Chapter One

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Ich schaute starr in den strahlend blauen Himmel, als ich aus dem großen Schulgebäude trat.
Es war spät am Nachmittag und kaum Wolken bedeckten den Himmel. Hellblau. Reines, helles, strahlendes Blau lächelte auf mich herab.
Die Sonne meinte es mal wieder gut. Fast zu gut für diese Welt.

Die letzten Stunden waren eine Qual gewesen.
In den Klassenzimmern hatten die Fenster nicht geöffnet werden dürfen. Stickig und heiß war es gewesen und der Schweiß war uns Schülern regelrecht in Bächen von der Stirn gelaufen, sodass nicht einmal die obligatorischen, selbstgebastelten Papierfächer etwas genützt hatten.

Hier draußen wehte ein angenehmer Wind und ich spürte deutlich wie die Stelle, an der das T-Shirt vor lauter Schweiß an ihrem Rücken geklebt hatte zu trocknen begann.
Ich seuftzte wohlig auf.
Diesen leichten Wind hätte sie gegen nichts auf der Welt eintauschen wollen. Nicht mal gegen Schokolade.

Zufrieden richtete ich meinen Blick auf die große St. Michaelskirche auf der anderen Seite des Platzes. Stolz ragte der große Kirchturm in die Höhe und mir wurde ein wenig schwindelig, als ich daran emporblickte. Das imposante Gebäude hatte mir schon immer etwas Angst eingejagt.Die große Uhr zeigte halb fünf.
Wo blieb nur Laya?
Von weitem erspähte ich die neue Putzfrau vom kleinen Bücherladen neben der Kirche.
Sie hatte schwarze Augen.
Mich wunderte es noch immer wie sie den Job bekommen hatte...

Normalerweise bekamen Leute mit schwarzen Augen keine Jobs. Keiner wollte sie haben. Niemand sprach mit ihnen.
"Die sind gefährlich", hatte meine Mutter immer zu mir gesagt, als ich klein gewesen war. "Halt dich von ihnen fern."
Jetzt sagte sie es immer noch. Zu jeder Gelegenheit.
Als ob ich es in den letzten 17 Jahren noch nicht begriffen hätte. Das hatte ich nämlich.
Nur warum sie gefährlich waren wusste ich nicht. Bisher hatte mir das niemand erklären können. Mittlerweile glaubte ich nicht mehr daran, dass sie gefährlich waren.
Aber unheimlich fand ich sie trotzdem. Warum auch immer.
Eigentlich waren es ja nur Augen...eigentlich.

Die Putzfrau verschwand in dern Laden und ich wandte meinen Blick ab und schimpfte mich innerlich. Immer musste ich starren.
Ich war auch nicht besser als der Rest der Menschheit. Der Rest der selbstsüchtigen, kriegerischen Spezies, die den Planeten irgendwann noch ausrotten würde.
Dessen war ich mir ganz sicher. Und ich wollte definitiv nicht dazugehören. Aber was konnte ich schon ausrichten?

Endlich sah ich einen blonden Haarschopf, der im Eiltempo auf mich zusteuerte.
Laya.
Mit... ich schaute auf die Uhr - exakt vierzig Minuten Verspätung. Die konnte was erleben.

Ich setzte schon einmal vorsorglich einen extra strengen Blick auf und verschränkte meine Arme vor der Brust.
Bestens gerüstet für ein Duell, das ich vermutlich sowieso wie immer verlieren würde.
Aber dennoch.
Never give up.

Leider vergebens.
Layas Grinsen zeigte mir schon, dass sie wusste was in mir vorging. Sie kannte mich einfach zu gut. Mist.
Sie umarmte mich zur Begrüßung und setzte einen sehr niedlichen Blick auf, mit dem sie wahrscheinlich jeder Typ geheiratet hätte.
Aber nicht mit mir!

"Hallo Catherine", sagte sie breit lächelnd mit ihrer besten Lehrerstimme. "Ich habe die Unterlagen.Wir können dann von mir aus los." Diese ... Hinterhältige!
Aber mein Moto wäre nicht Never give up, wenn ich das auf mir sitzen gelassen hätte.

Fight on!

"Laya Mary!", schimpfte ich sie mit neuem Elan und fuchtelte mit dem Zeigefinger vor ihrem Gesicht herum. "Das ist das fünfte Mal.
Das fünfte Mal, dass du diese Woche zu spät kommst. Ohne Erklärung!"
Ich schaute noch furchteinflößender, probierte es zumindest.
Wieder ohne Erfolg.
Laya lächelte nur noch breiter und nickte dazu unschuldig und fröhlich mit dem Kopf.
Wie ein Kind!
Konnte ich das auf mir sitzen lassen? Mich von einem Kind besiegen lassen? Definitiv nicht, beschloss ein Teil von mir und ich nahm mir vor heute nicht nachzugeben.
Ich wollte den Grund wissen, warum sie dauernd zu spät kam, am laufenden Band grinste wie ein Honigkuchenpferd und warum sie mir nicht erzählte, was sie seit neuestem gegen ihre sonst so abgöttisch geliebten Schokokekse hatte.
Nicht dass ich mich beschweren wollte...ich spielte gerne den Mülleimer, vor allem wenn es um Kekse ging, aber dennoch...

"Wo warst du?", fragte ich deshalb und versuchte, sie mit meinen Blicken zu lähmen.
Innerlich stieß ich einen triumphierenden Siegesschrei los, weil meine beste Freundin und Schwester tatsächlich für einen Moment verdutzt aussah.

'Yes! The winner takes it all!', dachte ich und wartete auf die Erklärung, die ich mir meiner Meinung nach allermindestens verdient hatte.

Weit gefehlt.
Laya tätschelte meinen Kopf und lief an mir vorbei.
Erschrocken und verwirrt starrte ich ihr nach und musste vermutlich aussehen wie ein Bus, der die Kurve nicht gekriegt hatte.
Soviel zum Thema...

Hastig lief ich hinter ihr her und versuchte mit ihr Schritt zu halten. Sie hatte ein ordentliches Tempo drauf, mit dem sie jetzt quer über den Marktplatz hetzte.
"Laya", keuchte ich und hielt mich an ihrem Arm fest, um sie nicht zu verlieren. "Laya bleib stehen!"
Natürlich ignorierte sie mich und ihr Pferdeschwanz wippte fröhlich im schnellen Takt ihrer Schritte. Missmutig eilte ich ihr hinterher. Immer gewann sie. Das war so unfair! Schließlich war sie auch nur fünf Jahre älter als ich! Und ich musste ihr andauernd hinterherdackeln. Einfach nur unfair!
Ich wechselte die Taktik, packte ihre Tasche, die sie um ihre Schulter gelegt hatte und beschloss mein Lebensmotto zu ändern.

Winner takes it all passte viel besser.

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