Tito wurde ins Krankenhaus gebracht. Er war schwer verletzt, würde es jedoch auf jeden Fall ohne bleibende Schäden überleben. Ich saß, nachdem Tito abgeholt wurde, auf dem Sofa und heulte wie ein Schlosshund. Lucia saß neben mir und heulte ebenfalls. Auch Bella stand noch immer hier herum, ebenfalls heulend. Scheiße, was waren wir nur für ein armseliger Haufen! Ich konnte mit dieser Schuld nicht umgehen. Ich war schuld daran, dass Chico seinen eigenen Bruder so schwer verletzt hatte. Als Maria zurückkam, rastete diese völlig aus. Natürlich, sie war nur für ein paar Stunden weg gewesen, dann kam sie wieder und fand uns hier heulend vor. Ich wusste, dass meine Zeit in Mexiko abgelaufen war. Das, was passiert war, konnte man nicht wieder gerade biegen. Ich hatte ganz gewaltig Scheiße gebaut und hatte einen Keil zwischen zwei Brüder getrieben. Ich hatte mich getäuscht. Ich bin noch immer ein schrecklicher Mensch. Ich hatte mich kein Stück gebessert. Ich war noch immer egoistisch und stets auf mein eigenes Wohl bedacht. Ich war nicht selbstlos, so wie Maria und Lucia. Ich war eine verlogene, eigennützige blöde Kuh, mehr nicht. Ich hatte keine Ersatzmutter wie Maria verdient und auch keine Schwester wie Lucia. Schon gar nicht hatte ich einen Mann wie Chico verdient, der das Leben aller anderer mit seinem Leben beschützte. Ich hatte es verdient allein zu sein.
Und so kam es, dass ich jetzt ganz allein, naja, abgesehen von dem armen Fahrer des Wagens, in einem Taxi saß. Ich heulte ihm auf dem ganzen Weg zum Bahnhof die Ohren voll. Wahrscheinlich verstand er mich überhaupt nicht, doch er bewies sehr viel Geduld, sodass ich ihm extra etwas mehr Geld gab, als ich die Fahrt bezahlte. Wie lange hatte ich mir das Heulen jetzt verkniffen. Wie oft hatte ich tief Luft geholt oder meine Lippe blutig gebissen. Jetzt brach alles aus mir heraus. Im Nachhinein betrachtet war es einfach nur peinlich. Laut heulend lief ich den Haupteingang hinein. Mein verbeulter Louis Vuitton klapperte schwankend hinter mir her. Die Leute starrten mich verstört an. Ich gab wahrscheinlich auch ein verstörendes Bild ab.
„San Diego!", heulte ich die Frau an, die mir das Zugticket verkaufte. Sie reichte mir mitleidig ein Taschentuch, welches ich mit einem weinerlichen „Danke" entgegen nahm. Auf dem Weg zum Gleis schluchzte ich ununterbrochen. Ich war einfach gegangen, ohne jemandem Bescheid zu sagen. Wahrscheinlich machten Lucia und Maria sich große Sorgen. Ich wollte nicht, dass sie sich wegen mir Sorgen machten! Nicht einmal Miguel hatte ich Bescheid gesagt. Was war ich nur für ein beschissener Mensch? Am Gleis angekommen setzte ich mich auf Louis und schnäuzte mich geräuschvoll und wenig ladylike in das Taschentuch. Die Minuten vergingen... Erst als mein Handy in meiner Hosentasche vibrierte, hörte ich kurz auf zu heulen. Vielleicht war es Chico? Ich kramte das Gerät hervor und war enttäuscht, dass ich die Nummer die anrief, nicht kannte.
„Was?", blaffte ich in das Telefon.
„Jamie Rose Whitman?", fragte eine männliche Stimme.
„Wer will das wissen?"
„Guten Tag, mein Name ist Diego Martinez."
„Aha.", murmelte ich. Das sagte mir rein gar nichts.
„Ich hoffe, ich störe dich gerade nicht bei etwas?"
„Haben Sie mir schon mal einen ausgegeben, oder warum duzen Sie mich?", keifte ich in das Telefon. Dieser Diego Martinez lachte rau am anderen Ende der Leitung.
„Das Mädchen gefällt mir!", sagte er zu jemandem, der wahrscheinlich bei ihm war.
„Diego, was wollen Sie?", fragte ich genervt. Ich wollte doch nur allein auf Louis sitzen und heulen. War das zu viel verlangt?
„Ich will, dass du mir zuhört, Jamie.", begann er. Seine Stimme, und das fiel mir erst jetzt auf, war eiskalt und fies. Ich hatte es hier eindeutig mit einem Fiesling zu tun.
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Verschiedene Welten
RomansaJamie ist bei ihrer Mutter aufgewachsen. Geldprobleme kennt sie nicht, genau so wenig wie ihren Vater. Für sie bricht eine Welt zusammen als sie aus ihrem Luxusleben herausgerissen und zu ihrem Vater nach Mexiko geschickt wird. Die Unterschiede zwis...