wochen nicht geredet - nicht absichtlich, meine Gedanken waren nur Tag und Nacht anderweitig unterwegs. Toll. Also hatte ich auf der kurzen Autofahrt noch etwas zu erledigen. Ich wählte die Nummer meiner Mutter. Es dauerte nur Sekunden, bis sie abhob.
„Hallo, Tim! Schön, dass du auch mal wieder von dir hören lässt!" Ihre Stimme klang vorwurfsvoll.
„Sorry", erwiderte ich zerknirscht. „Hatte viel um die Ohren... Die ganze Sache mit dem Pokalspiel und so." Bevor sie mich darauf ansprechen konnte, redete ich schon weiter. „Aber was ganz anderes, ich habe gute Nachrichten! Ich werde Valerie einen Heiratsantrag machen! Luis und ich fahren grade den Ring kaufen."
Einige Sekunden Stille, gefolgt von einem spitzen Schrei. Meine Mutter konnte es wohl kaum fassen, dass einer ihrer Söhne endlich heiratete. „Ich freu mich so für dich, Tim!", flüsterte sie nach einer Weile. Shit, wenn ich das richtig hörte, weinte sie sogar. Ich nuschelte noch ein kurzes „Bis dann, Mama" und legte auf, da wir eh gerade den ersten Juwelier erreicht hatten. Schon beim Betreten des Ladens hatte ich ein ungutes Gefühl. Ich wollte doch nie heiraten! Kurz überlegte ich, ob ich einfach wegrennen sollte, aber natürlich, dieser Gedanke war naiv und kindisch. Selbst, wenn ich den Laden verlassen hätte, die Sache mit der Verlobung wäre immer noch da. Und so ließ ich den Verkäufer meine schwitzige Hand schütteln und gab mich der Prozedur hin.

Nach zwei Stunden war endlich der richtige Ring gefunden. Ich hätte am Liebsten direkt den ersten Ring genommen und gekauft, aber Luis brachte mich dazu, ernsthaft zu überlegen, was Valerie gefallen könnte.
Und ehrlich, ich schuldete ihr was. Sie hatte es nicht verdient, in meine Probleme mit Lukas hineingezogen zu werden. Sie war nicht schuld an irgendetwas. Sie war nur zur falschen Zeit am falschen Ort.
Lukas versuchte dreimal, mich anzurufen. Was war an diesem Abend so wichtig? Wollte er sich etwa für das abrupte Ende unseres letzten Treffens entschuldigen? Diese Entschuldigung konnte er sich in den Arsch schieben.
Es war zu spät für ihn. Es war zu spät für uns.

Inkompatibel [definitiv kein Timigatoah AU]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt